Radiologie in Deutschland. Ein Weißbuch

Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Vorworte
Stefan Lohwasser und Stefan O. Schönberg
Bildstrecke
Einleitung
Radiologie in Zahlen
Kapitel I: Funktion. Den ganzen Menschen im Blick
Bildstrecke
Ein Tag im Leben einer Radiologin
Thekla H. Oechtering
Vom "Knochenmann" zur "Weichteilfrau". Der Mensch im Bild der Radiologie
Elke R. Gizewski
Die Radiologie als Schnittstelle
Thekla von Kalle
Radiologie im O-Ton
Thomas Hackländer
Verzahnung der Radiologie mit der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie in der Forschung
Michael Bock
Von Kopf bis Fuß: Krankheiten auf der Spur
Rotem S. Lanzman
Verfahren der Radiologie. Ein Überblick aus der Perspektive der Medizinphysik
Michael Bock
Prozesse in der Radiologie
Thomas Hackländer
Kapitel II: Struktur. Vielfalt und Teamwork
Bildstrecke
MTRA - Radiologie mit Kopf, Hand und Herz
Michael Wiertz
Von der Anmeldung zum Befund - Datentransfer in sechs Sationen
André Lachnitt
Medizinphysiker in der Röntgendiagnostik
Horst Lenzen
Überall verfügbar: Teleradiologie
Christian Rosenberg
Radiologie stationär und ambulant: im Interesse des Patienten
André Lachnitt
Gender Gap in der Radiologie
Elke R. Gizewski
Parallele Universen in der Radiologie
Michael Wiertz
Interventionen: Wenn Radiologie zur Therapie wird
Vera Breier
Fort- und Weiterbildung: Schritt halten mit dem Wandel
Thekla H. Oechtering
Die Sprachen der Radiologie
Thekla von Kalle
Kapitel III: Entwicklung. Perspektiven und Herausforderungen
Bildstrecke
Radiologie der Zukunft: Ein Gespräch
Lale Umutlu und Michael Bock
Wenn aus Daten Wissen wird
Thomas Hackländer
Maschinen und Menschen
Michael Wiertz
Modelle der Versorgung - ein integrativer Ansatz
Christian Rosenberg
Ebenen des Datenschutzes in der Radiologie
Thomas Hackländer
Transformationen. Beobachtungen zur Zukunft der Radiologie
Angela Geissler
Patientenversorgung versus Profit. Ein Plädoyer für den Erhalt inhabergeführter Röntgenpraxen
Stefan Neumann
Radiologie 2030
Jörg Barkhausen
Nachworte
Stefan Lohwasser und Stefan O. Schönberg
Bildstrecke
Autoren
Impressum

008 024 028 — — — 011 027 035 Vorworte Einleitung Radiologie in Zahlen Kapitel I Funktion. Den ganzen Menschen im Blick 036 060 064 — — — 047 063 071 072 078 088 — — — 077 087 095 096 104 — — 103 109 110 — 115 Einführung Ein Tag im Leben einer Radiologin Vom „Knochenmann“ zur „Weichteilfrau“. Der Mensch im Bild der Radiologie Die Radiologie als Schnittstelle Radiologie im O-Ton Verzahnung der Radiologie mit der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie in der Forschung Von Kopf bis Fuß: Krankheiten auf der Spur Verfahren der Radiologie. Ein Überblick aus der Perspektive der Medizinphysik Prozesse in der Radiologie Kapitel II Struktur. Vielfalt und Teamwork Thekla H. Oechtering Elke R. Gizewski Thekla von Kalle Thomas Hackländer Michael Bock Rotem S. Lanzman Michael Bock Thomas Hackländer 116 136 140 142 146 152 154 158 160 164 168 — — — — — — — — — — — 123 139 141 145 151 153 157 159 163 167 173 Einführung MTRA – Radiologie mit Kopf, Hand und Herz Von der Anmeldung zum Befund – Datentransfer in sechs Stationen Medizinphysiker in der Röntgendiagnostik Überall verfügbar: Teleradiologie Radiologie stationär und ambulant: im Interesse des Patienten Gender Gap in der Radiologie Parallele Universen in der Radiologie Interventionen: Wenn Radiologie zur Therapie wird Fort- und Weiterbildung: Schritt halten mit dem Wandel Die Sprachen der Radiologie Michael Wiertz André Lachnitt Horst Lenzen Christian Rosenberg André Lachnitt Elke R. Gizewski Michael Wiertz Vera Breier Thekla H. Oechtering Thekla von Kalle Kapitel III Entwicklung. Perspektiven und Herausforderungen Einführung Radiologie der Zukunft. Ein Gespräch Wenn aus Daten Wissen wird Maschinen und Menschen Modelle der Versorgung – ein integrativer Ansatz Ebenen des Datenschutzes in der Radiologie Transformationen. Beobachtungen zur Zukunft der Radiologie Patientenversorgung versus Proﬁt. Ein Plädoyer für den Erhalt inhabergeführter Röntgenpraxen Radiologie 2030 Lale Umutlu und Michael Bock Thomas Hackländer Michael Wiertz Christian Rosenberg Thomas Hackländer Angela Geissler Stefan Neumann Jörg Barkhausen Nachworte Autoren Impressum 174 192 198 202 206 214 218 222 — — — — — — — — 177 197 201 205 213 217 221 225 226 — 229 230 241 246 — — — 233 245 247 007

Vorworte Stefan Lohwasser Stefan O. Schönberg Worüber reden wir eigentlich, wenn wir von Radiologie in Deutschland sprechen? 15 Radiologinnen, Medizin- physiker und Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentinnen (MTRA) sind auf Initiative der Deutschen Röntgen- gesellschaft (DRG) dieser Frage über einen Zeitraum von rund 18 Monaten nachgegangen. Entstanden ist aus einem gemeinsamen Forschungs-, Workshop- und Redaktionsprozess die vorliegende Publikation „Radiologie in Deutschland. Ein Weißbuch“. Prof. Dr. Stefan O. Schönberg, DRG- Präsident, und Dr. Stefan Lohwasser, DRG-Geschäft sführer, haben sich im Vorfeld der Veröﬀentlichung zu einem Gespräch über das Weißbuch in Berlin getroﬀen.

Lohwasser Ich bin vor einigen Jahren als Geschäftsführer der DRG in die Welt der Radiologie eingetreten. Das war für mich etwas völlig Neues. Natürlich hatte ich ein vorgefertigtes Bild, aber das war im Grunde so, als würde man am Fenster stehen, ohne dass man wirklich den ganzen Raum betrachten konnte. Mittlerweile habe ich erlebt, dass es eine ganz eigene, vielschichtige und lebendige radiologische Kultur gibt. Mir war es deshalb ein großes Anliegen, diese radiologische Kultur auch anderen greifbar, erlebbar, nachvollziehbar zu machen. Schönberg Zur Kultur gehört für mich auch ein gesellschaftlicher Anspruch der Radiologie. Dieser Anspruch ist mit Blick auf die Versorgung von Pati- entinnen und Patienten ein vierfacher: Radiologie in Deutschland steht erstens für Interprofessionalität, zweitens für die Vermittlung von medizi- nischem Wissen an Patienten, Angehörige, Fachkollegen und die Wissen- schaft, drittens für medizinische wie technische Innovation und viertens für hohe Qualitätsmaßstäbe. Diese vier Aspekte finden sich im Weißbuch in Wort und Bild wieder. Lohwasser Vor allem liefern die Texte und Bilder Einblicke von denjenigen, die Radio- logie in Deutschland täglich in ihrer Arbeit gestalten. Und dafür ist so ein Weißbuch wichtig: dass die Radiologie einmal ihre Geschichte erzählt, aus den unterschiedlichsten Perspektiven und Arbeitskontexten her- aus. Diese radiologische Vielfalt der Menschen, Themen und Positionen kann Grundlage und Ausgangspunkt sein, um ins Gespräch zu kommen – untereinander, aber besonders auch mit allen anderen. Schönberg Das Markenzeichen der Radiologie ist ja ihre Trilateralität: die Zusam- menarbeit von Radiologinnen, Medizinisch-Technischen Radiologie- Assistenten und Medizinphysikerinnen. Die Radiologie steht deshalb nicht nur für einen medizinischen Anspruch, sondern auch für technische Operabilität und höchste Umsetzungsqualität – und dafür braucht man die richtigen Personen bzw. kompetente Teams. Folgerichtig haben des- halb auch Vertreter aller drei Berufsgruppen als Autoren am Weißbuch mitgewirkt. Und was ich wirklich bemerkenswert finde: Die 15 Autorinnen und Autoren haben jenseits von Hierarchien, Organisationsstrukturen und Berufsgrenzen ihren Erfahrungsschatz, ihre besondere Aus- und Vorbildung eingebracht, geteilt und dazu genutzt, besondere Perspek- tiven auf die radiologische Praxis aufzuzeigen. Ich kann mich dafür nicht oft genug bei den Beteiligten bedanken. ↘ 009

Lohwasser Schönberg Lohwasser Schönberg Vorworte Ich möchte hier noch et was zur Genese des Buches ergänzen. Wie viel- leicht bei anderen Organisationen und Gesellschaften auch hat sich bei der DRG aus der täglichen Routine heraus eine gewisse „déformation professionnelle“ eingeschlichen. Der Vorstand der DRG hat deshalb ganz bewusst auf irgendwelche Vorgaben verzichtet und stattdessen darauf geachtet, dass dem Autorenteam ein Höchstmaß an Freiheit und Unabhängigkeit gegeben ist. Im Weißbuch ﬁnden sich kurze Einleitungs- kapitel, die rein deskriptiven Charakters sind. Die zentralen Inhalte aber kommen ausnahmslos von den Autorinnen und Autoren. Auch von mei- ner Seite für diese engagierte Arbeit einen herzlichen Dank. Wir haben auch versucht, durch die Auswahl der Autoren das gesamte Spektrum der Radiologie von der ambulanten bis in die klinische Versorgung, von Praxen bis zu Universitätskliniken, von Weiterbildungsassistenten bis zu Ordinarien abzubilden. Ich denke, das kommt auch in den Beiträgen sehr gut rüber. Das Weißbuch ist wirklich besonders und macht Lust auf Lesen, weil man wie beim Blick durch ein Kaleidoskop ganz verschiedene Einblicke bekommt. Aber am Ende fügt es sich zu einem großen Ganzen. Wenn man das Buch aufschlägt, springt einem als erstes die Gestaltung ins Auge. Die Radiologie mit ihren bildgebenden Verfahren wird hier natür- lich auch in Bildern repräsentiert – nahezu die Hälfte des Buches nimmt das ein. Das zeichnet ja auch die Medizin insgesamt aus: der Mensch im Zentrum und die Orientierung am Bild, an der Topograﬁe, an der Anatomie. In Zeiten des allgegenwärtigen Bilderrausches war und ist das eine wichtige Aussage, den Menschen und seine Abbildbarkeit in den Fokus zu rücken – einerseits. Andererseits bewegt sich die Radiologie wie auch die Medizin insgesamt weg vom Bild hin zu den Daten. Aber die vielen Daten werden dann wiederum bildlich übersetzt. Es führt also kein Weg vorbei am Bild. Und auch kein Weg vorbei an der Ästhetik dieser Bilder. Diese Ästhetik hat ja auch eine ambivalente Geschichte. Zum einen galten manchen Leuten die Radiologen als die, die „nur“ die schönen Bilder machen. In Zeiten der bildgestützten Interventionellen Radiologie hat sich sicher auch dieses Kli- schee überholt. Vor allem steht aber für mich die Ästhetik und Brillanz der radiologischen Bilder heute auch für technische Qualität und die Exzellenz derjenigen, die sie erstellen, einhergehend mit dem kontinuierlichen Stre- ben unseres Faches nach Innovation und Perfektion. Ich ﬁnde die Bilder im positivsten Sinne brisant. 010

Weißbücher liefern in der Regel fachliche Perspektiven, konkrete Vor- schläge und Prognosen in übersichtlicher Darstellung. Die vorliegende Publikation „Radiologie in Deutschland. Ein Weißbuch“ geht inhaltlich und stilistisch darüber hinaus. Als Anthologie bietet sie, neben der Vor- stellung des Status Quo und eines fachbezogenen Ausblicks, vor allem eine Art radiologischer „Blütenlese“. Aus gedehnte Bildstrecken geben zudem außergewöhnliche Einblicke in die Welt der Radiologie mit ihren vielen bildgebenden Verfahren. Für die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) als Herausgeber sprechen Stefan Schönberg in seiner Funktion als DRG-Präsident und Stefan Lohwasser als DRG-Geschäftsführer in ihren Vor- und Nachworten zu den Beweggründen für dieses Publikationsprojekt und über ihre persönlichen Leseerfahrungen. Die Beiträge von 15 Autoren aus der klinischen und wissenschaft- lichen Praxis eröﬀnen ein weites Spektrum an Themen sowie textlichen und graﬁschen Darstellungsformen. Sie alle wollen nicht nur Orientie- rung und Anstöße geben, sondern auch die Menschen hinter dem Fach Radiologie zeigen. Hier schreiben Radiologinnen, Medizinphysiker sowie Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentinnen (MTRA) über ihre Arbeit mit und für Patienten. Sie wenden sich damit gleichermaßen an Laien wie an Proﬁs. Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert, die jeweils mit einer fachli- chen Einführung beginnen und in der Folge die Namensbeiträge versam- meln. Die Kapitel und Beiträge sind so gestaltet, dass sie auch unabhängig von ihrer Reihenfolge gelesen werden können. Leserinnen können daher selbst entscheiden, an welcher Stelle sie in die radiologische Wirklichkeit in Deutschland einsteigen möchten. Die Texte verwenden gleichermaßen ein generisches Maskulinum wie ein generisches Femininum, um zu unter- streichen, dass beide Geschlechter und die geschlechtliche Diversität gemeint sind. Das erste Kapitel „Funktion. Den ganzen Menschen im Blick“ stellt zunächst Radiologie als ein Fach zwischen Mensch, Technik und Ver- sorgung vor. Als Querschnittsdisziplin und zugleich hochspezialisierte Medizin setzt die Radiologie bildgebende Verfahren zu Früherkennung, Diagnostik und Therapie ein und arbeitet dabei auch mit Strahlenthe- rapie und Nuklearmedizin zusammen. In der Darstellung des Alltags einer Radiologin zeigt Thekla H. Oechtering, wie viele Facetten der Ra- diologie es im klinischen Alltag gibt. Elke R. Gizewski beschreibt, wie sich mit den radiologischen Verfahren auch die Bilder vom Menschen verändert haben: vom Knochenmann zur Weichteilfrau. Von der ersten Magnetresonanztomograﬁe über die interdisziplinäre Besprechung im Tumor-Board bis zur bildgestützten Gewebeentnahme zeigt Thekla von Kalle am Beispiel der Kinderradiologie die Schnittstellenfunktion ihres 025

Fachs. Befundbericht, Leitlinie, Norm und so manches mehr: Mit seiner Sammlung von Originaltönen der Radiologie in Form von Dokumenten macht Thomas Hackländer sichtbar, wie viele Informationen, Vorgaben und Standards Radiologinnen in ihrer Arbeit berücksichtigen. Bei der Krebsbehandlung arbeiten Radiologie und Strahlenheilkunde eng zu- sammen. Dass das auch für die Forschung gilt, macht Michael Bock an einem aktuellen Forschungsprojekt deutlich. Krankheiten auf der Spur – wie die Radiologie dabei vorgeht, das beschreibt Rotem S. Lanzman in Bild und Text, von Kopf bis Fuß. Im Anschluss stellt Michael Bock die bildgebenden Verfahren der Radiologie noch einmal aus medizinphy- sikalischer Sicht vor. Und Thomas Hackländer verweist am Ende des Kapitels darauf, dass radiologische Verfahren auch speziﬁschen Quali- tätsanforderungen gerecht werden müssen. Auch im zweiten Kapitel „Struktur. Vielfalt und Teamwork“ stehen die Menschen im Mittelpunkt. Radiologie bedeutet Teamwork in doppel- tem Sinne. Zum einen braucht Radiologie die Zusammenarbeit der drei Berufsgruppen der Fachärztinnen für Radiologie, der Medizinphysiker und der MTRA. Zum anderen arbeiten Radiologen in interdisziplinären Teams und Netzwerken. Wie das im stationären und ambulanten Bereich aussieht, welche Rolle die Teleradiologie spielt und wie die Radiologie ihre Dialoge gestaltet – das erläutert der Einführungstext. MTRA brau- chen für ihren Beruf Kopf, Hand und Herz – das macht Michael Wiertz in seinen Innenansichten aus der Radiologie deutlich. André Lachnitt zeigt anhand der Daten und ihrer Transfers, welche Stationen hinter den Ku- lissen der Radiologie bis zum Befund durchlaufen werden. Welche phy- sikalische Expertise steckt hinter der Radiologie und welche Menschen bringen sie ein? Diese Fragen beantwortet Horst Lenzen, indem er die vielen Arbeitsfelder von Medizinphysikern vorstellt. Teleradiologie hat die medizinische Versorgung ebenso verändert wie die Rolle des Radiologen. Christian Rosenberg zeigt das anhand des klinischen Alltags. Stationäre und ambulante Radiologie haben viel gemein, und doch gibt es markante Abweichungen. André Lachnitt liefert dazu Schlaglichter. Unterschiede in der Radiologie zeigen sich auch in einem Gender Gap. Elke R. Gizweski skizziert diesen ebenso wie Ansätze, ihn zu überwinden. Mit einem Blick in die kommentierte Graﬁk zu den parallelen Universen der Radiologie von Michael Wiertz wird deutlich: Hier laufen viele Prozesse gleichzeitig ab. Und dass Radiologie heute nicht nur Diagnostik, sondern auch Therapie meint, steht im Mittelpunkt des Beitrags von Vera Breier. Am Beispiel der Be- handlung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), eines Tumors und eines Schlaganfalls zeigt sie, was Interventionelle Radiologie in der Praxis bedeutet. Radiologen müssen Schritt halten mit dem Wandel. Thekla H. Oechtering erläutert, wie das durch eine permanente Fort- und Einleitung 026

Weiterbildung in der Breite und Tiefe des Fachs gewährleistet wird. Teil des Berufs ist es auch, Kindern und Angehörigen Diagnosen und Unter- suchungen zu erklären, Kolleginnen ins Bild zu setzen und internationales Fachwissen auszutauschen – Radiologinnen sprechen also viele Sprachen. Thekla von Kalle stellt sie vor. Im dritten Kapitel „Entwicklung. Perspektiven und Herausforderun- gen“ geht es um die Zukunft der Radiologie. Seit der Entdeckung der Rönt- genstrahlen war und ist die Radiologie einer der Motoren des technischen und medizinischen Wandels. Schlagworte wie Big Data, Künstliche Intelli- genz (KI) und personalisierte Medizin bzw. Präzisionsmedizin werden hier in Bezug auf die Radiologie erläutert. Auch die ökonomischen Veränderun- gen in einem globalisierten Gesundheitsmarkt sowie die Veränderungen in der Patientenversorgung durch Entwicklungen hin zu Medizinischen Versorgungszentren thematisiert der Einführungstext des Kapitels. Die Entwicklung hybrider Verfahren, also der Verbindung bestehender Ver- fahren zu neuen – diese Entwicklung diskutieren Lale Umutlu und Michael Bock in ihrem Gespräch zur Zukunft der Radiologie. Radiologie generiert und verdichtet Wissen. Thomas Hackländer stellt dar, in welchen Stufen aus rohen Daten radiologisches Wissen wird. Michael Wiertz hält in seiner anschließenden Kolumne ein Plädoyer für den Wert von sozialer Interak- tion. Die Veränderung medizinischer Versorgungsstrukturen verändert auch die Radiologie. Christian Rosenberg untersucht, was das für Radio- logen und ihre Patienten bedeutet. Radiologie generiert und verdichtet Wissen. Mit der Entwicklung der Radiologie sind die dabei erhobenen Datenmengen exponentiell gewachsen – und damit einhergehend auch die Verantwortung für den Datenschutz. Thomas Hackländer verbindet das mit handfesten Anforderungen. Die digitale Transformation bedeutet auch eine Transformation der Arbeitswelt von Radiologinnen. Dazu hat Angela Geissler Ansichten und Einsichten zusammengetragen. Patien- tenversorgung versus Proﬁt – Stefan Neumann plädiert für den Erhalt in- habergeführter Röntgenpraxen. Radiomics, KI & Co.: Zum Abschluss wirft Jörg Barkhausen einen Blick in die Zukunft maschinengestützter Radio- logie. Und nicht nur er kommt in diesem Buch zu dem Schluss: Auch mit Künstlicher Intelligenz wird Radiologie den Kontakt zwischen Radiologin und Patient brauchen. Im Mittelpunkt bleibt der Mensch. 027

In der medizinischen Radiologie werden elektromagnetische Strahlen und mechanische Wellen erforscht und zu diagnostischen und thera- peutischen Zwecken eingesetzt. Im Zentrum steht dabei der Einsatz von Strahlen und Wellen in bildgebenden Verfahren. Durch sie werden Einblicke in den Körper ohne Eingriﬀ von außen möglich. Die Grundprin- zipien dieser Verfahren gehen auf Wilhelm Conrad Röntgen zurück. Im November 1895 entdeckte er zufällig beim Experimentieren mit Elektrizi- tät unsichtbare Strahlen, die er in einer Elektronenröhre erzeugt hatte. Sie durchdrangen eine undurchsichtige Pappe und wurden von Kristallen auf einem Schirm absorbiert und damit sichtbar. Die Eigenschaft seiner neu entdeckten „X-Strahlen“, Objekte unterschiedlicher Dichte durchdringen zu können, nutzte Röntgen zur Herstellung der ersten Schattenbilder vom Innern des menschlichen Körpers. Dabei werden sie, je nach Gewebedichte, unterschiedlich abge- schwächt und erzeugen so auf dem dahinterliegenden Aufnahmesystem ein Schattenbild des Körperinneren. Harte Knochen, die kaum Strah- len durchlassen, zeigen sich auf dem Röntgenbild als helle Strukturen, weichere Muskeln dagegen in dunklerem Grau und die weitgehend luft- gefüllte Lunge in Schwarz. Seither nutzt die Radiologie mit heute sehr diﬀerenzierten Verfahren, bei denen neben der beschriebenen Rönt- genstrahlung beispielsweise auch Ultraschallwellen oder elektromag- netische Wellen und Impulse zum Einsatz kommen, unterschiedliche Gewebeeigenschaften des menschlichen Körpers, um für die Früherken- nung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten Bilder zu erzeugen. Die Radiologie ist eine medizinische Disziplin, die mit diesen Verfahren das Innere des ganzen menschlichen Körpers in den Blick nimmt. Ob Röntgen oder Ultraschall (US), Computertomograﬁe (CT) oder Magnetresonanztomograﬁe (MRT): Die technischen Möglichkeiten, Bilder vom Innern des Menschen zu erzeugen, haben sich seit Ende des 19. Jahrhunderts rasant weiterentwickelt. Neben den klassischen sta- tischen zweidimensionalen Röntgenbildern sind heute drei- und vier- dimensionale Darstellungen sowie die Beobachtung körperlicher und physiologischer Prozesse in Echtzeit möglich. Radiologische Verfahren der Bildgebung kommen meist vor und nach einer Behandlung zum Ein- satz. In der Interventionellen Radiologie wird auch während einer medizi- nischen Behandlung, beispielsweise von Gefäßverschlüssen, das Innere der relevanten Körperregion sichtbar gemacht und der Therapieerfolg somit unmittelbar kontrollier- und darstellbar. Das Bild vom Innern eines Menschen wurde durch die Möglichkeit seiner Archivierung vergleichbar mit den Bilddaten anderer Menschen. Seit Beginn der Disziplin erheben Radiologie erzeugt Bilder vom Menschen Der Mensch im Bild der Radiologie 037

Radiologie als Querschnittsdisziplin und spezialisierte Medizin Radiologinnen auf dieser Grundlage, nämlich dem Vergleich von Normal- befund und pathologischem Bild, Befunde wie zum Beispiel Knochen- brüche oder Fehlbildungen des Skeletts. Gefordert war und ist dabei neben einer breiten allgemeinmedizinischen Bildung die Bereitschaft, interdisziplinär zu arbeiten und sich das Wissen anderer Fachdisziplinen anzueignen, es zu nutzen und in die Bildbeurteilung unmittelbar einﬂie- ßen zu lassen. Mit der Spezialisierung der medizinischen Disziplinen ging somit auch eine Spezialisierung der Radiologie einher, die heute von der kardiovaskulären Radiologie bis zur Kinder- oder Notfallradiologie reicht. Durch das Fortschreiten der Präzisionsmedizin kommt die Radio- logie ihrem Ideal ein gutes Stück näher, auf der Grundlage des individu- ellen Bildes eines Menschen auch eine ihm angemessene Behandlung zu ﬁnden. Der Einsatz digitaler Analysen von Bilddaten im Forschungs- gebiet „Radiomics“ sowie die Verknüpfung dieser komplexen Bilddaten mit weiteren patientenbezogenen Metadaten bietet heute die Chance, Therapieentscheidungen zu optimieren und individualisierte Strategien zur Behandlung und Verlaufskontrolle bei Krebserkrankungen zu ent- wickeln. Dabei wird eine hohe Anzahl unterschiedlicher Bildmerkmale in Korrelation zu molekularbiologischen und klinischen Diﬀerenzierungs- merkmalen gesetzt. Die fortschreitende Digitalisierung und die dadurch möglich werdende Kombination vieler Patienten- und Bilddaten macht die Radiologie noch stärker zu einem zentralen interdisziplinären und integrativen Fach innerhalb der klinischen Medizin, das präzise Diag- nosen und Voraussagen ermöglicht, Therapien anbietet, Krankheits- verläufe beobachtet und damit eine solide Entscheidungsgrundlage für die konti nuierliche Begleitung von Patienten darstellt. In einem Bild, das oft aus mehr als 250 verschiedenen Grautönen besteht, identiﬁzieren Radiologen mit ihrem über Jahre geschulten Blick selbst kleinste Abweichungen, die ihnen anzeigen, ob es sich um krankhafte Veränderungen handelt oder nicht. Bei den moder- nen Schnittbildverfahren wie CT und MRT befunden sie nicht nur ein einzelnes Bild, sondern häuﬁg eine Folge von mehreren hundert Auf- nahmen einer Körperregion. Um ein Bild gesamthaft und im Detail interpretieren zu können, müssen Radiologinnen immer das gesamte medizinische Spektrum im Blick haben und sich zugleich in Spezialbe- reichen kontinuierlich fortbilden. Radiologie ist deshalb Querschnitts- disziplin und spezialisierte Medizin zugleich. Und da kein Gesund- heitszustand eines Menschen dem anderer völlig gleicht, entscheidet der Radiologe immer wieder aufs Neue, ob und mit welcher Methode oder Modalität er eine Auﬀälligkeit durch radiologische Verfahren Kapitel I – Funktion 038

Radiologische Forschung und die Arbeit an Leitlinien optimal diagnostizieren kann – und das bei gleichzeitig geringstmögli- cher Strahlendosis. In der Interventionellen Radiologie werden Radiolo- gen von Diagnostikern zu (minimal-invasiven) Therapeuten. Das bedeu- tet: Mit feinsten Instrumenten therapieren sie Erkrankungen der Lunge, der Leber, der Nieren, im Skelettsystem, in der Gebärmutter oder im Gefäßsystem des ganzen Körpers. Die Interventionelle Radiologie ist damit ein therapeutisches und multimodales Querschnittsfach inner- halb der Querschnittsdisziplin Radiologie. Technologischer Wandel und medizinischer Fortschritt prägen die Wissenschaft der Radiologie. Ob medizinische Studien zu neuen onko- logischen Therapieformen, molekularen Therapien und Immunthera- pien oder die Entwicklungen im Bereich Big Data und Deep Learning: Radiologie braucht kontinuierliche Forschung – interdisziplinär und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Dies schließt die Grundlagen- forschung ebenso ein wie eine patientenorientierte Forschung. Derzeit ist die radiologische Forschung Vorreiter, wenn es darum geht, über radiologische Daten hinaus Informationen nutzbar und vernetzbar zu machen, beispielsweise aus der Molekulargenetik, der Labormedizin oder der Pathologie. Die Megathemen liegen in der Digitalisierung, Stan- dardisierung und Vernetzung. Eng verbunden mit der Forschung ist die kontinuierliche Weiterent- wicklung von Leitlinien, die den gegenwärtigen Kenntnisstand wiederge- ben, um die Entscheidungsﬁndung von Ärztinnen und Patienten für eine angemessene Versorgung bei speziﬁschen Gesundheitsproblemen zu unterstützen. Hierzu werden meist indikationsbezogen Leitlinien-Teams aus Ärzten, Patientinnen sowie Vertretern von Fachgesellschaften und Patientenorganisationen zusammengestellt, die Normen, Standards und Empfehlungen zum Einsatz radiologischer Verfahren und deren tech- nischem Ablauf darstellen. Ein Beispiel hierfür ist die interdisziplinäre S 3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms für Fachärztinnen, andere Behandelnde, Patien- tinnen, deren Angehörige sowie die Fachöﬀentlichkeit. ↘ 039

Zwischen Mensch, Technik und Versorgung Röntgen – bewährt und unverzichtbar Schicht für Schicht – Computer tomograﬁe (CT) Heute sind Radiologinnen und Radiologen aus der medizinischen Ver- sorgung nicht mehr wegzudenken. Ihre Diagnose ist oftmals entschei- dend dafür, dass Krankheiten richtig erkannt und behandelt werden können. Die Kunst der Radiologie liegt darin, das richtige Verfahren, die richtige Technik und Methode zum richtigen Zeitpunkt und in einer dem Gesundheitszustand jedes einzelnen Menschen angemessenen Form einzusetzen. Manche bildgebenden Methoden helfen beispielsweise bei einer Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung, andere bei der Erkundung der Ursachen von Rückenschmerzen oder der Diagnose eines Schlag- anfalls. Wegen ihrer extrem kurzen Wellenlänge ist Röntgenstrahlung in der Lage, Materie zu durchdringen. Je nach Dichte des Stoﬀes gelingt ihr das unterschiedlich gut: Je dichter ein Stoﬀ, desto mehr schwächt er die Röntgenstrahlen ab. In der Medizin macht man sich diese Eigen- schaft zunutze, um Einblicke ins Körperinnere zu erhalten. Bis heute eig- net sich das Röntgen (Radiograﬁe) zur Darstellung vieler Erkrankungen und Verletzungen des Skelettsystems. Auch Übersichtsaufnahmen des Brustkorbs (Röntgen-Thorax) liefern wichtige Informationen über den Gesundheitszustand eines Menschen. Eine besonders wichtige Rolle spielt die Röntgenuntersuchung bei der weiblichen Brust (Mammograﬁe). Inzwischen hat sich die digitale Radiograﬁe zu einem Routineverfahren entwickelt. Hier wird anstelle eines Röntgenﬁlms eine Leuchtstoﬀ- oder Speicherfolie benutzt, von der das Signal direkt nach der Belichtung mittels Laserabtastung digi- talisiert wird. Durch den Einsatz der digitalen Flachdetektoren konnte bei gleicher Bildqualität die Strahlenexposition für die Patienten deutlich gesenkt werden. Das Röntgen ist jedoch, abgesehen von der weiblichen Brust, häuﬁg nur bedingt in der Lage, detaillierte Veränderungen der Weichteile und der meisten Körperorgane abzubilden. Konventionelle Röntgenaufnahmen bilden das Innere des Körpers zweidimensional ab. Es gibt kein „davor“ oder „dahinter“. Die Schicht- bildtechnik – auch Tomograﬁe genannt – bringt die dritte Dimension ins Spiel, die Bilder werden räumlich, also dreidimensional. Die CT röntgt den Patienten Schicht für Schicht. Ein Computertomograf ist – vereinfacht gesagt – ein rotierendes Röntgengerät mit angeschlos - sener Computerauswertung. Während der Untersuchung wird der Patient von der Röntgeneinheit und den zugehörigen Detektoren umkreist. Kapitel I – Funktion 040

Mit modernen Geräten lassen sich nicht nur Scheiben der untersuchten Region darstellen und wie in einem Kurzfilm nachein- ander betrachten, sondern auch 3-D-Rekonstruktionen vornehmen, da die Einzelschichten inzwischen in extrem dünnen Schichten von z. B. nur 1 mm Dicke aufgenommen werden können. Die errechneten 3-D-Darstellungen lassen sich dann in jeder Raumrichtung frei drehen, kippen, einfärben und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln betrach- ten. Dank der immer besseren Rechenleistung wird auch die Unter- suchungszeit mit der CT immer geringer. Darum ist diese Technik auch besonders wertvoll, wenn jede Sekunde zählt, etwa bei Kopf- verletzungen, Verdacht auf Schlaganfall oder bei schwer verletzten Unfallopfern. Binnen kürzester Zeit, zum Beispiel unmittelbar nach - dem der Kreislauf eines Notfallpatienten im Schockraum eines Krankenhauses stabilisiert wurde, liefert eine Ganzkörper-CT die ent- scheidenden Informationen, z. B. über Frakturen und Verletzungen innerer Organe. Magnetresonanztomograﬁe (MRT) – voll im Bilde Für ihre Funktionsweise greift die MRT auf eine wichtige Eigenschaft des menschlichen Körpers zurück – er besteht zu über 60 Prozent aus Wasser. Wasserstoff ist damit sein vorherrschendes Element. Die Kerne von Wasserstoffatomen bzw. die darin enthaltenen positiv geladenen Protonen haben einen Eigendrehimpuls, d. h. sie drehen sich ständig um ihre eigene Achse – wie ein Kreisel. Durch diese Drehung – den soge- nannten Kernspin – erzeugen sie ein eigenes schwaches Magnetfeld. Die MRT macht sich diesen Spin zu Nutze. In der Röhre des MRT-Ge- räts, das äußerlich einem Computertomografen gleicht, sorgt ein sehr starkes Magnetfeld dafür, dass sich alle Protonen in Reih und Glied ent- lang dieses Magnetfeldes ausrichten. Durch einen kurzen elektromag- netischen Impuls wird dann diese Ordnung gestört, die Proton-Kreisel kippen aus der Hauptachse des Magnetfeldes heraus. Sobald der Stör- impuls aufhört, ordnen sich die Protonen erneut wie Kompassnadeln zum Magnetfeld des Tomografen an. Je nach Art des Gewebes dauert diese Neuordnung – „Relaxation“ genannt – unterschiedlich lang. Dabei geben die Protonen etwas Energie ab. Aus dieser Energieabgabe errech- net der Computer präzise Bilder. Je nach Anteil der Wasserstoffatome und der Interaktion mit dem angrenzenden Gewebe erscheinen die Körpergewebe dann, abhängig von der MR-Aufnahmetechnik, eher hell oder dunkel. MRT-Bilder sind besonders für die Darstellung von Weichtei- len und des Gehirns geeignet, aber auch von Gelenken, etwa nach Sportverletzungen. Größe und Lage von Tumoren und Metastasen 041

lassen sich durch sie ebenfalls exzellent einschätzen. Das Verfahren kommt ohne die Belastung durch Röntgenstrahlung aus und ist bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen nach heutigem Wissensstand neben wirkungsfrei. Sonograﬁe – Bildgebung mit Ultraschall Bei der Sonograﬁe werden Ultraschallwellen in den Körper gesandt. Die Kör- pergewebe reﬂektieren den Schall unterschiedlich stark, und so entsteht durch die Schallreﬂektionen das Schallbild, die Sonograﬁe. Ultraschall ist die am häuﬁgsten angewandte Bildgebungsmethode. Die Untersuchungen sind schnell, schmerzlos und risikofrei, weil Ultraschall ohne ionisierende Strah- lung funktioniert. Deshalb wird er auch für die Schwangerschaftsvorsorge verwendet. Außerdem ist er mobil, das heißt, man kann mit Kleinstgeräten auch gleich am Unfallort Bilder von inneren Verletzungen erstellen. Die Sono- graﬁe wird auch mit anderen Verfahren wie der CT oder MRT kombiniert. Schwierig wird es jedoch, wenn Luft im Spiel ist, denn dann ist der Ultraschall ungenau, weil Luft Schallwellen besonders stark reﬂektiert und dahinte r- liegende Körperregionen schwer einsehbar werden. Das bedeutet, dass sich die Methode für die Darstellung der Lunge oder auch von Knochen nicht eig- net. Jedoch lassen sich andere Weichteile, aber auch Gelenke und Gefäße sehr gut darstellen. Eine normale Sonograﬁe ist zweidimensional. Es gibt aber auch 3-D- und 4-D-Ultraschall, die plastischere Einblicke gewähren. Mehrdimensional – hybride Verfahren Hybridgeräte kombinieren Verfahren der Nuklearmedizin mit denen der Radiologie. Sie reduzieren den Untersuchungsaufwand und liefern gleich- zeitig eine hohe Bildqualität. Zu den hybriden Verfahren zählen unter anderem die Verbindung von Positronen-Emissions-Tomograﬁe (PET) mit CT (PET-CT) und MRT (PET-MRT). Mit nuklearmedizinischen Verfahren sind verschiedene Stoﬀ- wechselvorgänge im Körper darstellbar. Dafür werden dem Patienten schwach radioaktiv markierte Substanzen wie z. B. Traubenzucker in die Blutbahn injiziert. Sie reichern sich je nach Gewebeart unterschiedlich stark in den Körperregionen an und werden durch vor Ort entstehende und emittierte Elementarteilchen mit besonderer Ladung (Positronen) visualisiert. Da Tumoren oft einen anderen Energie stoﬀwechsel als ge- sunde Gewebe haben, ist der Unterschied z. B. bei zuckermarkierten PET-Tracern gut sichtbar. Neben der detaillierten Diagnostik verschie- dener Tumor er krankungen kommen hybride Verfahren bei Herz- und Kreisl auf erkrankungen oder auch in der Hirnbildgebung und -forschung zum Einsatz. Kapitel I – Funktion 042

Strahlenschutz – verantwortungs- voller Umgang mit ionisierender Strahlung Radiologische Verfahren wie das Röntgen nutzen sogenannte ionisie- rende Strahlung, die so energiereich ist, dass sie Elektronen aus Atomen oder Molekülen herausstoßen kann. Was nach dem Verlust des negativ geladenen Elektrons zurückbleibt, ist ein positiv geladener „Atomrest“, ein Ion. Beim Durchdringen von Organismen gibt ionisierende Strahlung Energie ab, die in hoher Konzentration in der Lage ist, Zellen zu schädigen und somit Strahlenschäden hervorzurufen. Bei Röntgenuntersuchungen spielt der Strahlenschutz daher eine wichtige Rolle. Radiologinnen und Radiologen mit der entsprechenden Ausbildung – der sogenannten „Fachkunde“ – entscheiden in jedem Einzelfall, ob die Untersuchung überhaupt notwendig ist. Der zu erwartende Nutzen einer Untersuchung wird immer gegen das potentielle Risiko abgewogen. Man wählt dasjenige bildgebende Verfahren, bei dem die hinsichtlich der Fragestellung bestmögliche Diagnosequalität bei geringstmöglicher Strahlendo- sis erzielt werden kann. Einen wichtigen Beitrag zum Strahlenschutz bei der Bilderstellung leisten auch die Medizinisch-Technischen Radiologie-Assistentinnen und -Assistenten (MTRA). Sie lagern Pati- enten und stellen die Geräte so ein, dass ein möglichst genaues Bild entsteht, dabei aber nur die Körperteile der Strahlung ausgesetzt werden, die untersucht werden sollen. Körperteile, die nicht geröntgt werden, werden z. B. mit strahlungssicheren Bleischürzen geschützt. Auch das Personal selbst muss sich schützen: Es verlässt im Moment der Strahleneinwirkung in der Regel den Raum. Vorgeschriebene Grenz- werte der jährlichen Strahlenexposition dürfen für das medizinische Personal nicht überschritten werden. Die Kontrolle erfolgt über soge- nannte Dosimeter, d. h. Messgeräte, die das Personal bei der Arbeit immer am Körper trägt. Zum Schutz des Personals und der Patienten hat der Gesetzgeber ein Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) erlassen. Es enthält genaue Vorschriften zur Anwendung ionisierender Strahlung, zum Umgang mit radioaktiven Stoﬀen sowie zu Bauart und Betrieb der ent sprechenden Geräte. Der Einsatz von Kontrastmitteln Kontrastmittel helfen, bestimmte Organe, Gewebe oder Gefäße auf radiologischen Bildern hervorzuheben. Um sie besser diﬀerenzieren zu können, werden daher insbesondere bei Schnittbildverfahren wie CT oder MRT häuﬁg Kontrastmittel eingesetzt. Es gibt aber auch zuneh- mend Kontrastmittelanwendungen im Ultraschall. Die Zusammenset- zung der Kontrastmittel und die Mechanismen der Kontrastgebung durch Kontrastmittel unterscheiden sich dabei je nach der verwendeten Bild- gebungstechnik. ↘ 043

Bildgebende Verfahren bei der Früherkennung – Beispiel Mammo- graﬁe Krankhafte Strukturen wie zum Beispiel Krebsgewebe werden nach Kontrastmittelgabe sichtbar, da sich ihre Durchblutung von der Blutversorgung des gesunden Gewebes unterscheidet. Selten treten Kontrastmittel-Unverträglichkeiten und -Allergien auf. Schwere Nieren- oder Lebererkrankungen können eine Gegenanzeige für die Gabe von bestimmten Kontrastmitteln sein. Es gibt z. B. positive Röntgen- oder CT-Kontrastmittel, die die Dichte des darzustellenden Gewebes oder Gefäßes erhöhen und so für einen höheren Kontrast gegenüber dem umliegenden Gewebe sorgen. Sie enthalten meist Jod oder Barium. Demgegenüber gibt es auch negative Kontrastmittel, die aufgrund ihrer geringeren Dichte für Kontrast sorgen, z. B. Kohlendioxid. MRT-Kontrast- mittel enthalten meist Gadolinium, ein Element der Gruppe Metalle der Seltenen Erden. Aufgrund ihrer speziellen magnetischen Eigenschaften verstärken sie das Signal in den interessierenden Gewebestrukturen und führen zu einer helleren, signalreicheren Darstellung. Als Ultra- schall-Kontrastmittel kommen gasgefüllte Mikrobläschen zum Einsatz, die den Schall sehr gut reﬂektieren und damit die sogenannte Echoge- nität des jeweiligen Gewebes erhöhen. Bei der Mammograﬁe handelt es sich um eine spezielle Anwendung der Röntgenuntersuchung, nämlich um die Röntgenaufnahme der weibli- chen Brust, in seltenen Fällen auch der männlichen Brust. Sie ist bis- lang das einzige Röntgenverfahren, das aufgrund seiner vergleichsweise geringen Strahlenbelastung auch bei gesunden, symptomfreien Men- schen angewandt werden darf. Der diagnostische Nutzen wird dabei höher eingeschätzt als die möglichen Risiken. Mammograﬁe wird zur Erkennung krankhafter Veränderungen der Brust eingesetzt und dient vor allem der Früherkennung und Diagnostik von Brustkrebs, der häu- ﬁgsten Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Im Zuge des sogenannten Mammograﬁe-Screening-Programms werden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zu einer kos- tenlosen Vorsorgeuntersuchung eingeladen, um Gewebeveränderungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. In Deutschland gibt es seit 2008 ein ﬂächendeckendes Screening für die Brustkrebs früh- erkennung. Kapitel I – Funktion 044

Bildgebende nichtinvasive Diagnostik kann auch eine echte Alternative z. B. für invasive Eingriﬀe sein. Ein Beispiel ist hier das CT des Herzens und seiner Gefäße (Kardio-CT oder Koronar-CT). Um dem Verdacht einer koronaren Herzerkrankung nachzugehen, bzw. um eine solche Erkrankung auszuschließen, werden häuﬁg invasive Herzkatheterunter- suchungen durchgeführt. Herzkatheter haben den Vorteil, dass diagnos- tizierte Gefäßengstellen noch während der Untersuchung wieder geöﬀ- net werden können. Allerdings zeigt sich bei mehr als der Hälfte dieser minimal-invasiven Eingriﬀe, dass überhaupt keine weitere Behandlung notwendig ist. Die Patienten sind damit unnötig einem höheren Komplika- tionsrisiko aufgrund der Invasivität dieses Eingriﬀs ausgesetzt. Hier bie- tet sich die nichtin vasive Kardio-CT als alternative Untersuchungsme- thode an. Die CT wird ambulant unter Kontrastmittelgabe durchgeführt und dauert etwa eine Viertelstunde. Das Ergebnis sind hochaufgelöste Querschnittsbilder, aus denen eine dreidimensionale Abbildung des Her- zens und seiner Gefäße möglich wird. Atherosklerotische Ablagerungen und Verengungen in den Herzkranzgefäßen können so dargestellt wer- den, auch die mit dargestellten Anteile der Lunge sowie des Brustkorbs sind dabei gut beurteilbar. Mit keinem anderen Verfahren lassen sich Sehnen, Bänder, Muskeln, Menisken und sonstiges Weichteilgewebe so gut darstellen wie mit einer MRT. Daher spielt das Verfahren eine wichtige Rolle in der muskuloskelet- talen Diagnostik. Ein Beispiel ist hier die Frage nach einer degenerativen Gelenkerkrankung (Arthrose). Bei einer röntgenologisch nachgewiesenen Arthrose liefert die Bildgebung durch MRT zusätzliche Aufschlüsse, zum Beispiel über den Fortschritt des Gelenk- und Knorpel-Verschleißes, den Zustand von Knochen und Bändern oder das Verteilungsmuster der Dege- neration. Nach diesen Kriterien und dem Beschwerdebild entscheidet sich dann, welches Therapieverfahren im individuellen Fall zu empfehlen ist. Ein Beispiel für ein Einsatzgebiet der Interventionellen Radiologie ist die kathetergestützte Angioplastie, die als minimal-invasive Therapie häuﬁg bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ein- gesetzt wird. An pAVK leiden in Deutschland etwa 4,5 Millionen Men- schen. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit ist eine Durchblu- tungsstörung der Beine und in selteneren Fällen auch der Arme. Bei fortgeschrittenen Stadien muss die Durchblutung durch einen ärztli- chen Eingriﬀ wiederhergestellt werden. Ist eine pAVK sicher festgestellt und eine Behandlung erforderlich, kommen zu deren genauer Planung und Durchführung radiologische Verfahren wie MRT oder CT zur Dar- stellung der betroﬀenen Gefäße zum Einsatz (MR-/CT-Angiograﬁe). ↘ Bildgebende Verfahren bei der Diagnose – Beispiele Kardio-CT & mus- kuloskelettale MRT Bildgebende Verfahren in der Therapie – Beispiel Angioplastie bei pAVK 045

Angrenzende Disziplinen: Strahlen- therapie und Nuklearmedizin Für die Diagnostik wird meist ein Kontrastmittel in die Blutbahn der Patientin gespritzt, um Gefäßveränderungen und Verengungen bzw. Gefäßverschlüsse darstellen zu können. Bei der Angioplastie werden die Engstellen per Katheter mittels eines kleinen Ballons an seiner Spitze aufgedehnt. Manchmal ist es nötig, gleichzeitig eine kleine Gefäßstütze, einen Stent, zu setzen. So bleibt das Gefäß oﬀen. Die Angioplastie wird als minimal-invasive, bildgesteuerte Behandlung ohne Vollnarkose nur über einen kleinen Schnitt in der Leiste per Katheter durchgeführt. Wilhelm Conrad Röntgen legte mit seiner Entdeckung den Grundstein für die moderne Radiologie. Nur ein Jahr später entdeckte Henri Bec- querel die Radioaktivität und ermöglichte damit die Entwicklung eines wichtigen Teilbereichs der bildgebenden Diagnostik: die Nuklearme- dizin. Doch erst der Chemiker George de Hevesy fand in den 1920er Jahren Verfahren, mit denen radioaktive Substanzen durch bildgebende Verfahren nachverfolgt werden konnten. Die Nuklearmedizin ist heute eine eigenständige Disziplin, die sich beispielsweise bei der Diagnos- tik mit hybriden Verfahren wie der PET-CT und der PET-MRT auch mit der Radiologie überschneidet. Sie nutzt radioaktive Substanzen (Radiopharmaka), um Krankheiten sichtbar zu machen. In der Therapie werden radioaktive Substanzen auch gezielt dazu eingesetzt, Tumor- zellen zu vernichten oder deren Wachstum zu hemmen. Als Beispiel sei die Nutzung radioaktiver Jodmoleküle für die Therapie von Schild- drüsentumoren genannt. Für diagnostische Zwecke werden bevorzugt Substanzen verwendet, deren Strahlen das Körpergewebe weitgehend ungestört verlassen – ohne gravierende Schädigung desselben. Die häuﬁgsten nuklearmedizinischen Untersuchungsverfahren sind die Schilddrüsen-, Skelett-, Myokard-, Nierenfunktions- und Lungenszinti- graﬁe sowie die onkologische PET. Mithilfe der nuklearmedizinischen Bildgebung lassen sich zum einen Tumoren lokalisieren, zum anderen können Informationen über Organfunktionen, z. B. von Schilddrüse und Herz, gewonnen werden. In der Strahlentherapie bzw. Radio-Onkologie wird ionisierende Strahlung zur Bekämpfung von Tumoren eingesetzt. Zusammen mit Operation, minimal-invasiven Behandlungsstrategien (u. a. radiologisch geführt) und medikamentöser Tumortherapie ist sie eine der zentralen Säulen der Krebsbehandlung. Die Strahlen wirken auf den Tumor wie eine „Wachstumsbremse“: Sie verändern das Erbgut der Krebszellen, sodass diese sich nicht mehr teilen können und sterben. Dabei wird der Tumor ganz gezielt bestrahlt und das umliegende Gewebe weitgehend ge- schont. In vielen Fällen kann eine Strahlentherapie die Krebserkrankung Kapitel I – Funktion 046

nicht nur heilen, sondern auch das betroffene Organ und seine Funktion erhalten. Beispiel Kehlkopfkrebs: Durch die operative Entfernung des Kehlkopfes geht auch die Stimme verloren. Mit einer Strahlentherapie ist oft eine Heilung möglich, ohne dass die Stimme wesentlich beeinträchtigt wird. Die Strahlentherapie kommt zwar meistens bei Krebserkrankun- gen zum Einsatz, sie kann jedoch auch bei einigen gutartigen Erkrankun- gen helfen. Dies betrifft vor allem entzündliche Weichteil-, degenerative Gelenk- sowie Bindegewebserkrankungen. „Die Kunst der Radiologie liegt darin, das richtige Ver fahren, die richtige Technik und Methode zum richtigen Zeitpunkt und in einer dem Gesund heits - zustand jedes einzelnen Menschen angemessenen Form einzusetzen.“ 047

08:00 Uhr Frühbesprechung und Fortbildung In einer Klinik für Radiologie. Irgendwo in Deutschland. Los geht’s Punkt 8 Uhr mit der Frühbesprechung. Dort sind alle Ärzte der Abteilung versammelt, leitende MTRA und Mitarbeiterinnen der IT. Es wird aus dem Nachtdienst berichtet und relevante Dinge für den Tag werden geplant. Außerdem gibt es die Frühfortbil- dung, bei der ein spannender Fall mit Differenzial diagnosen vor- gestellt wird – dabei ist jeder mal dran. 08:20 Uhr Indikations- prüfung Jede Untersuchung mit ionisierenden Strahlen, also Röntgen- strahlen, muss von einer fachkundigen Ärztin indiziert werden. Dafür muss man Strahlenschutzkurse belegen und bereits viele Untersuchungen befundet haben. Die rechtfertigende Indikation erfüllen nur Untersuchungen, bei denen der Nutzen für die Patien- tin höher ist als das Risiko durch die Strahlenbelastung. Jedes Röntgenbild, jede Durchleuchtung, jede CT-Untersuchung und jede Angiografie muss „indiziert“ werden. Dabei legt die Radio- login fest, wie genau die Untersuchung ablaufen soll, z. B. mit oder ohne Kontrastmittel, und wenn ja, ob es in die Venen oder als Getränk verabreicht wird, und welche Einstellungen am Gerät vorgenommen werden sollen. 08:50 Uhr Aufklärung Vor jeder Untersuchung muss eine Ärztin eine Patientin über den Ablauf, den Nutzen und die individuellen Risiken aufklären. Dafür benötigt man von jedem Patienten die genaue Fragestellung der Untersuchung, die Krankengeschichte, Voruntersuchungen, Labor werte und Informationen zu möglichen Allergien. 09:00 Uhr Befundung Bei der Befundung der Untersuchungen ist es wichtig, den ganzen Patienten vor sich zu haben – die Radiologin muss die Kranken- geschichte kennen, das Alter des Patienten, Voruntersuchungen, Laborwerte und Therapien. Nur so kann sie die Bilder richtig interpretieren – denn oft kann man eine Entzündung von einem bösartigen Tumor nur unterscheiden, wenn man all diese Fak- toren berücksichtigt. ↘ 061 Ein Tag im Leben einer Radiologin

10:10 Uhr Schockraum In den Schockraum kommen schwerverletzte Patienten, die sehr schnell untersucht werden müssen. Anwesend ist neben den Unfall- und Bauchchirurginnen und Anästhesisten auch eine Radiologin. Ihre Aufgabe ist es hier, eine Ultraschallunter- suchung des Bauches und Herzens durchzuführen, um akut lebensbedrohliche Blutungen und Verletzungen auszuschließen. 10:20 Uhr Traumaspirale Nach der raschen körperlichen und sonograﬁschen Unter- suchung im Schockraum erhalten schwerverletzte Patienten eine CT-Untersuchung, die sogenannte „Traumaspirale“. Dabei werden je nach Unfallhergang Kopf, Wirbelsäule, Ober- und Unter körper untersucht. Wichtig ist eine schnelle, standardisier- te Untersuchung, um auf keinen Fall wertvolle Zeit zu verlieren. Dabei bekommen die Patienten auch Kontrastmittel gespritzt, um eventuelle Blutungen zu entdecken. 10:23 Uhr Besprechung der Traumaspirale Die Traumaspirale muss umgehend befundet werden, um lebens- bedrohliche Verletzungen schnell zu erkennen. Hier entscheiden wenige Minuten über die Zukunft des Patienten! Deshalb muss die Radiologin, auch wenn die Kollegen der anderen Disziplinen um sie herumstehen und Fragen stellen, einen kühlen Kopf be- wahren und strukturiert die Verletzungen erkennen, diese den Kollegen zeigen, beschreiben und interpretieren. Gemeinsam wird dann über das weitere Vorgehen entschieden. 12:45 Uhr MRT-Protokolle Die Protokolle und Untersuchungssequenzen am MRT müssen immer genau auf die Fragestellung bei einer Patientin angepasst werden. Deshalb muss die Radiologin immer vor Ort sein und mit den MTRA die richtige Untersuchung planen. Manchmal ändert sich das auch während der Untersuchung, wenn man einen Befund sieht, der noch genauer abgeklärt werden sollte. Kapitel I – Funktion 062

13:00 Uhr Mittagsdemo In der Mittagsbesprechung der Internisten präsentiert die Radio- login die aktuellen Fälle. Gemeinsam wird über mögliche weitere Diagnostik und die beste Therapie des Patienten diskutiert. Diese „Demos“, also die Demonstrationen der Bilder, gibt es auch mit anderen Fachdisziplinen. Im interdisziplinären Tumor- Board sitzen sogar Kolleginnen aus fast allen Fachrichtungen zusammen, um die beste Therapie von Krebserkrankungen für jeden Patienten individuell zu besprechen. 13:30 Uhr Kinderradiologie: Ultraschall Die Kinderradiologie ist ein besonderes Gebiet der Radiologie. Hier wird viel weniger mit Röntgenstrahlung, dafür viel mehr mit Ultraschall und MRT gearbeitet. Beim Ultraschall hat der Radio- loge direkten Kontakt zu Kind und Eltern. Hier wird gerade das Gehirn eines Neugeborenen untersucht, um Blutungen oder einen Hirnschaden auszuschließen. 14:00 Uhr Angiograﬁe In der Angiograﬁe wird die Radiologin von der Diagnostikerin zur Therapeutin. Minimal-invasiv geht sie mit Kathetern und Drähten durch die Gefäße des Patienten, um z. B. einen Gefäßverschluss in den Beinen zu beheben. Danach kann der Patient wieder lan- ge Strecken laufen. Oder die Radiologin implantiert eine Prothe- se in die Bauchaorta, um ein Aneurysma zu behandeln. Ein An- eurysma ist eine Erweiterung eines Gefäßes mit dem Risiko lebensgefährlicher Blutungen. Bis vor kurzem musste man die- se Patienten operieren und den ganzen Bauch aufschneiden. Heutzutage geht das mit einem kleinen Schnitt in der Leiste und einem minimal-invasiven Eingriﬀ über die Gefäße. 16:30 Uhr Forschungs- treﬀen Damit die Radiologie weiterhin spannend bleibt und sich weiter- entwickelt, wird geforscht. In Forschungsgruppen mit Natur- wissenschaftlerinnen, Ärzten und Doktorandinnen werden Methoden entwickelt, getestet und verbessert. Hier wird gerade ein Experiment vorbereitet, um künstliche Herzklappen im MRT unter möglichst realistischen Bedingungen in einem Modell zu untersuchen. Danach endet gegen 18.30 Uhr der Arbeitstag einer kli- nisch und wissenschaftlich tätigen Radiologin. 063 Ein Tag im Leben einer Radiologin

Vom „Knochenmann“ zur „Weichteilfrau“. Der Mensch im Bild der Radiologie Elke R. Gizewski Wenn Menschen an Röntgen denken, dann oft zuerst einmal an Wilhelm Conrad Röntgen und die ersten Auf- nahmen, die dieser präsentierte. Die berühmteste war eine Röntgenaufnahme der Hand seiner Frau mit Darstellung des Skelettes. Man sah also die Knochen einer Hand, ohne dass man sie auf- schnei den musste. Es ist eine wichtige zivilisatorische und wissenschaftliche Leistung, in den Menschen ohne „Schnitt“ und „Zerstörung“ hineinsehen zu können. Der Mensch bleibt intakt, aber wir sehen innere Organe und Strukturen. Diese Bilder sind Grundlage und Aus gangs- punkt für immer genauere Diagnosen – bis heute. Kapitel I – Funktion 064

Knochenmann Weichteilfrau Zunächst wurden durch die Technologie der Röntgenstrahlen hauptsächlich Knochen und Lunge sichtbar (Abb. 1). Das klas- sische Bild, das Menschen aus der Radiologie kennen, ist „der Knochenmann“ mit seiner Lunge. Es war eine Revolution, erst- malig die Veränderungen in der Lunge ansehen zu können, bevor ein Patient starb und obduziert wurde – zumal in einer Zeit, in der die Tuberkulose noch eine weit verbreitete und gefürchtete Erkrankung war. Schon damals kristallisierte sich eine der Haupt aufgaben der Radiologie heraus: die Verlaufsbeurteilung von Erkrankungen und der dadurch bedingten Veränderungen im Körper. Die Suche nach Tuberkulose-Herden bei Menschen, die nicht oﬀensichtlich erkrankt waren, aber möglicherweise bereits ein Träger der Erkrankung waren, ist eine der ersten ra- diologischen „Screenings“ (Röntgenreihenuntersuchungen). Auch dies ist bis heute, neben der klassischen Diagnostik im Krankheitsfall, ein wichtiges Aufgabengebiet der Radiologie, das sogar zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, seitdem es auch Methoden gibt, die keine Röntgenstrahlen mehr benötigen – wie zum Beispiel die Sonograﬁe oder die Magnetresonanz- tomograﬁe (MRT). Die nächste große Errungenschaft in der Radiologie war die Schnittbildtechnik, mit der nun auch alle weiteren Strukturen im Körper sichtbar wurden. Zunächst war es die Entwicklung der Schnittbildgebung mithilfe der Röntgenstrahlen: die Computer- tomograﬁe (CT). Obwohl weiterhin die Methode der Röntgen- strahlung genutzt wurde, ermöglichte nun moderne Mathematik und Computertechnologie, aus den am Detektor gemessenen Absorptionswerten zurückzurechnen auf die Absorptionswerte von verschiedenen Geweben im Inneren eines Körpers. Damit konnten zum ersten Mal unterschiedliche Gewebe des Körpers (auch des Weichteilanteils) angesehen werden, ohne schneiden zu müssen. Auch die Anteile, die hinter einem dichten Knochen versteckt sind, wie das Gehirn, wurden sichtbar und Erkrankun- gen konnten nun auch im Gehirn direkter erkannt werden. Aber hier blieb die Entwicklung nicht stehen: Neue Me- thoden wurden entwickelt, um in Gewebe einzudringen, ohne diese zu zerstören und auch ohne die (mit der Zeit als zum Teil risikobehaftet erkannten) Röntgenstrahlen zu verwenden. Ne- ben der auf Schallwellen basierenden Sonograﬁe meint dies insbesondere ein weiteres klassisches „Schnittbildverfahren“: die auf Magnetfeld und Radiowellen basierende MRT. Auch wenn die ersten Aufnahmen aussahen wie Kartoﬀeldruck und nicht wenige dieser Methode anfangs keine große Zukunft vor- aussagten, hat sie sich doch immens weiterentwickelt. Heute sind Aufnahmen des gesamten Menschen und aller seiner Ge- webe und Blutgefäße ohne Nebenwirkungen möglich. Zum Knochenmann ist sozusagen die Weichteilfrau (Abb. 2) getreten. Welche Bedeutung die Bilder, die die Radio- logie von den weichen Teilen des menschlichen Körpers macht, für die Gesundheit der Menschen haben können, sollen Bei- spiele aus dem klinischen Alltag der verschiedenen Fachrich- tungen zeigen. ↘ 065 Vom „Knochenmann“ zur „Weichteilfrau“

Von Kopf bis Fuß der Krankheit auf der Spur Gehirn Herz Kapitel I – Funktion Das Gehirn war schon zu Beginn der MRT eines der beliebtesten „Objekte“ für Messungen. Heute ist es so, dass nicht nur die Struktur des Gehirns mit seinen Faserbahnen und viele Erkran- kungen dargestellt werden können, sondern auch die Funktionen und metabolischen Veränderungen (Abb 3). Ein Beispiel: Frau M. bemerkte seit längerer Zeit eine Un- geschicklichkeit ihrer rechten Hand. Zunächst hatte sie es nicht so ernst genommen, aber dann wurde es immer deutlicher. Die Neurologin, bei der sie sich vorstellte, fand in ihrer Untersuchung auch Veränderungen der Armreﬂexe. Sie vermutete eine Ursa- che im Gehirn und überwies die Patientin daher in die Neuro- radiologie zu einem Schädel-MRT. Hier zeigte sich eine Raum- forderung, die schon durch die „multimodale Bildgebung“, also die Bildgebung mittels mehrerer radiologischer Geräte, recht sicher einem hirneigenen Tumor zugeordnet werden konnte. Die Befunde wurden daher im interdisziplinären Tumor-Board mit Neurochirurgen, Neurologinnen, Neuroradiologen und Nuklear- medizinerinnen sowie Strahlentherapeuten besprochen. Es wurde entschieden, den Tumor operativ zu entfernen. Durch die Darstellung der motorischen Areale und der Faserverbindungen im MRT konnten diese Daten zusätzlich in das OP-Mikroskop eingegeben werden und der Tumor so schonend von den Neu- rochirurginnen entfernt werden. Bewegen wir uns nun im Körper nach unten, rückt das Herz als ein zentrales Organ in den Fokus. Auch hier gibt es mittlerweile eine sehr breite Anwendung der MRT, insbesondere in der Ab- klärung von Erkrankungen der Herzgefäße, des Muskels und des umgebenden Herzbeutels. Ein Beispiel: Herr N. hatte in der letzten Woche eine Er- kältung und fühlte sich seitdem sehr schlapp. Am Morgen musste er aufgrund von Schneefall in der Nacht etwas Schnee vor dem Haus wegräumen und bemerkte dabei einen Druck auf der Brust und einen kalten Schweißausbruch. Er war nun doch beunruhigt und ging zu seinem Hausarzt. Dieser fand in EKG und Laborwerten Veränderungen, die er auf eine Erkrankung des Herzens zurück- führte. Einen akuten Infarkt konnte er ausschließen. Er überwies den Patienten an den Kardiologen, der über das Herzecho bereits weitere Befunde erheben konnte. Er sah keine Klappenprobleme und auch keinen Erguss im Herzbeutel, aber das Muskelgewebe war im Befund nicht eindeutig. Zur weiteren Diagnostik wurde nun noch ein Herz-MRT benötigt, um weitere Diﬀerentialdiagnosen möglich zu machen. Herr N. bekam daher einen Termin bei einer für die Herzbildgebung spezialisierten Radiologin. Diese fand in den MRT-Bildern Schwellungen im Herzmuskel und teilweise auch Kontrastmittel-Anreicherungen. Mit einer neueren Methode, die teilautomatisiert aus den MRT-Signalen sehr kleine Veränderun- gen aufdecken kann (T1-Mapping), konnte sie die Ausdehnung und damit den Schweregrad der nun klar diagnostizierten Herz- muskelentzündung feststellen (Abb. 4). ↘ 068

Abb. 3: Die MRT-Aufnahmen des Gehirns zeigen einen Tumor links in der Schläfen hirn- und vorderen Hirn region. Oben links die funktionelle Aufnahme mit Darstel- lung des Broca-Sprach- areals, daneben die Faserbahn- Verbindungen überlagert auf das Struktur- bild. In der unteren Reihen ist rechts eine Perfusion dargestellt, mit der Tumoren weiter diﬀerenziert werden können (in diesem Fall eine vermehrte Durchblutung einer Raumforderung in den linken Stammganglien). Dazu passt auch das Spektrogramm (links) mit einer bestimmten Konstellation der Meta- boliten, die auf einen höher gradigen hirn- eigenen Tumor hinweisen. Abb. 4: Schwellungen im Herz- muskel werden in der MRT-Aufnahme (links) sichtbar. Mithilfe des T1-Mapping (rechts) konnte das Ausmaß der diagnostizierten Herzmuskelentzündung festgestellt werden. 069 Vom „Knochenmann“ zur „Weichteilfrau“

Bauch Arm Bewegen wir uns nun weiter im Körper, kommen wir zum Bauch. Hier gibt es vielfältige Anwendungen der MRT, insbesondere in der Diﬀerentialdiagnose von Erkrankungen der Organe wie Le- ber und Nieren, aber auch bei allen Fragestellungen zu Tumor- erkrankungen. Wie in anderen Körperregionen auch ist hier die hohe Auﬂösung der Weichteilstrukturen und die Untersuchung ohne Nebenwirkungen ein wichtiger Vorteil der MRT, insbeson- dere bei vielen Verlaufsuntersuchungen. Ein Beispiel: Im letzten Jahr hatte Herr K. zunehmende Bauchschmerzen, die er lange Zeit auf das Essen oder anderes „Unwohlsein“ schob. Aber irgendwann entschloss er sich, die Ursache seiner Beschwerden medizinisch untersuchen zu las- sen. Dabei wurde ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse diag- nostiziert. Es folgten Operationen und eine Chemotherapie. Da allerdings schon früh auch Metastasen nachweisbar waren, wurden immer wieder auch Verlaufsuntersuchungen der Leber nötig. Hier wurden Metastasen eindeutig mit hohem Kontrast erkennbar und konnten (wie auch der Befund an der eigentli- chen Tumorregion) ohne belastende Untersuchung gut im Ver- lauf beurteilt und in der Folge behandelt werden (Abb 5). Da in der MRT keine ionisierenden Strahlen verwendet werden, ist gerade auch in der Kinderradiologie diese Methode (neben der Sonograﬁe) in Abgrenzung zu Röntgen und CT für die Dar- stellung der Gliedmaßen sehr wichtig. Ein Beispiel: Der kleine Julius fuhr sehr gerne mit dem Skatebord der größeren Schwester. Er konnte das eigentlich gut, aber dann stürzte er doch einmal und landete auf dem Ell- bogen. Natürlich wird hier auch bei einem Kind zunächst eine einfache Röntgenaufnahme gemacht, denn diese zeigt sehr gut Frakturen und Fehlstellungen, sodass im Bedarfsfall schnell operiert werden kann. Sobald aber im Verlauf unklare Verände- rungen auftreten, wird bei einem Kind, anders als bei Erwach- senen, eher eine ergänzende MRT statt eine CT durchgeführt. Da Julius leider neben der Fraktur in den nächsten Tagen auch noch eine zunehmende Schmerzentwicklung hatte, wurde bei ihm eine MRT durchgeführt, die sehr klar eine Schwellung in den Weichteilen und dem Knochen zeigte (Abb 6). Damit war, auch in der Zusammenschau mit den Laborwerten, die Diagnose ein- deutig: eine Entzündung des Knochens, die dann sofort behan- delt werden konnte. Kapitel I – Funktion 070

Erste Symptome Eine Krebserkrankung ist für alle Patienten und ihre Familien ein einschneidendes Ereignis. Nicht nur bei der Diagnosestellung, sondern auch im Verlauf der oft langwierigen Therapie geht der betroﬀene Patient immer wieder zum Radiologen, um sich unter- suchen zu lassen. Aber auch die an der Diagnostik und Behand- lung beteiligten Ärzte treﬀen sich regelmäßig zu Besprechungen in der Radiologie, um besonders wichtige Therapieentscheidun- gen gemeinsam zu fällen. Dabei berücksichtigen sie einerseits die Leitlinien nationaler und internationaler onkologischer The- rapiestudien, andererseits aber auch die individuelle Situation eines jeden Patienten. Die Radiologie nimmt also eine Art Schlüsselstellung ein in der Diagnostik und Therapieüberwa- chung der meisten Tumorerkrankungen. Am Beispiel eines erkrankten Kindes soll hier die beson- dere Bedeutung der Radiologie auf dem Weg der Behandlung und angestrebten Heilung einer bösartigen Erkrankung veran- schaulicht werden. Das Vorgehen bei Erwachsenen mit Tumor- erkrankungen ist sehr ähnlich. Der zweijährige Paul ist krank. Er hat starke Bauchschmerzen und mag nicht mehr essen. Sein Bauch ist in letzter Zeit sehr dick geworden. Sein Kinderarzt tastet auf der linken Seite eine harte Schwellung, die ihn an einen Tumor denken lässt. Deshalb hat er den Jungen in die Kinderklinik eingewiesen. Dort ange- kommen, wird Paul nach einer erneuten körperlichen Untersu- chung mit seinen Eltern zur Sonograﬁe in die Kinderradiologie geschickt. ↘ 073 Die Radiologie als Schnittstelle

Verdachtsdiagnose Sicherung der Diagnose Gewebeentnahme Histologie Kapitel I – Funktion Die Ultraschalluntersuchung des Bauches zeigt tatsächlich einen großen Tumor. Die erfahrene Kinderradiologin prüft wich- tige sonografische Unterscheidungskriterien und stellt die Verdachtsdiagnose eines Neuroblastoms. Das ist ein bösartiger Tumor, der von der Nebenniere bzw. sogenannten sympathi- schen Nervenzellen ausgeht und typischerweise bei Klein- kindern auftritt. Weitere Untersuchungen von Blut und Urin erhärten am nächsten Tag den Verdacht. Für die Wahl einer optimalen Therapie brauchen die Kinderon- kologen aber noch weitere Informationen über die genaue Art des Neuroblastoms. Auch müssen sie wissen, wie weit sich der Tumor in Pauls Körper ausgebreitet hat. Die Ärzte besprechen die Situation ausführlich mit den Eltern und planen für den fol- genden Tag eine Magnetresonanztomograﬁe (MRT) in Narkose, da Paul mit seinen zwei Jahren sonst nicht so lange still liegen könnte. Mittels MRT können die Radiologen sowohl den Tumor sehr genau dreidimensional abbilden und analysieren, als auch den ganzen Körper nach Tochtergeschwülsten (Metastasen) absuchen. In der gleichen Narkose werden weitere kleine Ein- griﬀe durchgeführt, sodass Paul unnötige Schmerzen und Ängs- te erspart bleiben. Zu diesen Eingriﬀen gehört auch die wichtige Entnahme von Tumorgewebe, die die Radiologin sonograﬁe-ge- steuert durchführt. Die Gewebeentnahme erfolgt über einen winzigen Hautschnitt mit einer speziellen Nadel, die hier zusammen mit anderem not- wendigen Material auf einem sterilen Tisch zu sehen ist. Wenn man die Nadel über den Hautschnitt in den Körper und in den Tumor einführt, kann man sie im Ultraschallbild gut als hellen Strich erkennen und damit ihre Richtung genau steuern. So wird die Verletzung wichtiger Organe, Nerven und Blutgefäße ver- mieden. Mehrere dieser kleinen rötlichen Gewebszylinder werden aus dem Tumor entnommen. Obwohl das Gewebe zur Histologie, also der Untersuchung von Gewebeproben, in verschiedene Speziallabors und pathologische Institute geschickt werden muss, reicht für die Spezialisten meist eine kleine Menge aus, um die Diagnose zu stellen und die genaue Art des Neuroblas- toms zu bestimmen. ↘ 074

Weitere Untersuchungen Tumor-Konferenz Chemotherapie Nachsorge Kapitel I – Funktion Paul muss noch weitere Untersuchungen über sich ergehen las- sen. Dazu gehört auch eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs, wie in der Abbildung zu sehen. Ganz besonders wichtig ist eine Untersuchung in der Nuklearmedizin in Form eines MIBG-Szin- tigramms. Mit dieser Untersuchung wird noch einmal Pauls gesamter Körper auf Metastasen untersucht. Untersuchungen mit ionisierender Strahlung sind also bei dieser Erkrankung sehr wichtig. Moderne Geräte helfen, die Strahlenbelastung mög- lichst gering zu halten. Eine Woche später treﬀen sich die Kinderradiologen, Kinder- onkologen, Pathologen und Nuklearmediziner in einer Tumor- Konferenz, um zum ersten Mal alle Ergebnisse zusammen- zutragen. Auch die Kinderchirurgen und Strahlentherapeuten, die später an Pauls Behandlung beteiligt sein werden, sind dabei. Parallel haben Ärzte der nationalen Therapieoptimierungs studie die Befunde ebenfalls beurteilt – auch die Ergebnisse dieser Referenzbegutachtung liegen bereits vor. Die Radiologin erklärt in der Konferenz allen die Bilder mit den wichtigsten Befunden. Mithilfe von Therapie-Leitlinien stufen die Kinderonkologen Pauls Erkrankung in die Hochrisikogruppe ein, d. h. die Familie muss mit einer Therapiedauer von mehr als einem Jahr rechnen. Nach einigen Wochen Chemotherapie stellen die Radiologen mittels MRT fest, dass der Tumor bereits sehr viel kleiner ge- worden ist. In der Tumor-Konferenz wird eine Fortsetzung der Therapie nach Plan beschlossen. Paul muss eine viele Monate dauernde Chemotherapie, eine große Operation, eine Bestrah- lung und auch eine Stammzelltransplantation über sich ergehen lassen. In genau festgelegten Abständen wird der Erfolg der Therapie immer wieder in der Kinderradiologie vor allem mittels Sonograﬁe und MRT überprüft. Untersuchungen bei den Kolle- gen der Nuklearmedizin gehören ab und zu auch dazu. Bei Kom- plikationen wie Lungen- oder Darmentzündungen, die während der Therapie auftreten können, sind die Kinderradiologen eben- falls gefragt. Die Ergebnisse stellt die Radiologin jeweils in den regelmäßig stattﬁndenden Tumor-Konferenz allen an der Be- handlung beteiligten Ärzten vor. Auch nach überstandener Therapie muss Paul sich über meh- rere Jahre in festgelegten Abständen in der Kinderradiologie untersuchen lassen, damit ein Wiederauftreten des Tumors oder Nebenwirkungen der Therapie frühzeitig erkannt werden können. 076

Vor Beginn der Prozesse innerhalb der Radiologie muss zunächst von den behandelnden Ärzten abgewogen werden, ob, und wenn ja, welche Verfahren der Radiologie zur Problemlösung überhaupt in Frage kommen. Dabei wird der Nutzen des Verfahrens gegen mögliche Risiken für den Patienten abgewogen. Orientierungs- hilfen wie beispielsweise die der Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit (BMU) helfen im Krankenhaus und im niedergelasse- nen Bereich, die für die jeweilige Fragestellung bestgeeigneten radiologischen und nuklearmedizinischen Untersuchungsver- fahren auszuwählen. Ziel ist dabei immer die Verbesserung der Patientinnenversorgung bei gleichzeitiger Verringerung der Strahlenexposition. (Abb. 1) Leitlinien sind systematisch entwickelte, rechtlich nicht binden- de Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren beruhen. Die hier zitierte Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) zeigt am Bei- spiel der Bildgebung bei kolorektalem Karzinom, wie das klingt. (Abb. 2) Richtlinien setzen Standards für die radiologische Praxis, um die Qualität ihrer Prozesse und Ergebnisse überprüfbar zu machen. Die Qualitätsbeurteilungs-Richtlinie Kernspintomografie/QBK- RL zeigt das prototypisch: „Diese Richtlinien dienen den Kassen- ärztlichen Vereinigungen als Grundlage, die Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten kernspintomografi- schen Leistungen einschließlich der Indikationsstellung durch Stichproben auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Die Stichprobenprüfung umfasst die Qualität der kernspintomografischen Untersuchung mit ihren diagnostischen Informationen sowie die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der medizinischen Fragestellung, Indikationsstellung und Be- fundung.“ (Abb. 3) Unter Arbeitsanweisungen (Standard Operating Procedure, SOP) versteht man Dokumente, die das Vorgehen innerhalb eines medizinischen/radiologischen Prozesses – z. B. einer Röntgenuntersuchung – bei häufig wiederkehrenden Arbeits- abläufen beschreiben. Sie werden den Ausführenden zur Er- klärung an die Hand gegeben. SOPs werden für die in einer Kli- nik, einer Abteilung oder einem Institut tätigen Personen zur jederzeitigen Einsicht bereitgehalten und auf Anforderung an die zuständigen Stellen übermittelt. Die „CT – Arbeitsanweisun- gen Polytrauma“ und die „SOP Angiographie viszerale Arterio- graphie-Intervention“ eines akademischen Lehrkrankenhauses zeigen das beispielhaft. (Abb. 4a und b) ↘ Beispiel 1: Orientierungshilfen Beispiel 2: Leitlinien Beispiel 3: Richtlinien Beispiel 4: Arbeitsanweisungen 079 Radiologie im O-Ton

Beispiel 5: Normen Beispiel 6: Befundberichte Beispiel 7: Wissenschaftliche Publikationen Normen unterstützen den Gesetzgeber bei der Umsetzung des Strahlenschutzgesetzes und deﬁnieren Standards für Qualitäts- sicherung, Dosimetrie und Gerätesicherheit. Ein Auszug aus der „DIN 6868-159. Sicherung der Bildqualität in röntgendiagnosti- schen Betrieben“ zeigt den formalisierten Ton der Normierung in der Radiologie bei der Durchführung eines Verfahrens. (Abb. 5) Der radiologische Befundbericht ist ein Kernelement radiologi- scher Tätigkeit. Lange Zeit waren Bilddokumente radiologischer Untersuchungen Unikate, die dem Leser eines Befundberichtes häuﬁg nicht vorlagen, sodass der Bericht eine möglichst an- schauliche Beschreibung der Pathologien enthalten musste. Durch die Digitalisierung der Radiologie und der Kommunika- tionskanäle ist das Bilddokument inzwischen jedoch jederzeit verfügbar. Befundberichte können sich deshalb auf die Bewer- tung der Pathologien fokussieren und die Beschreibung eher strukturiert und tabellenartig wiedergeben. Das zeigt das Bei- spiel eines Befundberichtes zu einem MRT der Leber aus einem Universitätsklinikum. (Abb. 6) Die Radiologie ist nicht nur klinisch, sondern auch wissenschaft- lich ein zentrales Fach. Prägend sind insbesondere technologi- scher Wandel und medizinischer Fortschritt. Radiologie braucht kontinuierliche Forschung – interdisziplinär und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Dies schließt die Grundlagenforschung ebenso ein wie eine patientenorientierte Forschung. Die wichtigs- te wissenschaftliche Fachpublikation der deutschsprachigen Radiologie ist die „RöFo – Fortschritte auf dem Gebiet der Rönt- genstrahlen und der bildgebenden Verfahren“, die bereits ein Jahr nach Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahr 1896 gegründet wurde. (Abb. 7) Kapitel I – Funktion 080

Einleitung F-MISO Studie in Freiburg 1 Evaluierung von 18F-MISO-PET detektierbaren Ver- änderungen in Ausbreitung und Verteilung hypoxischer Subvolumina in Hals-Kopf-Tumoren bei Patienten unter Radio(chemo)therapie/Evaluation of 18F-MISO-PET de- tectable changes in proliferation and dispersion of hypoxic subvolume in head and neck cancer in patients undergo- ing radio(chemo)therapy (Deutsches Register Klinischer Studien, Nummer DRKS00003830, EudraCT-Nummer 2010-022414-25), Principal Investigator: A.L. Grosu, Klinik für Strahlenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg. 089 Verzahnung der Radiologie Die Radiologie ist mit zwei anderen Disziplinen der klinischen Versorgung besonders eng verzahnt – der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie. Ähnlich wie die Radiologie erzeugt die Nuk learmedizin Bilder des menschlichen Körpers, allerdings verwendet sie hierzu radioaktive Substanzen (Tracer), die sie zum Teil auch selbst herstellt, während in der Radiologie nur nicht-strahlende Kontrastmittel eingesetzt werden. Die Strahlen- therapie andererseits ist stark von der Radiologie und der Nuk- learmedizin abhängig, weil die Behandlung in der Strahlenthe- rapie auf der Basis der radiologischen und nuklearmedizischen Bilder geplant wird – hierbei werden insbesondere die CT-Bild- daten zusätzlich auch noch dazu eingesetzt, die Verteilung der Strahlendosis im Gewebe zu berechnen. Behandelt man einen Patienten im Rahmen einer Strahlentherapie, so werden oft nu- klearmedizinische und radiologische Bilder nacheinander auf- genommen und so aufbereitet, dass die Strahlentherapeutin darin die Zielläsion (meist einen Tumor) einzeichnen kann, um dann die Strahlendosis und die Einstrahlrichtungen festzulegen. Diese diagnostisch-therapeutische Kette ist für viele Erkrankungen gut definiert, allerdings wurden mit der fortschrei- tenden Gerätetechnik auch neue Bestrahlungsmethoden mög- lich. So kann man heute beispielsweise bestimmte Teile eines Tumors mit höherer Dosis bestrahlen (boost), da bekannt ist, dass Tumore oft nicht gleichmäßig auf eine Bestrahlung reagie- ren (Tumorheterogenität). Man weiß, dass Areale eines Kopf- Hals-Tumors, die nicht gut mit Sauerstoff versorgt werden (Hyp- oxie), nach einer konventionellen Bestrahlung vermehrt zu einem Wiederauftreten des Tumors (Rezidiv) neigen. Ließen sich diese hypoxischen Areale mit Methoden der Radiologie oder der Nuklearmedizin darstellen, so könnte die Bestrahlung hier verstärkt werden, um auch in diesen Tumorgebieten ein Abster- ben der Tumorzellen zu erreichen. Für die Darstellung der Hypoxie verwendet man aktuell einen Tracer aus der Nuklearmedizin: das mit radioaktivem Fluor markierte Misonidazol (F-MISO). Mit Hilfe der Positronen- emissions tomografie (PET) werden Schnittbilder des Tumors angefertigt. Da man für die Planung der Bestrahlung auch immer radiologische MRT-Bilder akquiriert, wird aktuell im Rahmen meh- rerer Forschungsprojekte untersucht, ob vielleicht auch in diesen Bilddaten hypoxische Tumorareale sichtbar werden, um die Gesamtuntersuchung in Zukunft einfacher gestalten zu können, und um zusätzliche Informationen aus den Bildern zu extrahieren. Eines dieser Projekte läuft zurzeit am Universitätsklinikum Frei- burg: Dort wird eine prospektive monozentrische Studie zum Thema „Hypoxie für Strahlentherapie-Planung und Monitoring“ durchgeführt1. Ziel der Studie ist es zu untersuchen, ob die nuk- learmedizinische und radiologische Bildgebung diejenigen Anteile in Kopf-Hals-Tumoren (hypoxische Subareale) darstel- len kann, die bei konventioneller Bestrahlung wahrscheinlich ein Rezidiv ausbilden werden. Im Rahmen der Studie werden Patien- tinnen und Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren vor und während der mehrwöchigen Bestrahlung mehrfach untersucht. Vor Beginn der Strahlentherapie (Woche 0) werden sowohl F-MISO PET/CT, als auch MRT-Bilder der Tumorregion

Abb. 1: Überlagerung eines farb- kodierten F-MISO-PET- Datensatzes aus der Nuklearmedizin auf radiologische MRT-Bilder in Graustufen (links), zusammen mit einer kombinierten 3D-Ansicht (oben rechts) und einer Darstellung der Diﬀusion (in Fehlfarben) auf einem MRT (unten links). Die hypoxischen Areale des Tumors sind in den F-MISO-PET Bildern gut markiert, und korrelieren teilweise mit der Diﬀusions- messung im MRT. Abb. 2: F-MISO-PET (oben links) zeigt in dem Kopf-Hals-Tu- mor eine kleines hypoxisches Areal, das während der Bestrahlungs- planung in das CT (oben rechts), in das T2-gewich- tete MRT (unten links) und das kontrastmittelverstärk- te T1-gewichtete MRT (unten rechts) übertragen wird. Man erkennt, dass dieses Areal (grün umrandet) nur einen kleinen Teil des gesamten Tumors ausmacht. 090 Kapitel I – Funktion

angefertigt, um die Bestrahlung zu planen und um die hypoxi- schen Subareale im Tumor zu definieren. Da nicht alle Bilddaten in einer Untersuchung aufgenommen werden, müssen die PET/ CT- und MRT-Bilder vor der Planung der Bestrahlung aufein- ander abgebildet werden (Koregistrierung). Hierzu werden für jeden Patienten individuell Masken angefertigt, sodass er immer gleich zu den bildgebenden Tomografen ausgerichtet ist. Dies vereinfacht später die Koregistrierung und ermöglicht es, während der Bestrahlung am Linearbeschleuniger die Strah- lendosis zielgenau zu applizieren. Diese Fixierung während der Aufnahme der Planungsbilder unterscheidet eine Untersu- chung zur Bestrahlungsplanung von einer klassischen, rein diagnostischen Aufnahme, bei der der Patient nahezu ohne Fixierung untersucht wird. „In MRT-basierten Diffusionsmessungen wird die Beweglichkeit der Wassermoleküle quantifiziert, die ein indirekter Nachweis für die zelluläre Struktur des Tumors ist.“ Auf der Basis der koregistrierten Bilder fertigt die Strahlenthe- rapeutin dann zusammen mit einem Medizinphysiker einen Be- strahlungsplan an. Hierzu definiert sie am Computer die Grenzen des Tumors (engl. Gross Tumor Volume, GTV), die angrenzen- den Lymphknoten und gegebenenfalls auch Gewebe, die bei der Bestrahlung geschont werden müssen. Diese Arbeit wird oft in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Radiologie und der Nuklearmedizin durchgeführt, da die Interpretation der einzel- nen Bildinformationen das Fachwissen aller Disziplinen erfor- dert. Im Rahmen der F-MISO Studie werden für die Abgrenzung des Tumors viele unterschiedliche radiologische Bilddaten he- rangezogen: So stehen neben den anatomischen CT- und MRT-Bildern auch funktionelle MRT-Aufnahmen zur Verfügung. Die Durchblutung des Tumors wird mit Perfusionsmessungen quantifiziert, bei denen die dynamische Signal änderung nach Gabe eines Kontrastmittels modelliert wird. In MRT-basierten Diffusionsmessungen wird die Beweglichkeit der Wassermole- küle quantifiziert, die ein indirekter Nachweis für die zelluläre Struktur des Tumors ist. Weil diese Zielvolumendefinition sehr langwierig ist und sehr viel Erfahrung benötigt, wird in der F-MISO Studie auch untersucht, ob durch den Einsatz von Computerverfahren eine automatische Segmentation erzielt werden kann. Hierzu wird ein sogenanntes neuronales Netz (engl. Convolutional Neural Network, CNN) erstellt, das man dann mit den aufgenommenen Bilddaten und den Zielvolumina trainiert. Nach Abschluss die- ses Trainings sollte das CNN in der Lage sein, in gleich gearte- ten Bilddaten Kopf-Hals-Tumoren automatisch zu erkennen und zu segmentieren. Auf der Basis des Bestrahlungsplans wird der Patient dann über mehrere Wochen bestrahlt. In der F-MISO Studie wird das Ansprechen hypoxischer Areale auf die Bestrahlung 091 Verzahnung der Radiologie

schon während der Therapie untersucht; dazu werden in Woche 2 und Woche 5 der Bestrahlung erneut Bilder des Tumors aufgenommen. Durch den Vergleich mit den Bildern vor der Bestrahlung ergibt sich dann ein differenziertes Gesamtbild des Tumors – so erkennt man, wie die Tumormasse unter der Bestrahlung abnimmt, und an welchen Stellen des Tumors eher mit einem Rezidiv zu rechnen ist. Neben einer Verbesserung der Bestrahlungsplanung soll der Vergleich der verschiedenen Modalitäten im Rahmen der F-MISO Studie auch Auskunft darüber geben, welche bildge- benden Verfahren für die Strahlentherapie und für die Prognose eines Rezidivs sinnvoll eingesetzt werden können, und welche Bilder man erst gar nicht aufnehmen muss. Diese Fokussierung auf die wesentlichen Bildinformationen soll helfen, zeitliche Ver- zögerungen in der Therapieplanung zu minimieren und den Patienten weniger zu belasten, da die Untersuchung in der Fixa- tionsmaske oft als unangenehm empfunden wird. Kapitel I – Funktion 092

Prof. Dr. Dr. Philipp T. Meyer Ärztlicher Direktor der Klinik für Nuklearmedizin „Die F-MISO-Studie ist eine schönes Beispiel, wie die Nuklear- medizin mit Verfahren der molekularen Bildgebung wie der PET/ CT einzigartige Informationen über die Tumorbiologie liefert. Diese sind sehr hilfreich, die Bestrahlung optimal zu planen und ggf. auch alternative Verfahren zu validieren.“ Prof. Dr. Michael Mix Leitender Medizinphysiker der Klinik für Nuklearmedizin „Wir erkennen die hypoxischen Subareale in den Tumoren an den erhöhten F-MISO-Signalen in den PET-Bildern – diese Information muss dann auf die CT- und der MRT-Bilder über- tragen werden.“ Prof. Dr. Fabian Bamberg Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie „Die Strahlentherapie ist für uns ein zentraler Partner, da eine hochqualitative Bildgebung zunehmend in der Strahlentherapie benötigt und eingesetzt wird. Eine hohe örtliche und zeitliche Auf- lösung sind entsprechend Voraussetzung. Die Studie ist ein sehr gutes Beispiel für die Notwendigkeit, den Nutzen unserer kosten- intensiven, hochauﬂösenden bildgebenden Verfahren im inter- disziplinären Team wissenschaftlich zu evaluieren.“ 093 093 Verzahnung der Radiologie

Prof. Dr. Michael Bock Professor für Experimentelle Radiologie „Die F-MISO Studie ist ein schönes Beispiel, wie die Forschung sowohl die Radiologie, als auch die angrenzenden Disziplinen voran bringt: Die Kombination der verschiedenen Bildinformatio- nen mit einer automatisierten Nachverarbeitung konnten wir nur realisieren, weil alle Disziplinen in einem engen Austausch mit- einander gestanden haben.“ Lars Bielak Physikdoktorand „Der Einsatz von neuronalen Netzen in der Radiologie und der Strahlentherapie kann die Arbeit des Klinikers sehr erleich- tern – allerdings werden hierfür qualitativ hochwertige Bilddaten benötigt.“ Prof. Dr. Anca-Ligia Grosu Ärztliche Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde, Principal Investigator der F-MISO-Studie „Die Strahlentherapie kann heute viele Patienten mit Kopf- Hals-Tumoren heilen – allerdings bilden sich immer wieder Rezidive, von denen wir wissen, dass sie mit den hypoxischen Subarealen verbunden sind. Andererseits gibt es Tumoren, die hohe Strahlendosen gar nicht brauchen – sie sprechen auch bei niedrigen Dosen gut an. Diese Patienten zu diﬀerenzieren und individuell zu behandeln ist eine große, wichtige Herausfor- derung für die Zukunft. Die F-MISO-Studie zeigt, wie wichtig die Bildgebung in der Radioonkologie ist. Diese Studie ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer personalisierten, indivi- dualisierten Strahlentherapie nach biologischer multimodaler Bildgebung.“ Kapitel I – Funktion 094

Kopf MRT und CT des Gehirns Angiograﬁe der Hirngefäße Sonograﬁe des Schädels 097 Von Kopf bis Fuß Magnetresonanztomograﬁe (MRT) zur Beurteilung des Gehirns Die MRT ist das präziseste Verfahren zur Untersuchung von Erkrankungen des Gehirns und stellt den diagnostischen Goldstan- dard dar. Computertomograﬁe (CT) zur Beurteilung von Gehirn und Schädelkalotte, z. B. bei Fraktur Die CT kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Patient schnell untersucht werden muss, wie z. B. bei einem Trauma oder einem akuten Schlaganfall. Digitale Subtraktionsangiograﬁe (DSA) bei Hirnaneurysma Zwar lassen sich viele Pathologien der Hirngefäße auch mittels CT- und MRT-Angiograﬁe erkennen, die höchste Auﬂösung liefert aber die Katheterangiograﬁe der Hirnarterien. Sonograﬁe des Schädels bei Neugeborenen Bei Säuglingen lässt sich aufgrund der noch oﬀenen Fontanellen und Schädelnähte das Gehirn auch mittels Ultraschall unter suchen, wobei aufgrund der hohen Ortsauﬂösung die Hirn windungen in der Nähe der Fontanelle besonders gut erkennbar sind. Links: Magnetresonanz- tomograﬁe (MRT) zur Beurteilung des Gehirns Rechts: Computertomo- graﬁe (CT) zur Beurteilung des Gehirns Angiograﬁsche Dar stellung der Hirngefäße über die rechte A. carotis Interna mit Nachweis eines Aneurysmas der Arteria communicans anterior Sonograﬁe des Schädels bei Neugeborenen

Hals/Hals wirbel säule MRT zur Beurteilung der Weichteile Die MRT ermöglicht eine dezidierte Beurteilung der Halsweich- teile. Dabei kann sie zur Charakterisierung und Detektion von Raumforderungen dienen. Auch das Ausmaß von Infektionen oder angeborenen Fehlbildungen kann so bestimmt werden. MRT der Halswirbelsäule Mittels MRT können die Halswirbelkörper, Zwischenwirbelgelen- ke und Bandscheiben sowie das Rückenmark dargestellt werden. Daher wird die MRT häuﬁg zur Abklärung von Nackenschmerzen und Armschmerzen eingesetzt. MRT Hals MRT Halswirbelsäule Kapitel I – Funktion Transversale T2-Wichtung zur Darstellung der Hals- weichteile. Dabei lassen sich unter anderen die Mundbodenmuskulatur, der Hypopharynx, die Hals gefäße, die Hals- muskulatur, das Rücken- mark sowie die Speichel- drüsen erkennen Unauﬀällige Darstellung des Rückenmarks in der sagittalen T2-Wichtung. Es zeigt sich keine relevante Bandscheibenverlagerung 098

Thorax Röntgen-Thorax und CT MRT Herz und CT Herz 099 Von Kopf bis Fuß Röntgen-Thorax Die Röntgen-Untersuchung des Thorax liefert Informationen über die Belüftung der Lunge, die Größe des Herzens und des Thoraxskeletts. CT der Lunge Die CT ist die beste Modalität zur Beurteilung des Lungengewebes. Hierbei können auch kleinste Lungenrundherde detektiert und struk- turelle Veränderungen des Lungengewebes dargestellt werden. MRT des Herzens Anhand von MRT-Untersuchungen können strukturelle Ver änderungen des Herzmuskels sowie der Herzklappen dargestellt werden. CT des Herzens Mit modernen Computertomografen kann eine exzellente, nicht-in- vasive Darstellung der Herzkranzgefäße (koronare CT-Angiograﬁe) erfolgen. Die koronare CT-Angiograﬁe hat dabei einen sehr hohen negativen prädiktiven Wert für das Vorliegen einer koronaren Herz- krankheit. Röntgenuntersuchung des Thorax mit freier Belüftung beider Lungenﬂügel Darstellung des Lungen- gewebes mittels CT Links: Darstellung des rechten und linken Vorhofs und Ventrikels (4-Kammer- blick) mittels bSSFP- Sequenz Rechts: Mulitplanare Rekonstruktion einer koronaren CT-Angiograﬁe mit Darstellung des Ramus interventricularis anterior (RIVA) mit einzelnen kleineren arterioskleroti- schen Plaques

Weibliche Brust Mammograﬁe MRT der Mamma Sonograﬁe der Mamma Kapitel I – Funktion Mammograﬁe Bei der konventionellen Mammograﬁe erfolgt eine Röntgen- Untersuchung der Brust in zwei unterschiedlichen Projektionen. Ein wesentlicher Vorteil der Mammograﬁe ist die exzellente Vi- sualisierung von Mikrokalk, der hinweisend auf das Vorliegen von Karzinomen sein kann. MRT der Mamma Die MRT der Brust ist sehr sensitiv für die Detektion von Karzi- nomen, kommt in der Diagnostik aufgrund des größeren Auf- wands nur bei bestimmten Fragestellungen zum Einsatz. Sonograﬁe der Mamma Auch die Sonograﬁe hat einen hohen Stellenwert bei der Diag- nostik von Pathologien der Brust. Herdbefunde können dabei sonograﬁsch gesteuert einfach biopsiert werden. Mammograﬁe der rechten Brust in CC- und MLO- Projektion mit Darstellung eines Mamma karzinoms oben aussen In der kontrastmittel- gestützten MRT-Unter- suchung zeigt sich ein Karzinom in der rechten Brust. Sonograﬁsche Darstellung eines Mammakarzinoms 100

Abdomen CT-Angiograﬁe Aorta MRCP MRT Prostata 101 Von Kopf bis Fuß CT-Angiograﬁe des Abdomens Die CT-Angiograﬁe ermöglicht die Detektion von abdominellen Gefäßpathologien wie Stenosen, Gefäßverschlüssen oder Aneurysmen. Insbesondere bei Notfällen wird die CT-Angio graﬁe als Methode der Wahl für die abdominelle Gefäßdiagnostik an- gesehen. MRT der Gallenwege Mittels MRT kann eine selektive Darstellung der Gallenwege und des Pankreasgangs erfolgen. Hierdurch lassen sich verschiede- ne Pathologien schonend erkennen und im Verlauf kontrollieren. MRT der Prostata Die multiparametrische MRT der Prostata ermöglicht eine Visu- alisierung von Prostata-Karzinomen. Hierdurch werden gezielte Biopsien (z. B. mittels MRT-Ultraschall-Bildfusion) ermöglicht, wodurch die Detektionsrate signiﬁkant erhöht werden kann. MIP-Rekonstruktion einer CT-Angiograﬁe der abdominellen Aorta mit Darstellung beider Nierenarterien Unauﬀällige Darstellung der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreasgang mittels MRCP (Magnetresonanz Cholangiopankreatiko- graﬁe) Hochaufgelöste MRT-Untersuchung der Prostata mit Nachweis eines Karzinoms in der T2-Sequenz

Arm PD-Sequenz rechtes Schultergelenk CT- und MR-Arthrograﬁe der Hand Röntgen Hand Kapitel I – Funktion MRT der Schulter Mittels MRT können verschiedene Pathologien des Schulter- gelenks sowie der angrenzenden Sehnen und Schleimbeutel visualisiert werden. CT und MR-Arthrograﬁe der Hand Mittels Injektion von Kontrastmittel in den Gelenkspalt können subtile Verletzungen des Bandapparats oder von Knorpelstruk- turen besser sichtbar gemacht werden. Röntgen der Hand zur Bestimmung des Skelettalters Das Auftreten von Verknöcherunen (Ossifikationszentren) des Handskeletts sowie der Verschluss der Wachtumsfugen (Epiphysenfugen) ermöglichen Rückschlüsse auf das chrono- logische Alter eines Kindes. Coronare Darstellung des rechten Schultergelenks mittels fettgesättigter PD-Sequenz CT-Arthrograﬁe MR-Arthrograﬁe Röntgenuntersuchung der linken Hand eines fünf Jahre alten Mädchens mit altersentsprechender Darstellung der Wachs- tums fugen und Ossiﬁkation der Handwurzelknochen 102

Bein MR Angiograﬁe der Becken- und Bein-Arterien Hüftsonograﬁe MRT Hüfte Röntgen Sprunggelenk 103 Von Kopf bis Fuß Becken-Bein-MR-Angiograﬁe Mittels MR-Angiograﬁe können die Becken- und Beinarterien mit oder ohne Kontrastmittel über den gesamten Verlauf dargestellt werden. Sonograﬁe der Hüfte beim Säugling Die Sonograﬁe der Säuglingshüfte ist Bestandteil der U3-Untersu- chung und sollte in diesem Rahmen bei jedem Kind durchgeführt werden, um Hüftdysplasien früh zu erkennen und zu behandeln. MRT von Knie/Hüfte/Sprunggelenk MRT-Untersuchungen der Gelenke der unteren Extremitäten werden durchgeführt, um z. B. die Bandstrukturen, die Gelenkkapseln, den Knor- pel, den Meniskus oder das Ausmaß von Gelenkergüssen zu beurteilen. Röntgen von Knie/Hüfte/Sprunggelenk Mittels Röntgenuntersuchung lassen sich Veränderungen des Kno- chens wie z. B. Arthrosen, Frakturen oder auch Tumoren beurteilen. Darstellung der Becken- und Bein-Arterien mittels kontrastmittelgestützter und kontrastmittelfreier MR Angiograﬁe. Links: kontrastmittelfreie MR Angiograﬁe (QISS MRA) Rechts: kontrastmittelge- stützte MR Angiograﬁe Sonograﬁsche Darstellung des rechten Hüftgelenks eines Säuglings mit regel- rechter Stellung des Hüftkopfs in der alters- entsprechend entwickelten Gelenkpfanne Coronare T1-Sequenz mit unauﬀälliger Darstellung der rechten Hüfte und Nachweis einer Hüftkopfnekrose links Unauﬀällige Röntgen- untersuchung des Sprung- gelenks

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Verfahren der Radiologie. Ein Überblick aus der Perspektive der Medizinphysik Michael Bock Wenn man einen Patienten mit einer Über weisung in die Radiologie fragt, welche Untersuchung denn nun eigent- lich bei ihm durchgeführt werden soll, so hört man oft: „Ich muss in die Röhre!“ Dass es davon einige unter- schiedliche gibt und dass dahinter sehr verschiedene Messprinzipien stehen, ist nicht allen Patienten bewusst. Im Folgenden sollen daher einige der grundlegenden Messmethoden der Radio logie vorgestellt werden. Die Methoden werden dabei nach ihren physikalischen Eigenschaften unter- schieden, um basierend darauf die verschiedenen klinischen Anwendung- sgebiete zu erläutern. Kapitel I – Funktion 104

Der Klassiker: Röntgen 105 Verfahren der Radiologie Am 8. November 1895 entdeckte der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen, dass er mit einer Kathodenstrahlröhre eine Strahlung erzeugen konnte, die mühelos Karton und weiches menschliches Gewebe durchdringt, und die hauptsächlich von den knöchernen Strukturen im Körper absorbiert wird. Er nann- te die Strahlen „X-Strahlen“ – sie sind uns heute im deutsch- sprachigen Raum als Röntgenstrahlen bekannt. Für diese Ent- deckung erhielt er im Jahre 1901 den ersten Nobelpreis für Physik. Wenige Monate nach ihrer Entdeckung wurde die Strah- lung auch in einem klinischen Umfeld eingesetzt, und schon bald war die Röntgendurchleuchtung ein beliebtes Hilfsmittel in der Diagnostik. Hierbei stellte oder setzte man den Patienten vor eine Röntgenröhre und besah sich dann das Schattenbild der Röntgenstrahlung auf der anderen Seite mit Hilfe eines Fluores- zenzschirms. Schon bald wurde statt eines Schirms Filmmate- rial zur Fixierung und Dokumentation der Bilder verwendet. Dass hierbei oft hohe Strahlendosen appliziert wurden, lag so- wohl an den Unzulänglichkeiten der Technik, als auch am feh- lenden Wissen über die Strahlenwirkung. Auch heute noch verwendet man im klassischen Röntgen die gleiche Anordnung einer Röntgenröhre auf der einen Seite und eines Detektors auf der anderen. Allerdings wurden die Komponenten deutlich weiterentwickelt: Röntgenröhren sind heute so gebaut, dass sie die Strahlung nur sehr gezielt in die Richtung der Patientin abgeben, und die Dauer der Strahlung wird auf Bruchteile einer Sekunde pro Bild reduziert. Als De- tektor werden weiterhin Filme verwendet, aber die Empﬁndlich- keit und die Auﬂösung konnten um Größenordnungen gesteigert werden, sodass mittlerweile kleinste Verkalkungen, beispiels- weise in der weiblichen Brust, dargestellt werden können (Mam- mograﬁe). Alternativen zum Film sind Speicherfolien, die mit einem Laser ausgelesen werden, oder Flächendetektoren, bei denen man das Röntgenbild direkt digital auslesen kann. Die Röntgendurchleuchtung spielt in der Medizin immer noch eine wichtige Rolle. Röntgenbilder sind einfach anzuferti- gen, die Aufnahme geht schnell und der Patient muss nicht un- bedingt ansprechbar sein – daher wird sie insbesondere in der Notfalldiagnostik gerne als Bildgebung in der Erstversorgung eingesetzt, um beispielsweise Knochenbrüche ausschließen zu können. Für Reihenuntersuchungen der Lunge zur Früherken- nung der Tuberkulose war das Röntgen bis Mitte der 1980er Jahre verpﬂichtend, und auch heute ist die Röntgenmammo- graﬁe der weiblichen Brust ein probates Mittel, um über die Dar- stellung von Verkalkungen tumorverdächtige Bereiche in der Brust zu lokalisieren. Darüber hinaus gibt es auch spezialisierte Röntgenapparate, die nur bestimmte Bereiche wie die Zähne selektiv abbilden. Neben einzelnen Röntgenbildern lassen sich auch dyna- mische Bildserien aufnehmen – hierbei werden vorzugsweise digitale Detektoren eingesetzt. Diese Röntgen-Fluoroskopie wird bei minimal-invasiven Eingriﬀen, beispielsweise zur Dar- stellung der Blutgefäße, verwendet, indem man durch einen Katheter ein Kontrastmittel injiziert, das die Röntgenstrahlung absorbiert und so die Blutgefäße und den Blutﬂuss indirekt sichtbar macht. ↘

Der moderne Klassiker: Computertomograﬁe (CT) Der Vielseitige: Ultraschall (US) Kapitel I – Funktion Ein Nachteil der klassischen Röntgenbildgebung ist die Projek- tionsdarstellung: Durch die feste Anordnung von Röntgenröhre und Detektor bilden sich Organe, die entlang der Richtung der Strahlung hintereinander liegen, im Röntgenbild übereinander projiziert ab und können räumlich nicht eindeutig zugeordnet werden. Um dieses Projektionsproblem zu lösen, kam der eng- lische Elektroingenieur Godfrey Hounsﬁeld im Jahre 1967 auf die Idee, Projektionen aus vielen unterschiedlichen Richtungen aufzunehmen, und dann mithilfe eines Rechenalgorithmus ein vollständiges Schnittbild zu rekonstruieren – die Computer- tomograﬁe (CT) war geboren. Für diese Entwicklungen erhielt er 1979 zusammen mit Allan M. Cormack den Nobelpreis. In einem modernen CT-Gerät rotieren die Röntgenröhre und der Detektor um die ruhende Patientin. Die CT hat seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren er- hebliche technische Fortschritte gemacht. Neue Röntgenröhren mit verbesserter Kühlung erlauben es, über längere Zeit Daten aufzunehmen, sodass man kaum noch Pausen einlegen muss, damit die Röhre sich abkühlen kann. Detektoren mit einer immer weiter zunehmenden Anzahl von Zeilen gestatten es, ausge- dehnte Organe wie die Leber in wenigen Sekunden darzustellen, sodass insbesondere die abdominelle Bildgebung routinemäßig in einer einzelnen Atemanhalte ohne Bewegungsunschärfen durch führbar ist. Die Entwicklung der Spiral-CT durch Willi Kalender Ende der 1980er Jahre, bei der die Daten während einer kontinuierlichen Bewegung des Patiententisches aufge- nommen werden, ermöglicht es schließlich, den gesamten Pa- tienten in wenigen Sekunden von Kopf bis Fuß zu untersuchen. Heute wird die CT in der Darstellung des Abdomens, der Lunge und des Herzens eingesetzt. Auch wenn der Kontrast zwischen den einzelnen weichen Geweben oft nicht groß ist, so können die Organe in den CT-Bildern gut voneinander diﬀeren- ziert werden. Das Hauptanwendungsgebiet der CT ist aber wei- terhin die Untersuchung von Knochenverletzungen – so lassen sich nach einem Unfall in einem dreidimensionalen CT-Daten- satz des Kopfes sehr schnell Brüche des Schädelknochens diagnostizieren. Nach Kontrastmittelgabe können auch die Blut- gefäße selektiv abgebildet werden, um beispielsweise Veren- gungen (Stenosen) in den Herzkranzgefäßen (Koronarien) dar- zustellen. Dem französischen Physiker Paul Langevin gelang es 1916 erstmals, durch Anlegen einer Wechselspannung an ein Kristall eine Druckwelle zu erzeugen, mit der er unter Wasser ein ent- ferntes Objekt lokalisieren konnte. Dieses Sonar-Verfahren ent- wickelte er für die Marine weiter zur Ortung von U-Booten, aber erst 1942 gelang es dem Neurologen Karl Dussik mit einer ähnlichen Methode, die Ventrikel im Gehirn zu untersuchen. Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung, die eine elektromagnetische Welle wie das Licht ist, verwendet man hier mechanische Druck- wellen, die an den Gewebegrenzen reflektiert werden. Die Frequenz dieser sogenannten Ultraschallwellen beträgt meist mehrere Megahertz. Das gemessene US-Signal ist das Echo eines Schallpulses, das je nach Distanz zum Schallgeber unter- schiedlich lange bis zum Empfänger benötigt und so über die 106

Die Komplizierte: Magnetresonanztomograﬁe (MRT) 107 Verfahren der Radiologie Laufzeit eine Tiefeninformation enthält, die als Bild dargestellt werden kann. War es anfänglich nur möglich, einfache Schnittbilder mit US zu generieren, so können heute mit speziellen Schallköpfen dreidimensionale Aufnahmen in sehr kurzer Zeit aufgenommen werden. US-Geräte können so kompakt gebaut werden, dass die Schallköpfe nicht größer als ein Stift sind, der dann über ein Smartphone ausgelesen wird. Oder man integriert die US-Sen- soren in die Spitze eines Katheters, um krankhafte Veränderun- gen der Blutgefäße direkt abzubilden. Aufgrund der kompakten Bauweise werden US-Systeme vielfach auch ambulant einge- setzt – das bekannteste Beispiel ist hierbei die Schwanger- schaftsvorsorge in gynäkologischen Praxen. Neben der Abbildung der Organe lässt sich beim Ultra- schall auch ausnutzen, dass die Schallreﬂektion an bewegten Strukturen eine charakteristische Frequenzverschiebung ver- ursacht (Doppler-Eﬀekt) . Richtet man den Ultraschall auf die Blutgefäße, so reflektieren die fließenden Blutkörperchen Schallwellen mit einer leicht verschobenen Frequenz – aus die- ser Dopplerverschiebung lässt sich die Geschwindigkeit und die Richtung des Blutﬂusses bestimmen. In der klinischen An- wendung werden mit dem Doppler-US beispielsweise die Strö- mungsverhältnisse in den Halsarterien bestimmt, um Aussagen über ein mögliches Schlaganfallrisiko treﬀen zu können. Die US-Bildgebung ist prinzipiell limitiert durch Knochen und durch Lufteinschlüsse (z. B. die Lungenbläschen): An beiden Strukturen wird der Schall nahezu vollständig reﬂektiert, sodass es nicht möglich ist, dahinterliegende Organe abzubilden. Auch erfordert die Handhabung des Ultraschalls sehr viel Erfahrung, da die US-Bilder im Gegensatz zu den CT-Bildern frei Hand aufgenommen werden, was die anatomische Orien- tierung erschwert. Die Magnetresonanztomograﬁe (MRT) ist die physikalisch kom- plexeste Bildgebungsmethode in der Radiologie. Die MRT (frü- her auch als Kernspintomograﬁe bezeichnet) nutzt aus, dass bestimmte Atomkerne einen sogenannten Kernspin besitzen, der sich in einem äußeren Magnetfeld ausrichtet (ähnlich wie eine Kompassnadel im Erdmagnetfeld). In der klinischen MRT verwendet man hier fast ausschließlich die Kernspins des Was- serstoﬀs (1H), da Wasserstoﬀ im menschlichen Körper in den Wassermolekülen in hoher Konzentration vorhanden ist. Die Kernspins der Wassermoleküle addieren sich zu einer Magne- tisierung, die aber erst dann messbar wird, wenn man elektro- magnetische Hochfrequenzfelder so in den Körper hineinsen- det, dass die Magnetisierung aus ihrer Ruhelage parallel zum Magnetfeld herausgedreht wird. Nach dieser Hochfrequenz- anregung kreiselt die Magnetisierung um die Achse des Magnet- feldes, was in einer benachbarten Spule zu einem Spannungs- signal führen kann. Da die magnetischen Eigenschaften der Gewebe leicht unterschiedlich sind, benötigt die Magnetisierung unterschiedlich lange, um wieder ihren Gleichgewichtszustand parallel zum äußeren Magnetfeld zu erreichen. Diese Unter- schiede in den sogenannten Relaxationszeiten führen dazu, dass verschiedene weiche Gewebe mit unterschiedlichen

Helligkeiten im MRT-Bild abgebildet werden – die MRT ist daher bekannt für ihren exzellenten Weichteilkontrast. Da die gemessenen MRT-Signale sehr schwach sind, setzt man verschiedene technische Verfahren ein, um das Sig- nal zu optimieren: Die MR-Tomografen werden in abgeschirmten Kabinen (Faraday’scher Käﬁg) installiert, um externe Störsigna- le zu minimieren, es werden möglichst starke Magnetfelder ver- wendet, um eine hohe Magnetisierung im Körper zu erzeugen, und man platziert empﬁndliche Aufnahmespulen auf dem Pa- tienten, sodass ein hohes Signal aufgenommen wird. All diese Maßnahmen erfordern einen hohen technischen Aufwand, sodass die MRT lange Zeit als besonders kostenintensiv galt. Um aus den Signalen ein Schnittbild zu erzeugen, werden dem gleichmäßigen Grundmagnetfeld kurzzeitig sogenannte Gradientenfelder überlagert, die dazu führen, dass die Kreisel- bewegung der Magnetisierung (und damit die Frequenz des empfangenen Signals) vom Ort abhängig wird. Die Rekonstruk- tion eines MRT-Bildes lässt sich so auf eine Analyse der vor- handenen Frequenzen zurückführen. Das Ein- und Ausschalten der Gradientenfelder erzeugt mechanische Schwingungen im MR-Tomografen, die der Patient oft als unangenehmes lautes Rattern wahrnimmt. Mit der MRT lassen sich Schnittbilder in beliebigen Orien- tierungen aufnehmen, da die Geometrie der Schichtebenen allein durch die Gradientenfelder bestimmt wird. Die Bilder zeichnen sich durch einen sehr hohen Kontrast zwischen den weichen Geweben aus, was die MRT für viele klinische Anwen- dungsgebiete zur idealen Bildgebungsmethode macht. So las- sen sich in MRT-Bildern beispielsweise Tumoren oder Verlet- zungen des Bewegungsapparates sehr präzise darstellen. Auch in der MRT werden Kontrastmittel verwendet, um beispielswei- se die verminderte Hirndurchblutung nach einem Schlaganfall abzubilden. „Die verschiedenen Bildgebungsverfahren beruhen zum Teil auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipien, sodass auch die Informationen, die man mit ihnen erhalten kann, unterschiedliche Aspekte einer Erkrankung abdecken. Die Auswahl des richtigen Bildgebungsverfahrens erfordert ein hohes Maß an Erfahrung – die eine „Röhre“, mit der alles untersucht werden könnte, gibt es leider noch nicht.“ Kapitel I – Funktion 108

Das Beste aus mehreren Welten: Hybridtomografen Neben diesen anatomischen Bildern des Patienten kann man mit der MRT auch eine Vielzahl von funktionellen Untersu- chungen durchführen: Mit der MR-Flussmessung lässt sich der Blutﬂuss in den Gefäßen messen, die MR-Perfusionsmessung quantiﬁziert die Durchblutung von Gewebe, MR-Diﬀusionsmes- sungen liefern indirekt Informationen über die Veränderungen von Zellen in Tumoren, und die neuro-funktionelle MRT kann Hirnareale darstellen, die bei Denkprozessen aktiv sind. In einer klinischen MRT-Untersuchung werden diese funktionellen Tech- niken zusammen mit den anatomischen MRT-Bildern aufgenom- men, um ein möglichst vollständiges Bild der jeweiligen Erkran- kung zu erhalten. Die hier vorgestellten radiologischen Verfahren bilden noch nicht den gesamten Kanon der verfügbaren klinischen Bildgebungs- verfahren. Für Untersuchungen des Stoﬀwechsels setzt man in der Nuklearmedizin radioaktiv markierte Biomoleküle wie Glu- kose ein, deren Verteilung im Körper dann über die ausgesen- deten Strahlen abgebildet wird. Ein Problem dieser nuklearme- dizinischen Bildgebung ist das nahezu vollständige Fehlen von anatomischer Information – außer der Stoﬀwechselaktivität ist in den Bildern kaum erkennbar, an welcher Position in einem Organ die Aktivität stattgefunden hat. Aus diesem Grunde kom- biniert man nuklearmedizinische Tomografen wie den Positro- nenemissionstomografen (PET) immer mit einem Computer- tomografen, sodass in einer Untersuchung sowohl der Stoﬀwechsel, als auch Anatomie abgebildet werden können. Hybridgeräte wie PET/CT sind heute Standard, aber auch die technisch aufwändigere Kombination aus PET und MRT ist schon kommerziell verfügbar. Hybridtomografen ermöglichen es, in einer einzigen Untersuchung mehrere Informationen gleichzeitig zu erhalten – so kann beispielsweise mit einer kombinierten PET/MRT so- wohl die Lage und Anzahl von Metastasen, als auch deren Stoﬀ- wechselaktivität bestimmt werden. Die gleichzeitige Untersu- chung bietet nicht nur dem Patienten einen Vorteil, weil nur ein Untersuchungstermin wahrgenommen werden muss, sondern sie ist auch gut für die Interpretation der Bilder, da man die Bild- daten der einzelnen Tomografen ohne räumliche Korrekturen direkt überlagern kann. 109 Verfahren der Radiologie

Norm DIN 25300 Der Prozess der Anwendung eines radiologischen Verfahrens beinhaltet die Identiﬁkation des medizinischen Problems, den Zugriﬀ auf klinische Informationen und Vorgeschichte, die Indi- kationsstellung, vorbereitende Maßnahmen, die Festlegung eines angemessenen Untersuchungsprotokolls, die Durchführung, die Befundung, die Dokumentation, die Kommunikation und die Archivierung. Neben der Erhebung der Untersuchungsergebnisse steht dabei insbesondere die Befundung der Ergebnisse im Mittelpunkt. Unter Befundung wird dabei ein Teilprozess verstanden, in dessen Verlauf die Untersuchungsergebnisse interpretiert werden und mindestens ein Befundbericht verfasst werden muss. Ferner ist auch die Kommunikation der Befundberichte Bestandteil des Befundungsprozesses. Die spezifischen Anforderungen für die Prozesse der Anwendung eines bildgebenden und bildgestützten Verfahrens sind in der Norm DIN 25300 festgehalten. 111 Prozesse in der Radiologie

Multidisziplinäre Teams Radiologinnen und Radiologen: Überblick und Spezialisierung 117 Als Fachärzte sind Radiologinnen und Radiologen in der medizinischen Versorgung unverzichtbar, denn ihre Diagnose entscheidet meist darü- ber, ob eine Krankheit richtig erkannt wird und optimal behandelt werden kann. Radiologie ist damit von Anfang an ein interdisziplinär verankertes Fach der Medizin gewesen. Die radiologische Arbeitspraxis wiederum ist sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Behandlung nur multidiszipli- när möglich. Radiologie bedeutet immer die Teamarbeit dreier Berufs- gruppen, die eigenverantwortlich Teilbereiche radiologischer Diagnostik und Therapie übernehmen. So spielen Medizinisch-Technische Radio- logie-Assistentinnen und -Assistenten (MTRA) eine wichtige Rolle. Sie stehen im engen Kontakt mit den Patientinnen und Patienten und fertigen beispielsweise Röntgen-Aufnahmen an und assistieren bei therapeuti- schen Eingriﬀen. Beteiligt sind außerdem auch Medizinphysikerinnen und -physiker, die sich unter anderem um einen sicheren Betrieb ver- schiedenster Bildgebungsmodalitäten oder um Strahlenschutz aspekte für Patienten und Personal kümmern. Ein zentraler Bestandteil der Arbeit von Radiologen ist das Erstellen von Befunden. Das bedeutet, dass sie das radiologische Bildmaterial auf Auf- fälligkeiten untersuchen, die oft nur als kleinste Abweichungen vom Nor- malbefund sichtbar sind. Sie erkennen also, ob es sich um krankhafte Ver- änderungen handelt oder nicht. Bei den modernen Schnittbildverfahren wie Computertomograﬁe (CT) und Magnetresonanztomograﬁe (MRT) befundet die Radiologin nicht nur ein einzelnes Bild, sondern eine Folge von oft mehreren hundert Aufnahmen einer Körperregion. In einer fünf- jährigen Weiterbildung zum Facharzt lernen Radiologen auch, wie sie die Bilder vom Inneren des Körpers erstellen. Denn ob konventionelles Rönt- gen oder CT, ob Ultraschall oder MRT – die Werkzeuge der Radiologie sind hochkomplexe technische Geräte. Und da kein Fall dem anderen gleicht, muss die Radiologin immer wieder aufs Neue entscheiden, mit welcher Methode sie eine Auﬀälligkeit optimal diagnostizieren kann – und das bei gleichzeitig geringstmöglicher Strahlendosis. Das macht Radiologen und ihre Teammitglieder auch zu Experten für den Strahlenschutz bei radio- logischen Untersuchungen mit ionisierender Strahlung. Radiologinnnen müssen stets den Überblick über ein sehr breites medizinisches Spek- trum behalten und medizinisch fachübergreifend ausgebildet sein, sich gleichzeitig aber auch in bestimmten ausgewählten Fachbereichen zur Spezialistin entwickeln. Ein Beispiel sind die Neuroradiologen: Sie arbeiten an der Schnittstelle Neurochirurgie, Neurologie und Psychiatrie und sind unverzichtbarer Bestandteil der Versorgungskette. In der Interventionel- len Radiologie decken Radiologinnen Diagnostik und (minimal-invasive) Therapie gleichermaßen ab. ↘

Medizinphysik-Expertinnen und -Experten (MPE): angewandte Wissenschaft an der Schnittstelle Medizinisch-Technische Radiolo- gie-Assistentinnen und -Assistenten (MTRA): hohe fachliche und soziale Kompetenz Medizinphysikerinnen und -physiker arbeiten vor allem in der Strahlen- therapie, Nuklearmedizin oder in der Radiologie. Sie prüfen beispiels- weise Röntgen-, CT- oder PET-Geräte, ob sie einwandfrei funktionieren und stellen den Strahlenschutz sicher. Zu den weiteren Tätigkeiten zählen die Überwachung des Qualitäts- und Risikomanagements. Darunter fallen Strahlenschutzunterweisungen für das Personal, die Qualitätskontrolle bei angewandten Techniken und diagnostischen wie therapeutischen Anlagen sowie weitere Aufgaben im physikalisch-technischen Bereich. Zudem kümmern sie sich um die Pﬂege des EDV-Bereichs in der Radio- logie. Gemeinsam mit Radiologinnen entwickeln sie neue Verfahren, um Diagnosen und Therapien noch weiter zu verbessern und eine optimale Behandlung von Patienten sicherzustellen. Neben der Tätigkeit in Kliniken und Praxen sind Medizinphysikerinnen und –physiker auch in der Industrie und Forschung tätig, um neue Techniken und Geräte zu entwickeln. Bei kleineren Einrichtungen radiologischer Versorgung sind sie konsiliarisch tätig. Medizinphysik ist ein Berufs- und Forschungsfeld der angewandten Physik. Die Weiterbildung zum Medizinphysik-Experten (MPE) dauert in Deutschland zwei Jahre, in denen ein Physiker unter Anleitung eines fach- kundigen MPE tätig sein muss. Während Radiologinnen und Radiologen planen und entscheiden, mit welcher Methode und welchem genauen Untersuchungsprotokoll in Bezug auf die ausgewählte Modalität eine Patientin untersucht werden soll, sind MTRA diejenigen, welche die Aufnahme tatsächlich erstellen. Sie leiten also die radiologische Untersuchung. Damit ist die eingebürgerte Bezeichnung „Assistent“ inhaltlich überholt. MTRA erklären Patienten die Untersuchungsmethode und deren Ablauf, stellen den Strahlenschutz der nicht untersuchten Körperregionen, der Mitarbeiter und eventueller Begleitpersonen sicher und bringen die Patienten in die richtige Posi- tion. Da für viele Patienten radiologische Untersuchungen ungewohnt und beängstigend sind, gehört auch die einfühlsame Gesprächsführung zu den notwendigen Kompetenzen. MTRA arbeiten mit Hightech-Geräten und nah an den Patientinnen. Sie sind daher ebenso unverzichtbar für die medizinische Versorgung wie Ärztinnen und Krankenpﬂeger. Der enge Kontakt zu Menschen macht den Beruf abwechslungsreich, schließlich ist jeder Patient, jede Erkrankung anders und braucht eine individuelle Behandlung. Wichtig für die medizinische Bildgebung und die Therapie durch Interventionelle Radiologie ist auch eine hohe technische und medizinische Expertise. Die dreijährige Ausbildung ﬁndet an speziellen Berufsfachschulen statt. Da zu ihr auch viele Praktika gehören, hat die Ausbildung einen dualen und sehr praxisnahen Charakter. Kapitel II – Struktur 118

Radiologie in der stationären Versorgung Radiologie in der ambulanten Versorgung Die Radiologie ist integraler Bestandteil der stationären medizinischen Versorgung – vom Kreiskrankenhaus mit regionalem Versorgungsauftrag bis zum Universitätsklinikum mit Forschungsabteilungen und Lehrbetrieb. Die radiologische Versorgung wird je nach Haus unterschiedlich organisiert. Dabei hat die zunehmende Interdisziplinarität in der Patientenversorgung in den letzten Jahren insbesondere in der onkologischen Bildgebung, der Notfallmedizin bzw. Notfallradiologie und der Gefäßmedizin zur Organi- sation interdisziplinärer Prozesse bis hin zu festen Netzwerken geführt, in denen zum Teil auch andere Kliniken und niedergelassene Radiologen mitarbeiten. Beispiele hierfür sind Gefäßzentren, Tumor-Boards und die Organisationsformen der Teleradiologie. Das Spektrum der Organisationsformen ambulanter radiologischer Pra- xen reicht von der Einzelpraxis über Gemeinschaftspraxen bis zur ambu- lanten radiologischen Versorgung in medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Zudem gibt es radiologische Praxen, die ein Krankenhaus oder mehrere versorgen. Für niedergelassene Radiologinnen ist es häuﬁg wich- tig, mit Partnern zu arbeiten, um das gesamte Spektrum der Bildgebung abzudecken und um das persönliche Ausfallrisiko begrenzen zu können. Viele radiologische Praxen sind rein diagnostisch tätig, andere machen in begrenztem Umfang z. B. CT-gesteuerte Schmerztherapien oder bieten andere minimal-invasive und interventionelle radiologische Therapien an. Arbeiten in interdisziplinären Teams und Netzwerken Interdisziplinäre und auch intersektorale Strukturen und Behandlungs- ansätze haben in der Vergangenheit – begünstigt durch die immer weiter voranschreitende Digitalisierung – zunehmend an Bedeutung gewon- nen. Die Behandlungsabläufe werden auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten ausgerichtet und die hierfür notwendigen Kompetenzen ver- netzt und gebündelt. Die Radiologie hat in diesen Strukturen oftmals eine Schlüsselrolle inne – als initiierende, koordinierende und vermittelnde Instanz. ↘ 119

Telekonsile (Teleradiologie) Tumor-Boards (Onkologische Bildgebung und Intervention) Teleradiologie im engeren Sinne meint die Durchführung einer Unter- suchung ohne körperliche Anwesenheit eines fachkundigen Radiologen, der in Echtzeit und durch telekommunikative Mittel mit den Akteuren vor Ort in Verbindung steht und die unmittelbare Untersuchungsver- antwortung trägt. Die Voraussetzungen und Regeln für den Einsatz von Teleradiologie sind im Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) aufgeführt. Hierzu zählen Vorgaben zur apparativen Ausstattung oder zur Verfüg- barkeit und fachlichen Qualiﬁkation der beteiligten Personen. Zudem müssen beispielsweise durch verschlüsselte Internetverbindungen die strengen Auﬂagen des Datenschutzes gewährleistet sein. Im weiteren Sinne bedeutet Teleradiologie, dass Komponenten der radiologischen Leistung räumlich getrennt stattﬁnden, also Teile der Untersuchung bzw. Befundung, der Befundkommunikation oder der Kommunikation über Behandlungsverlauf, Vorgeschichte etc. Die Mitbeurteilung von Bildern durch Ärztinnen anderer Fachdisziplinen – anstelle einer direk- ten Kommunikation mit dem befundenden Radiologen – kann mit tele- radiologischen Mitteln erfolgen. Das ﬁndet im klinischen Alltag häuﬁg statt, wenn im Rahmen einer standortübergreifenden interdisziplinä- ren Videokonferenz (Telekonsil) sachbezogen radiologische Bilddaten auf einem geteilten Bildschirm aufgerufen und fachkundig beurteilt werden. Teleradiologie hilft, eine ﬂächendeckende, schnelle und qualita- tiv hochwertige Versorgung sicherzustellen. In kürzester Zeit können radio logische Bilddaten sowohl bei Notfallverlegungen als auch zur Ein- holung einer Zweitmeinung über Telekonsile, bei Überweisungen oder Erstvorstellungen in der Sprechstunde übertragen werden. Patienten- transporte oder Doppeluntersuchungen können so vermieden, Zweit- meinungen schneller eingeholt oder Behandlungspläne im Falle einer Notfall verlegung frühzeitig, noch vor dem Eintreﬀen des Patienten, er- stellt werden. Besonders in Flächenstaaten kann Teleradiologie Leben retten. Krebserkrankungen stellen durch ihre komplexe Ätiologie, Diagnos- tik und Therapie in besonderer Weise Anforderungen an die onkolo- gische Bildgebung, aber auch an die Organisation interdisziplinären Arbeitens im stationären Alltag. Tumor-Konferenzen (Tumor-Boards) haben sich mittlerweile in der Mehrzahl der Kliniken als feste Insti- tutionen etabliert. Sie haben auch die Rolle der Radiologinnen und Radiologen, die sie in der Regel moderieren, verändert bzw. erweitert. Bei einem Tumor-Board treﬀen sich Fachärztinnen und Fachärzte ver- schiedener Disziplinen, um anhand der vom Radiologen vorgestell- Kapitel II – Struktur 120

ten onkologischen Bildgebung Befund, Diagnose und individuelle Therapie im Einzelfall zu besprechen. Das Ziel liegt darin, möglichst frühzeitig Ansatzpunkte für eine individualisierte Therapie zu ﬁnden. Als Telekonsile sind Tumor-Boards immer disziplinübergreifend, zum Teil auch ortsübergreifend, wenn Fachärztinnen anderer Kliniken oder auch niedergelassene Kollegen per Videokonferenz zugeschaltet werden. Radiologen bringen maßgebliche Informationen über den Befund ein – sie setzen sozusagen ihre Kolleginnen und Kollegen ins Bild der Krebserkrankung eines Patienten, um gemeinsam die individuell gebo- tene Therapie herauszuﬁnden. Manchmal übernehmen sie dann auch als interventionelle Radiologen die Durchführung einer minimal-inva- siven Therapiemaßnahme. Gefäßzentren (Interventionelle Radiologie) Gefäßerkrankungen sind ein weiteres Beispiel für eine fachübergrei- fende medizinische Versorgungsanforderung, die in den letzten Jahren im stationären Alltag ebenfalls zu neuen Organisationsformen interdis- ziplinären Arbeitens geführt hat. Die Diagnose und Therapie von Gefäß- er krankungen haben sich in den letzten Jahren dynamisch weiterentwi- ckelt. Neben neuen aussagekräftigen diagnostischen Methoden wurden auch zahlreiche innovative interventionelle Behandlungsverfahren entwickelt. Ferner zeigen die demograﬁschen und epi demiologischen Daten, dass die Diagnose und Therapie von Gefäßerkrankungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine wachsende Bedeutung gewinnen werden, wobei zunehmend multimorbide Patienten in den Blick rücken. Aufgrund dieser Umstände gewinnen interdisziplinäre Behandlungsansät- ze an Bedeutung. In zahlreichen Einrichtungen wurden fachübergreifende Diagnose- und Therapiekonzepte entwickelt, in denen die Radiologie, diagnostisch wie interventionell, eine zentrale Rolle einnimmt – in enger Kooperation mit der Gefäßchirurgie sowie der Angiologie und den weiteren assoziierten Fachgebieten. Hieraus sind in verschiedenen Krankenhäu- sern feste organisationale Einheiten in Form von Gefäßzentren entstan- den, deren Qualitäts standards von der Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) zertiﬁziert werden. ↘ 121

Notfallmedizinische Teams (Notfallradiologie) Die medizinische Versorgung von Schwerverletzten in Notaufnahmen ist ein weiteres Beispiel für die integrative Rolle, welche die Radiologie – in diesem Fall die Notfallradiologie – im Versorgungsspektrum spielt. Auch hier hat sich die Rolle der Radiologinnen und Radiologen durch die Weiter- entwicklung radiologischer Verfahren verändert. In den USA ist die Not- fallradiologie bereits ein eigener Schwerpunkt, in Deutschland eine stark wachsende Disziplin – auch dank der immer besser und schneller werden- den diagnostischen Möglichkeiten. Das Ganzkörper-CT zeigt beispielhaft, wie zentral die radiologische Diagnostik als Ergänzung zur Erstuntersu- chung im Schockraum ist. Das Ziel ist, die komplette CT-Untersuchung und Übermittlung aller relevanten Diagnosen schnellstmöglich nach Aufnahme des Patienten abzuschließen, da das Überleben maßgeblich abhängig ist von einer frühzeitigen Diagnose und Priorisierung der Behandlung lebens- bedrohlicher Verletzungen. Radiologinnen und Radiologen müssen hier als Teil eines interdiszi- plinären Teams unter erheblichem Zeitdruck eine verlässliche Diagnostik erarbeiten. Grundvoraussetzung für eine optimale Versorgung ist eine funktionierende Kommunikation, was neben der menschlich-kollegialen Ebene auch die EDV- Systeme und die baulichen Gegebenheiten ein- schließt. Kapitel II – Struktur 122

Lisa ist 27 Jahre alt und hat vor sechs Jahren ihre Prüfung zur Medizinisch-Technischen Radiologieassistentin an der Staat- lichen Lehranstalt für MTRA in Aachen absolviert. Zusammen mit ihrem MTRA-Kollegen Marc beginnt sie nun frühmorgens ihre tägliche Arbeit in der Angiografie-Abteilung des Uni- klinikums. Nachdem Lisa die Röntgenanlage eingeschaltet hat und sämtliche Bediencomputer hochgefahren sind, ist ein leises Brummen aus den elektrischen Geräten zu hören. Bläuliches Flackern erhellt die nur schwach beleuchteten Untersuchungs- räume. In ihren Augenwinkeln sieht Lisa ihren Kollegen, der auf dem Patiententisch die Lagerungshilfen für die Patienten positioniert. Anschließend kontrolliert er routiniert den Inhalt der Schubladen und Schrankfächern auf Vollständigkeit. Lisa widmet sich dem geplanten Tagesprogramm: vor- mittags stehen drei Untersuchungen der Becken-Bein-Region im Terminplaner. Bei diesen angiografischen Untersuchungen werden Katheter in die Arterien vorgeschoben, die zusammen mit Kontrast mittel und Röntgenstrahlen helfen, Engstellen in den Blutgefäßen sichtbar zu machen. Lisa ist immer wieder aufs Neue beeindruckt, wenn sie sieht, wie ein Ballon-Katheter die verengte Arterie erweitern kann und ein Stent diesen Bereich dauerhaft stabilisiert – mittlerweile ein routiniertes Verfahren. Am Nachmittag wird es etwas komplizierter: eine TIP(S) S-Neuanlage. Lisa runzelt die Stirn, als sie überlegt, für was die einzelnen Buchstaben nochmal stehen – Transjugulärer Intra- hepatischer Portosystemischer (Stent-)Shunt. Lisa weiß, der Patient hat eine Lebererkrankung, die einen viel zu hohen Blut- druck in der Pfortader verursacht. Daher wird dieser komplexe Eingriff dafür sorgen, dass durch eine künstliche Verbindung und einen Stent zwischen einer Lebervene und der Pfortader dieser Pfortaderhochdruck dauerhaft gesenkt wird. Gerade diese letzte Intervention (Eingriff) auf der Agenda wird ihr heute noch einige aufwändige Vorbereitungen abverlangen. Leicht angespannt bläst sie sich den Pony aus dem Gesicht. Sie bittet Marc, den ersten Angiografie-Patienten von der gefäßchirurgischen Pflegestation abzurufen. Meist dauert es etwas länger, bis der Transportdienst des Klinikums den Patienten im Bett bringt. Diese Zeit kann Lisa nutzen, um die Unterlagen aller Patienten von heute auf Vollständigkeit zu über- prüfen und sich mit dem Radiologen über das Tagesprogramm auszutauschen. Marc kontrolliert derweil die Schutzausrüstung aus Blei- gummi, um auszuschließen, dass diese Materialschäden auf- weisen oder möglicherweise verschmutzt sind. Fein säuberlich hängen die Bleischürzen an den Wandbügeln, um bei Bedarf zügig angelegt werden zu können. Zu Lisas Ausbildungszeit waren noch alle Patienten- dokumente in Papierform zu ordnen und anschließend abzu- heften, aber mittlerweile sind alle wichtigen Informationen und auch Röntgenbilder in digitalen Patientenakten abgespeichert. Selbst den vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsbogen hat Lisa bereits auf dem Computerbildschirm anschauen kön- nen. Mit einem Mausklick schließt sie die virtuelle Patienten- akte und geht nachdenklich in das ruhige Eckzimmer, in dem die Ärztinnen und Ärzte die Bilder betrachten und befunden 137 MTRA – Radiologie mit Kopf, Hand und Herz

Kapitel II – Struktur können. Lisa arbeitet seit drei Jahren mit dem radiologischen Oberarzt, auf dessen Namensschild PD Dr. med. Schneider steht und den sie mit Lars anredet, zusammen. Lars hat die Indikation zur Intervention des ersten Patienten bereits am Vortag sorg fältig geprüft und ihn im Anschluss ausführlich über den geplanten Ein- griﬀ aufgeklärt. Nun bespricht er sich mit Lisa über die Vorge- hensweise und das von ihm benötigte Material. Eigentlich alles wie immer: Routine, aber besser, man spricht vorher darüber. Eine Klingel kündigt das Eintreﬀen von Herrn Förster an. Er ist 62 Jahre alt und hat erhebliche Probleme beim Gehen. Vermutlich sind aufgrund jahrzehntelangen Rauchens seine Becken-Bein-Arterien so sehr verengt, dass die Blutversorgung in die Beine und Füße eher unzureichend ist und daher bereits nach wenigen Metern das Gehen unerträglich schmerzt. In Lisas Ausbildung hatte sie hierzu den landläuﬁgen Begriﬀ „Schaufens- terkrankheit“ gelernt, der daher rührt, dass betroﬀene Patienten aufgrund ihrer beim Gehen einsetzenden Schmerzen oft inne- halten, um die Ladenschaufenster zu betrachten. Herr Förster hoﬀt, dass eine Erweiterung dieser Engstellen in den Bein- gefäßen zu einer deutlichen Erleichterung seiner Beschwerden führen wird. Auf dem Weg zum Empfangsbereich informiert Lisa Marc darüber, dass die Intervention bei Herrn Förster ein Routineein- griﬀ wird und bittet ihn um entsprechende Vorbereitung des Raumes und des sterilen Tisches. Ihren Patienten empfängt Lisa mit einem warmen Lächeln, denn Sie weiß, dass einem ange- sichts eines medizinischen Eingriﬀs immer ein wenig unwohl zumute sein kann. Herr Förster erwidert tapfer ihr Lächeln und setzt Lisa – gespielt vorwurfsvoll – davon in Kenntnis, dass er heute auch noch nicht gefrühstückt habe. Lisa erklärt, dass ein leerer Magen unglaublich wichtig sei, denn dann wäre eine Erstickungsgefahr bei Übelkeit oder Erbrechen im Verlauf des Eingriﬀs deutlich geringer. Im Vorbereitungsraum vergewissert sich Lisa ein weiteres Mal, dass es sich bei dem Patienten tat- sächlich um Herrn Förster mit den Gefäßproblemen handelt. Sicher ist sicher. In kurzen und ruhigen Sätzen erläutert sie ihm nun das weitere Vorgehen zur Vorbereitung der Angiograﬁe. Lisa spürt die leichte Sorge bei ihrem Patienten; daher legt sie ihm fürsorg- lich die Hand auf den Arm, während sie mit ihm spricht. Anschlie- ßend führt sie Herrn Förster, der nun nur noch ein OP-Hemd trägt, vorsichtig zur Patientenliege, wo er es sich für die Dauer des Eingriﬀs bequem macht. Da diese Art der Angiograﬁen ohne Narkose durchgeführt werden, ist es sehr wichtig, die Patienten so komfortabel wie möglich zu lagern, damit sie 45 bis 60 Minuten möglichst still liegen bleiben können. Derweil ziehen sich Lars und Marc die Röntgenschürzen und die obligatorische OP-Kleidung an: Haube, Mundschutz, steriler OP-Mantel und sterile Handschuhe. Marc wird heute dem Oberarzt steril assistieren, d. h. er steht am Tisch, bereitet das Instrumentarium vor und führt sämtliche Handreichungen durch. Lisa ist mit dem Abdecken des Patienten fertig als, Marc und Lars den Durchleuchtungsraum betreten. Ermutigend lächelt Lisa Herrn Förster an und stellt ihm die beiden vermum- mten Gestalten vor, während sie sich ihrerseits die Röntgen- schürze überstreift. Nun kann es losgehen. 138

In den ersten Minuten wird der Leistenbereich betäubt, ein kleiner Hautschnitt vorgenommen und eine Hohlnadel in die Arterie eingeführt. Marc reicht Lars zum jeweils richtigen Zeit- punkt die benötigten Gegenstände: Spritze mit Injektionsnadel, Skalpell, Einführschleuse, Führungsdraht und Katheter. Für die Übersichtsaufnahme ist außerdem die maschinelle Injektion von Kontrastmittel notwendig. Marc hatte den Injektionsautoma- ten bereits vorbereitet; Lisa muss nun lediglich die Anschlüsse herstellen, das Injektionsprotokoll auswählen und auf Lars’ Kommando den Startknopf drücken. Lisa schaut immer wieder nach Herrn Förster, während sie die einzelnen Schritte der Inter- vention mitverfolgt. Im Verlaufe des Eingriﬀs schenkt sie bei Bedarf Kontrastmittel bzw. Kochsalzlösung nach oder holt das ein oder andere benötigte Material aus dem Schrank. Während all dieser Tätigkeiten bleibt immer wieder mal Zeit für einen aufmunternden Blick zu Herrn Förster, eine Frage nach seinem Beﬁnden oder ein Wegwischen der Schweißperlen auf seiner Stirn. Mittlerweile sind die Arterien im Bild dargestellt und zwei Engstellen mithilfe eines Ballonkatheters und zweier Stents ge- weitet. Nachdem er den Katheter herausgezogen hat, drückt Lars den Bereich der Eintrittsstelle mit großen sterilen Tupfern für mindestens 20 Minuten ab. Währenddessen räumt Marc das gebrauchte Instrumentarium von dem Tisch und beginnt mit dem Aufräumen. Lisa sitzt im Kontrollraum am Bediencomputer und bearbeitet die Bildserien, die Lars am Nachmittag in Ruhe analysieren und befunden wird. Anschließend dokumentiert Lisa die benötigte Durchleuchtungszeit, die Strahlendosis und die verwendeten Materialien in einer gesonderten Datenbank. Immerhin ist das Instrumentarium in der Angiograﬁe sehr kost- spielig und muss daher sorgfältig erfasst werden, damit einer- seits die Krankenkassen eine korrekte Rechnung erhalten und andererseits das Material im Lager immer auf dem aktuellen Stand bleibt. Lars und Marc können nun 25 Minuten nach Ende des Eingriﬀs einen Druckverband bei Herrn Förster anlegen und ihn in sein Patientenbett umlagern. Bevor er auf sein Zimmer zu- rückgebracht wird, fragt Lisa ihn nach seinem Beﬁnden. Sie wirft einen prüfenden Blick auf den Verband und legt begleitende Dokumente in seine Patientenmappe. Alles scheint soweit in Ordnung, daher verabschieden sich Lisa und Marc von Herrn Förster. Zwischenzeitlich wurde die nächste Patientin des Tages- programms an den Empfang gebracht. Marc und Lisa haben nicht mehr viel Zeit, den Untersuchungsraum aufzuräumen, eine Reinigungskraft für die Desinfektion zu bestellen und sich auf die nächste Intervention vorzubereiten. Der Ablauf geht von neuem los … 139 MTRA – Radiologie mit Kopf, Hand und Herz

1. 2. 3. 4. 5. 6. Anmeldung des Patienten im System des Krankenhauses bzw. ambulant an der Praxisanmeldung Dabei werden die personenbezogenen Daten (u. a. Name, Vorname, Geburts- datum, Adresse, Krankenkassenzugehörig- keit und Versichertennummer) von der elektronischen Gesundheitskarte oder direkt vom Patienten (überwiegend Privat- patienten) abgefragt. Übertragung der Anmeldedaten auf die jeweiligen Untersuchungsgeräte bzw. „Modalitäten“ (Röntgen, Computertomograﬁe (CT), Magnetresonanztomograﬁe (MRT), Sonograﬁe o. a.). Akquisition der patientenbezogenen Untersuchungsdaten Übertragung der befundungs- relevanten Untersuchungsdaten in das sogenannte PACS Befundung der Untersuchungs- daten durch die Radiologinnen und Radiologen in Textform Das bedeutet, dass während der Unter- suchung die Bilddaten als DICOM-Dateien (internationaler Standard radiologischer Bilddaten) im Arbeitsspeicher des Unter- suchungsgerätes gespeichert werden. Im Anschluss erfolgt die Abrechnung der Untersuchung am Untersuchungsplatz in den lokal vorhandenen Speicher- und Dokumentationssystemen: dem Radiolo- gischen Informationssystem RIS und/oder dem Krankenhaus-Informationssystem KIS. PACS ist ein digitales System zur Ver- arbeitung und Archivierung von medizini- schen Bildern und bildbezogenen Daten (Picture Archiving and Communication System). Die Befundberichte werden im RIS gespei- chert. Eine weitere textliche Beschreibung des Befundes gekoppelt an die Bilddaten erfolgt im PACS (in Krankenhäusern ge- gebenenfalls auch im KIS). Versand des schriftlichen Befundes elektronisch über das RIS/KIS/FAX und ausgedruckt per Kurier/Post Die Befunde werden zum Abschluss an die stationären oder ambulanten Zuweiser gesandt. 141 Von der Anmeldung zum Befund

Die Berufsbezeichnung Medizinphysiker subsumiert Physiker und Ingenieure mit speziellen Kenntnissen im Fachgebiet der Medizinischen Physik. Neben der medizinischen Bildgebung sind Strahlentherapie und Nuklearmedizin die klassischen Betätigungsfelder. Ihre Aufgaben liegen in Forschung und Ent- wicklung, Patientenversorgung und Lehre. Medizinische Bildgebung wird in diesem Jahrhundert neben der Genetik und der Künstlichen Intelligenz zu den größ- ten Veränderungen in der Medizin führen. Hierzu sind interdis- ziplinäre Ansätze unerlässlich. Dies wurde nicht nur von der Radiologie erkannt. Mittlerweile sind Kardiologie, Neurologie und Psychiatrie neue innovative Arbeitsbereiche für Medizin- physikerinnen. Die meisten arbeiten heute in der Strahlenthe- rapie. Hier planen sie individuell und zielgenau für jeden Patien- ten den optimalen Einsatz der Strahlung, um eine maximale Schädigung des Tumors bei minimaler Schädigung des gesun- den Gewebes zu gewährleisten. Ärztin und Physiker arbeiten gemeinsam ständig an neuen Therapiekonzepten, um die Hei- lungserfolge zu steigern. In der Bildgebung reichen die Aufgaben vom Strahlenschutz über die Optimierung und Entwicklung neuer Bildgebungstechniken, Bildverarbeitungs- und Analyse- methoden bis hin zum Großgerätemanagement. In gleicher Weise sind Medizinphysiker in der Industrie mit Entwicklung und Applikation sowie in der Forschung beschäftigt. Wenn wir heute ein schlagendes Herz im Magnetreso- nanztomografen (MRT) oder im Computertomografen (CT) beobachten oder visuelle und akustische Reize im MRT einem umschriebenen Hirnbereich zuordnen, dann ist es die Interdis- ziplinarität zwischen Naturwissenschaft und Medizin, die dies ermöglicht. In den letzten 40 Jahren konnte die Dosis für eine Röntgenaufnahme um 80 bis 90 Prozent gesenkt werden und somit eine deutlich höhere Sicherheit für den Patienten erreicht werden. Auch dies ist Folge der gemeinsamen Aktivitäten von Medizinphysikern und Ärzten. Die Richtlinien der EU und die Deutsche Strahlenschutz- gesetzgebung haben die Bezeichnung Medizinphysik-Expertin/ Experte (MPE) gebildet. Eine Wortschöpfung, mit der die in der Medizinischen Physik tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als unglücklich sind. Man stelle sich zum Vergleich einmal den Arzt als Gesundheits-Experten (GE) vor. Zumal die gesetz- lichen Aufgaben eines MPE nur einen kleinen Teil der Tätigkeiten von Medizinphysikerinnen widerspiegeln. Sie sind eben nicht nur Strahlenschützer, sondern auch Entwickler, Forscher, Tech- niker, Informatiker und Manager. Organisiert sind die Medizinphysikerinnen in der Deut- schen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP). Zudem sind sie in den großen medizinischen Gesellschaften für Strah- lentherapie und Onkologie (DEGRO) und für Nuklearmedizin (DGN) vertreten. In der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) bilden sie mit 155 Mitgliedern die Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik (APT). Diese Zahl wird in den nächsten Jahren wegen der gesetzlichen Forderungen und dem klinischen Bedarf vermutlich deutlich steigen. Die APT sieht ihre Aufgaben vor allem in der Förderung der Wissenschaft sowie in der Fort- und Weiterbildung. Sie unterstützt die Einführung neuer Techniken und Industriepro- 143 Medizinphysiker in der Röntgendiagnostik

dukte durch wissenschaftliche Prüfungen und die Verbreitung von physikalisch-technischen Kenntnissen über Funktion und Anwendungsbedingungen. Viele Positionen in öﬀentlichen Gremien, Normenaus- schüssen und auch in der Strahlenschutzkommission (SSK), die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) berät, sind heute durch Mitglieder der APT besetzt. Hierdurch ist es möglich, bereits im Gesetzgebungs- prozess und während der Entwicklung von Normen medizini- sche Interessen zu vertreten und auf eine Umsetzbarkeit der Forderungen hinzuarbeiten. Mit über 20 Prozent ist die Gruppe der Medizinphysiker im Normenausschuss Radiologie (NAR) die größte Einzelgruppe nach den Vertreterinnen der Industrie. Hierdurch ist es möglich, gemeinsam mit den anderen medizi- nischen Vertretern die Interessen des Gesundheitswesens klar zu betonen. Dies ist im Übrigen auch ein direkter Beitrag zur Kostenstabilisierung im Gesundheitswesen. Werden in der Normung oder Gesetzgebung unnötig hohe Hürden aufgebaut, kann dies in erheblichem Maße die Kosten in die Höhe treiben. Auf der anderen Seite wirken fehlende Standardisierungen wiederum häuﬁg monopolbildend und preistreibend. Die Ärztlichen Stellen, so ungeliebt sie manchmal er - scheinen, haben seit ihrer Einführung im Rahmen der Röntgen- verordnung in erheblichem Maße zur Optimierung der Bildqua- lität und vor allem zur Reduktion der Strahlenexposition beigetragen. In jeder der 26 Ärztlichen Stellen in Deutschland sind Medizinphysikerinnen als Mitglieder der Prüfungskommis- sionen oder in der Leitung der Ärztlichen Stelle tätig. Neben der Prüfung zählt vor allem die Beratung von Praxen und Kranken- häusern zur Dosisreduktion und Bildqualität zu ihren Kernauf- gaben. Leider ist aber die oben beschriebene Welt des klini- schen Einsatzes von Medizinphysikern häuﬁg nur ein Wunsch- gedanke. Denn real sind Medizinphysiker auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum zu bekommen. Die Zahl der Hochschulen, die eine Spezialisierung anbieten, ist zwar steigend, aber die Zahl der Absolventinnen, die sich für die Klinik entscheiden, bleibt gering. Industrie und große Forschungseinrichtungen erscheinen häuﬁg attraktiver. Die Einführung des Mammogra- ﬁe-Screenings hat gezeigt, wie schwer es ist, ausgebildete Medi- zinphysikerinnen in ausreichender Anzahl zu binden. So konnte der Bedarf seinerzeit nur durch ein kurzfristig aufgebautes Wei- terbildungsprogramm gedeckt werden. Das seit 2019 gültige Strahlenschutzrecht oﬀenbart den Mangel an Medizinphysik- Expertinnen mit Spezialkenntnissen in der diagnostischen und interventionellen Radiologie in besonderer Weise. Da für Neu- geräte aufgrund der Strahlenschutzverordnung inzwischen ein beratender Medizinphysiker von den Aufsichtsbehörden ver- langt wird, stehen Praxen, Kliniken und Industrie vor dem großen Problem, nicht auf eine ausreichende Anzahl an entsprechend ausgebildeten Medizinphysik-Experten zugreifen zu können. Die zuständigen Ministerien bemühen sich gemeinsam mit den Universitäten, über öffentliche Förderung Weiterbildungs- programme ins Leben zu rufen, um diese Situation zu entspan- nen. Ob dies greift oder aber stattdessen viele Betreiber nur inadäquat versorgt werden können, muss die Zukunft zeigen. 145 Medizinphysiker in der Röntgendiagnostik

Die medizinische Disziplin 147 Überall verfügbar: Teleradiologie Flächendeckende Digitalisierung hat die Radiologie frühzeitig und vor anderen medizinischen Disziplinen in die Lage versetzt, den Bedarf moderner telemedizinischer Anwendungen wir- kungsvoll zu bedienen. DICOM-Format, Radiologie-Informati- onssystem (RIS), Picture Archiving and Communicating System (PACS), die Verknüpfung mit einem Krankenhaus-Arbeitsplatz- system (KAS), Werkzeuge wie die Videokonferenz mit geteiltem Bildschirm und ein anwenderfreundliches Eingangs- und Aus- gangsportal für externe Bilddatensätze waren und sind die Grundlage für den Erfolg der Teleradiologie. Telekonsil, Tele- konferenz und teleradiologische Untersuchung sind die zentra- len Anwendungen, die auf Grundlage dieses erfolgreichen Digi- talisierungsprozesses entstanden sind. Bei allem technischen Potential sind aber auch der Tele- radiologie Grenzen gesetzt – diese sind je nach Deﬁnition wirt- schaftlicher, juristischer oder medizinischer Natur. Grundsätzlich gibt es derzeit zwei unterschiedliche Spielarten von Teleradio- logie: die ärztlich-medizinische Patientenmaßnahme und jeder andere Bildtransport. Die erste Spielart ﬁndet im Verhältnis von Ärztin und Patient statt, die zweite in der Regel im Verhältnis von Ärzten untereinander. Während letztere Spielart vorder- gründig Regelungen des Datenschutz- und Patientenrechts unterliegt, kommen bei der unmittelbar teleradiologisch ver- antworteten Patientenuntersuchung zusätzlich Regeln des Be- rufsrechts zur Anwendung. Bei Modalitäten, die die Nutzung ionisierender Strahlen beinhalten, ist zudem das Strahlen- schutzrecht maßgeblich. Das tatsächliche Potential der Teleradiologie liegt in einer stand- ortübergreifenden Vernetzung von Gesundheitsversorgung unter Nutzung radiologischer Fachkompetenz. Die Zentralisie- rung von radiologischer Befundung extern akquirierter Bilddaten- sätze kann ein sinnvolles Element der Strukturanpassung sein, aber auch allein der Personaleinsparung auf der einen und der Gewinnmaximierung auf der anderen Seite dienen, ohne dabei ein patientenorientiertes versorgungspolitisches Ziel zu verfol- gen. Dies entspräche einer Begrenzung des teleradiologischen Potentials auf rein gewinnorientierte wirtschaftliche Gesichts- punkte. Zum tieferen Verständnis lohnt ein Blick in den medizini- schen Alltag. Wie entsteht eine Therapieentscheidung und wel- che Rolle fällt der Radiologie dabei zu? Während früher medizi- nische Prozesse in einem Krankenhaus vorrangig von einzelnen Stationen bzw. Kliniken gesteuert wurden, sind es heute immer häuﬁger interdisziplinäre Zentren und fachübergreifende Patien- tenpfade, die den Klinikalltag bestimmen. Das Patientenzimmer als ein zentraler Ausgangspunkt für die Kliniklogistik hat an Be- deutung verloren. Stattdessen gibt es zunehmend individuali- sierte, auch wirtschaftlich optimierte Klinikpfade, denen sich alle zu durchlaufenden Bereiche – Stationen wie Funktionsdiagnostik – unterzuordnen haben. Diese Ausrichtung kommt dem Bedarf einer radiologischen Organisationseinheit entgegen, deren Erfolg traditionell und in konzentrierter Form wesentlich von logisti- scher Eﬃzienz abhängt. ↘

Kommunikation als Hauptinstrument Kapitel II – Struktur Der übergeordnete Prozess einer Therapieentscheidung lässt sich dabei wie folgt systematisch aufschlüsseln: Patienten- zuführende Einheiten nutzen Diagnostik und Funktionsdiagnos- tik zur Erzeugung von patientenspeziﬁschen Basisdaten. Durch weiterverarbeitende Prozesse entstehen aus Teilen dieser Daten Metadaten. Die Erzeugung von Basis- und Metadaten wird dabei in zunehmendem Maße von Künstlicher Intelligenz (KI) geprägt und gelenkt. Alle Daten ﬁnden Eingang in ärztliche Entschei- dungsprozesse, die in der Regel interdisziplinär angelegt sind. Die hierfür zuständigen Gremien sind zunehmend als kleine Denkfabriken im Klinikalltag institutionalisiert – in Form von Fach- konsilen, Visiten, Bilddemonstrationen oder multidisziplinären Konferenzen. Sie stellen – in Ergänzung zur KI – zusammenge- nommen die „menschliche Intelligenz“ (MI) dar, deren Aufgabe es ist, die gesammelten Daten zu einer Therapieentscheidung zu verdichten und zu veredeln (vgl. Abb. 1). Die Radiologie stellt in diesem Kontext nicht nur einen wesent- lichen Teil der Diagnostik und der Weiterverarbeitung von Basis- daten zu Metadaten bereit (z. B. in Form einer zunehmend auch KI-gestützten Befundung). Sie ist durch Bilddemonstration und -kontextualisierung maßgeblich an fast allen institutionalisierten Entscheidungsgremien beteiligt. Das Hauptinstrument medizi- nisch-radiologischen Wirkens ist Kommunikation. Bilddaten und zugehöriger Befund werden als Kern ärztlich-radiologischer Leistung in digitaler Form transportiert, d. h. kommuniziert. Die Inhalte dieses digitalen Pakets patientenspeziﬁsch auch in einen medizinischen Kontext zu stellen, ist mindestens genauso wichtig. Diese Kommunikation – nennen wir sie Kontextkommunikation – ﬁndet gegenüber dem Patienten und/oder den mitbehandeln- den Fachkollegen statt. In der Sache unterscheidet sich dabei das ambulante Setting, also ein Ärztenetzwerk, nicht vom klini- schen Setting, z. B. einer multidisziplinären Tumor-Konferenz. Digitale Schnittstellen im Bereich der Bildgebung befördern auch, dass im medizinischen Entscheidungsprozess die vormals klare Trennung zwischen stationärem und ambulantem Sektor zunehmend aufgehoben wird. Sektorenübergreifende Verträge zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) mit radiologischer Beteiligung sind sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung. Teleradiologie bedeutet, dass Bestandteile einer radio- logischen Leistung räumlich getrennt stattﬁnden, also Teile der Untersuchung/Befundung, der Befundkommunikation oder der Kontextkommunikation. Die Mitbeurteilung von Bildern durch Kollegen anderer Fachdisziplinen kann mit teleradiologischen Mitteln erfolgen – anstelle einer direkten Kommunikation mit dem befundenden Radiologen. Gleiches gilt für die Zweitbeur- teilung durch eine fachkundige Radiologin, z. B. im Rahmen einer orts- und zweckgebundenen Spezialfragestellung. Nichts Anderes ﬁndet statt, wenn im Rahmen einer standortüber- greifenden interdisziplinären Videokonferenz sachbezogen radiologische Bilddaten auf einem geteilten Bildschirm aufge- rufen und fachkundig beurteilt werden. Die teleradiologische ärztliche Maßnahme meint die Durchführung einer Untersuchung ohne körperliche Anwesenheit 150

Immer noch ein Querschnittsfach der Humanmedizin eines fachkundigen Radiologen am selben Ort. Diese Form der Teleradiologie ist nur als Ausnahme von der Regel erlaubt. Dabei steht ein an anderem Ort beﬁndlicher fachkundiger Radiologe in Echtzeit und durch telekommunikative Mittel mit den Akteuren vor Ort in Verbindung. Er ist derjenige, der die unmittelbare Untersuchungsverantwortung trägt. Nachvollziehbarerweise gewinnt die Gewährleistung einer suﬃzienten Kontextkommu- nikation in diesem Setting eine besondere Bedeutung. Neben der Kerntätigkeit als Chirurg, Neurologin, Radiologe etc. hat sich für den modernen Arzt die Fähigkeit zur institutionali- sierten, fachübergreifenden Kommunikation und Informations- verwertung als ein elementarer Erfolgsfaktor seiner medizini- schen Tätigkeit inzwischen durchgesetzt. Krankenhausgewinne werden nicht mehr auf einzelnen Stationen oder in einzelnen Kliniken erwirtschaftet, sondern zunehmend in interdisziplinär organisierten Strukturen wie einem Organ-Krebszentrum oder einem Gefäßzentrum. Anders gesagt: Kommunikative Kompe- tenz – personeller und technischer Art – ist eine signiﬁkante budgetrelevante Größe. Die barrierefreie Nutzung moderner Kommunikationsmedien (z. B. Videokonferenz, IT-Schnittstel- lenmanagement) und das eﬃziente Pooling eigener und externer Patientendaten (digitale Akte, DICOM-Portale, Systemintegri- tät/-kompatibilität) haben sich dabei längst als Standort- und Wettbewerbsvorteil erwiesen. Auch für den einzelnen Arzt ist die Beherrschung und virtuose Bespielung dieser Medien und Kommunikationsforen zu einem mitentscheidenden Leistungs- merkmal geworden. Die Bedeutung moderner Schnittbildgebung und inter- disziplinärer Konferenzen für die Therapieentscheidung sind Eckpfeiler dafür, dass das Fach Radiologie auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der medizinischen Grundversorgung spielt. Dabei kommt ihm zugute, dass es in überdurchschnittlichem Maße vertraut ist mit der Nutzung verschiedener, oft digitaler Medien und der zeiteﬃzienten, zielorientierten Verwertung und Kommunikation von Information. Und nicht zu vergessen: Die Radiologie war, ist und bleibt auch weiterhin ein Querschnitts- fach der Humanmedizin. 151 Überall verfügbar: Teleradiologie

153 Radiologie stationär und ambulant Sowohl im Krankenhaus, als auch im ambulanten Bereich sind die meisten Untersuchungen als „elektiv“ einzustufen – das besagt, dass Ärztinnen die Untersuchungs-/Behandlungsme- thode sowie den Zeitpunkt passend zur Fragestellung und Dringlichkeit auswählen können. Damit sind die meisten Unter- suchungen in der Radiologie gut planbar. Sicherlich kommen im Krankenhaus gehäuft Notfalluntersuchungen vor, die ad hoc radiologische Untersuchungen erfordern. Das stellt einen wesentlichen Grund für eine überwiegende 24-Stunden-Ver- fügbarkeit der stationären Radiologie dar. Ein größerer Unterschied in der Untersuchungsplanung zwischen Krankenhaus und Praxis ist der Zeithorizont im Termin- kalender für die überwiegende Anzahl der Patienten. In den meisten Praxen und MVZ sind hier die Planungsspielräume für mehrere Wochen ausgefüllt, wohingegen im Krankenhaus ein kürzerer Anmelderhythmus besteht. Bei den sogenannten Inter- ventionen – also (minimal-)invasiven Eingriffen von Radiologen – können dagegen auch in Krankenhäusern längere Planungs- zeiträume erforderlich sein. Sind Patientinnen vor Ort in der Radiologie angekommen, gleicht sich der Untersuchungsablauf weitgehend. Im Krankenhaus sind die Möglichkeiten zur Überwachung und intensiven Betreuung schwer erkrankter Patienten logis- tisch grundlegend besser ausgebaut. Aber auch in vielen Praxen und MVZ gibt es Möglichkeiten, Patienten z. B. bei kardiovasku- lärer Grunderkrankung zu überwachen oder bei erhöhter Sauer- stoffbedürftigkeit zu versorgen. Ob Patienten ambulant oder stationär in die Radiologie kommen, hängt stets von der Komplexität ihrer Erkrankung, den Kompetenzen ihrer betreuenden Ärzte und den lokalen Ver- sorgungsvoraussetzungen ab. Die meisten Fragestellungen an die Radiologie können sicher ambulant beantwortet werden. Im stationären Bereich entsprechen sie einer komplexeren Diagnostik der möglichen Beschwerdeursachen. In Abhängigkeit der Fragestellungen sind die Untersu- chungsprotokolle an den Großgeräten in den meisten radiologi- schen Abteilungen und Praxen bereits festgelegt. Das bedeutet, dass die meisten Fragestellungen über vorher festgelegte Unter- suchungsschritte zeiteffizient und überregional standardisiert diagnostiziert und beantwortet werden können sowie Verlaufs- untersuchungen damit besser vergleichbar werden. Vor allem im universitären Sektor kommen aber oft auch ausgedehntere Untersuchungsprotokolle zur Anwendung, um kompliziertere Fragestellungen zu beantworten oder um spezifische Daten für Forschungsprojekte zu erheben. Im ambulanten Sektor sind hier auch Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen zu beach- ten. Dies bedeutet, dass in Abhängigkeit der diagnostischen bzw. therapeutischen Relevanz die radiologischen Untersuchungen/ Interventionen in ihrer Zeitdauer sowie Detailauflösung und damit ihrem Aussagegehalt variieren. Für die Radiologie im Krankenhaus wie für die niederge- lassene, ambulante Radiologie gilt: Das digitale Zeitalter macht die Befundung sowie die Befundübertragung an die Zuweiser insgesamt deutlich schneller, sodass auch auf diesem Weg eine effektivere Patientenbetreuung durch die Radiologie gewähr- leistet werden kann.

In der Radiologie ist es jedoch, wie in vielen anderen Bereichen der Medizin auch, immer noch so, dass auf den weiteren Karriere- stufen wenige Frauen zu ﬁnden sind, obwohl doch sehr viele als Assistenzärztinnen starten. Eine Erhebung in den USA ergab 2016, dass in den analysierten Kliniken zwar 34 Prozent Radio- loginnen arbeiteten, Bereichsleitungen aber nur zu 25 Prozent mit Frauen besetzt waren, Klinikleitungen gar nur mit neun Prozent (Grimm et al. 2016). Aber nicht nur hier ﬁndet sich der „gender gap“. Eine von der Europäischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (CIRSE) initiierte und von Professor Anna Belli durchgeführte Umfrage ergab eindeutig: Auch in der Interventionellen (Neuro-) Radiologie gibt es einen sehr großen Gender-Unterschied (Wah, Belli 2018, Jaschke et al. 2018). Die Erhebung belegt, dass in der Interventionellen Radiologie auch heute noch Hindernisse exis- tieren, die sich fachlich-medizinisch nicht begründen lassen. So ist es zum Beispiel mit korrekter Schutzkleidung durchaus mög- lich, dass eine potentiell schwangere Kollegin in der Angiograﬁe arbeitet. Aktuell sind nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern weltweit interventionelle Radiologen fast ausschließlich männlich (vgl. CIRSE 2019). Neben strukturierteren Ausbildun- gen und mehr Unterstützung für Frauen in der Interventionellen Radiologie werden daher laut CIRSE-Umfrage auch detaillier- tere Informationen über Strahlenschutz unter Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse gefordert. Vieles, was den „gender gap“ weiter aufrecht erhält (Ver- einbarkeit von Familie und Beruf in den Arbeitsbedingungen etc.), hat auch heute noch mit unseren Denkmustern und vor- gefassten Bildern zu tun. Nicht selten ist es auch pure Bequem- lichkeit, in der Organisation von Arbeit neue Wege zu beschrei- ten. Icons wie die in Abbildung 1 sehen auch heute noch für viele Frauen ungewohnt aus. Sie sind im Rahmen einer Initiative der Medizinischen Universität Innsbruck entstanden. Man fragt sich, warum solche Icons nicht schon längst gängig sind. War- um müssen im 21. Jahrhundert „ernsthafte“ weibliche Icons „Vieles, was den „gender gap“ weiter aufrecht erhält (Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Arbeitsbedingungen etc.), hat auch heute noch mit unseren Denkmustern und vorgefassten Bildern zu tun.“ dieser Art erst noch „erfunden“ werden? Immerhin gibt es aber schon einige Institutionen und Kliniken (auch Radiologien), die in der Foto-Auswahl bewusst darauf achten, Berufsgruppen jeweils nach Geschlechtern ausgeglichen zu präsentieren. Eine wichtige Grundlage für Frauen, die künftig Führungs- positionen übernehmen möchten, fehlt oftmals: Es gibt weiter- hin sehr wenige „role models“. Auch für männliche Mitarbeiter, die in klassischen medizinischen Assistenzberufen z. B. im MTRA-Bereich oder der Pﬂege arbeiten möchten, fehlen oft noch selbstverständliche Rollenmodelle. Vorbilder für beide Geschlechter – Bilder davon, was typisch weiblich oder typisch 155 Gender Gap in der Radiologie

Literatur männlich ist – hat jeder und jede von uns im Kopf. Sicherlich gibt es auch „eher weibliche“ und „eher männliche“ Eigenschaften und Lebensweisen. Aber doch ist es wichtig, dazu eine Varianz zu ﬁnden. Vorbilder für Männer, in denen auch „weibliche“ Attri- bute gut und richtig sind, genauso wie umgekehrt auch für Frau- en mit eher „männlichen“ Ausprägungen. Damit darf aber nicht gemeint sein: Alle sind gleich. Ganz oﬀensichtlich sind wir dies nicht. Eine Frau in der ärztlichen Ausübung wird andere Ideen in der Wissenschaft entwickeln als ihre männlichen Kollegen und damit völlig neue Facetten einbringen. Ein Mann als MTRA wird ebenso anders und mit vielleicht anders ausgerichteten Interessen arbeiten und damit ebenfalls neue Aspekte in diese Berufsgruppe hineintragen. Unser Auftrag für die Zukunft muss daher lauten, gender-speziﬁsche Konnotierungen der Berufs- felder umzugestalten und zu relativieren. AJR 2016; 206:678–680 Men (and Women) in Academic Radiology: How Can We Reduce the Gender Discrepancy? Lars J. Grimm, Jennifer Ngo, Etta D. Pisano, Sora Yoon Cardiovasc Intervent Radiol (2018) 41:1241–1253 The Interventional Radiology (IR) Gender Gap: A Prospective Online Survey by the Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE) Tze Min Wah, Anna Maria Belli Cardiovasc Intervent Radiol. 2018 Aug;41(8): 1254-1256. Fighting the Gender Gap in Interventional Radiology: Facts and Fiction Relating to Radiation. Jaschke W1, Bartal G2, Trianni A3, Belli AM4. Insights Imaging. 2019 Feb 13;10(1):16. Interventional radiology in European radiology departments: a joint survey from the European Society of Radiology (ESR) and the Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE). 157 Gender Gap in der Radiologie

Abb. 1: Ein ganz normaler Tag in der Radiologie MTRA Gerät defekt; Terminverzögerung Patient Termin vor 30 Minuten Radiologe morgendlichen Frühbesprechung; Vorbereitung auf den Arbeitstag Unfall patient fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit informiert über Verzögerung erfährt von Gerätedefekt Unfall an der Kreuzung gemeinsame Absprache trinkt Kaﬀee; danach zurück zur Wartezone beobachtet andere Patienten, die kommen und gehen mit dem Rettungs- wagen in die Klinik Ankunft in Notaufnahme Defekt behoben; klärt zur Untersuchungen möglich Untersuchung auf wird im CT untersucht; Bilder werden aus- gewertet und der Fachärtztin präsentiert; Patient wird versorgt sieht Unfall eingeliefert Patient wird untersucht und kurz über Befund informiert Intensiv- station weitere Patientenversorgung Verabschiedet sich und geht nach Hause 159 Parallele Universen in der Radiologie

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Interventionen: Wenn Radiologie zur Therapie wird Vera Breier Kapitel II – Struktur Dass in der Radiologie durch bildgebende Verfahren Befunde und Diagnosen erstellt werden, wissen viele Menschen aus eigener Erfahrung. Dabei ist immer ein Team im Einsatz. Zu ihm gehören neben den Radiologinnen die Medizinischtechnischen Radiologieassistenten (MTRA) – sie bereiten die Untersuchung vor, empfangen die Patienten und führen mit ihnen nach Abspra- che mit der Radiologin die Untersuchung durch. Im Hintergrund stehen die Medizinphysikexperten, die in Zusammenarbeit mit MTRA und Radiologinnen Dosis und Höhe der Strahlen- belastung überwachen. Während der eigentlichen Unter- suchung – also dem Einsatz der radiologischen Geräte – laufen zur Kontrolle digitale Dosismanagementsysteme. Was wiederum nur wenige wissen: Die multidisziplinären Teams in der Radiologie werden häuﬁg auch zu therapeutischen Teams, die durch minimal-invasive operative Eingriﬀe Krank- heiten über die reine Bildgebung hinaus erkennen und auch heilen. Dabei arbeiten immer Radiologinnen und MTRA Hand in Hand. Im Folgenden sollen in drei Bildergeschichten aus dem Alltag der Radiologie in einem Krankenhaus häuﬁge Interven- tionen vorgestellt werden. 160

Brustkrebsrisiko Radiologische Untersuchung Vorgeschichte: Eine 37-jährige Patientin, deren Mutter und Groß- mutter vor dem 50. Lebensjahr an Brustkrebs erkrankt waren, kam zur intensivierten Früherkennungsuntersuchung der Brust. Abb. 1: Es wurde eine MRT-Mam- mograﬁe durchgeführt. Die Aufnahme zeigt einen krebsverdächtigen Herd. Abb. 2: Unter MRT-Kontrolle wurde mit einer Nadel Gewebe aus dem verdächtigen Herd entnommen. Der Eingriﬀ dauerte weniger als eine Stunde. Die Gewebeprobe zeigte, dass es sich um einen gutartigen Kno- ten handelte. Brustkrebs konnte daher sicher ausgeschlossen werden. Eine Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung waren nicht notwendig. Intervention Ergebnis 161 Interventionen

Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – sog. „Schau- fensterkrankheit“ Radiologische Untersuchung Vorgeschichte: Eine 55-jährige Patientin hatte seit einem Jahr beim Laufen Schmerzen in beiden Oberschenkeln, rechts waren sie stär- ker als links. Sie musste deswegen in der Ebene nach 100 Metern stehenbleiben. Sie wohnte mit ihrem pﬂegebedürftigen Mann im 4. Stock eines Hauses ohne Aufzug und konnte ohne Schmerzen nur ein Stockwerk Treppen steigen. Durch eine jahrzehntelange Zuckerkrankheit (Diabetes) und eine erbliche Fettstoﬀwechsel- störung hatte die Patientin ein hohes Risiko für Gefäßkrankheiten wie Arteriosklerose (auch Arterienverkalkung genannt). Intervention Abb. 3: Die Untersuchung durch eine digitale, röntgen- gestützte Subtraktions- Angiograﬁe, bei der nur die Gefäße dargestellt und zum Beispiel Knochen ausgeblendet (subtrahiert) werden, lieferte eine Dar- stellung der Schlag adern (Arterien) im Becken. In der Ansicht von vorne wurde deutlich: Die rechte Beckenschlagader war vollständig verstopft (Pfeil), die linke Beckenschlagader eingeengt. Abb. 4: Angioplastie: Mit Ballon-Katheter und Stent (inneres Drahtgeﬂecht) wurden die Becken- schlagadern auf beiden Seiten unter Kontrolle der Angiograﬁe wieder aufgedehnt. Abb. 5: Nach der Aufdehnung zeigte sich in der Angio- graﬁe der freie Blutﬂuss durch die Becken schlag- adern zu beiden Beinen. Der Eingriﬀ in örtlicher Betäubung über dünne Katheter (2,2 mm Durch- messer) erfolgte ohne OP-Schnitt und dauerte 35 Minuten. Ergebnis Nach einem Krankenhausaufenthalt von zwei Tagen konnte die Patientin wieder ohne Beschwerden Treppen steigen. Kapitel II – Struktur 162

Schlaganfall Radiologische Untersuchung Intervention Vorgeschichte: Bei einer 80-jährigen, bislang lebenslustigen Patientin, die gerne und viel reiste, trat zwei Stunden vor der radiologischen Intervention eine plötzliche Lähmung der ge- samten rechten Körperhälfte auf. Die Patientin konnte zudem nicht mehr sprechen. Ihr Ehemann rief sofort einen Notarzt, der einen Schlaganfall diagnostizierte. Abb. 6: In der digitalen röntgen- gestützten Subtraktions- Angiograﬁe zeigte die Darstellung der Gehirn- schlagader links in der Ansicht von vorne, dass die Schlagader vollständig durch einen Blutpfropfen verstopft war (Pfeil). Dadurch war die linke Gehirnhälfte nicht mehr hinreichend durchblutet. Abb. 7: Durch das Verfahren der Thrombektomie, bei dem mit Hilfe eines Katheters unter Röntgenkontrolle der Pfropfen aus geronnenem Blut (Thrombus) abgesaugt wird, konnte die voll ständige Durchblutung der linken Gehirnhälfte wieder her- gestellt werden. Der Eingriﬀ unter Vollnarkose dauerte nur wenig mehr als eine Stunde. Ergebnis Die Patientin konnte nach 12 Stunden wieder sprechen und den rechten Arm und das rechte Bein bewegen. Nach einer Reha- Behandlung war die Patientin wieder vollständig beschwerdefrei. 163 Interventionen

Radiologie ist Veränderung Los geht es schon im Medizinstudium Weiterbildung zum Facharzt Facharztprüfung 165 Fort- und Weiterbildung Das junge Fachgebiet feiert 2020 erst seinen 125. Geburtstag. Von der Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895, mit denen man plötzlich in den menschlichen Körper sehen konnte, über komplexe dreidimensionale Bilder aus der Computer tomograﬁe (CT) und angiograﬁsche Interventionen bis hin zur Erﬁndung der Magnetresonanztomograﬁe (MRT) Ende des letzten Jahr- hunderts hat sich viel getan. Und es hört noch lange nicht auf! Verbesserungen der CT-, Röntgen- und MRT-Technik führen zu schnelleren, besseren Untersuchungen mit weniger Strahlenbelastung und höherem Patientenkomfort. In diesem Jahrzehnt kommen Künstliche Intelligenz, Radiomics und Machine Learning hinzu. Um mit der rasanten technischen Ent- wicklung in der Radiologie und den zunehmenden therapeuti- schen Möglichkeiten, die immer detailliertere Diagnostik verlangen, Schritt zu halten, muss die Radiologin viel lernen – lebenslang. Mit der Radiologie-Vorlesung und ersten praktischen Erfahrungen in Kursen im Medizinstudium beginnt der Bildungsweg von Radio- loginnen und Radiologen. Über drei Viertel der Assistenzärztinnen in der Radiologie entscheiden sich schon während oder direkt nach dem Studium für das Fach. Für sie macht insbesondere die spannende klinische Arbeit die Radiologie attraktiv – also das genaue Gegenteil vom Einzelgänger-Kellerkind-Image, das einige noch mit Radiologen in Verbindung bringen. Im Gegenteil! Gerade die Mischung aus Diagnostik und Intervention, die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die neuen technischen Entwicklungen schätzen die angehenden Radiologinnen. Nach der Approbation kann man mit der Weiterbildung zum Facharzt beginnen. Sie fängt in der Regel beim Röntgen an – der häuﬁgsten Untersuchungsmethode in der Radiologie. Weiter geht’s mit CT und Sonograﬁe, um dienstﬁt zu werden. Nach etwa einem Jahr können angehende Radiologinnen allein Nachtdienste besetzen, Schockräume betreuen, Notfalluntersu- chungen befunden und mit den Kollegen anderer Disziplinen be- sprechen. Es folgen sogenannte „Rotationen“: Die angehenden Fachärztinnen durchlaufen verschiedene Stationen wie MRT, Angiograﬁe, Brustdiagnostik und Kinderradiologie. Sie werden nicht nur in den einzelnen Bildgebungsmodalitäten ausgebildet, sondern zum Beispiel auch in der angiograﬁschen Therapie von Blutungen, der Drainage von Abszessen oder der Probenent- nahme aus Tumoren. Dabei lernen sie – vom Neu geborenen bis zum Greis – das gesamte Spektrum der Patienten im Kranken- haus kennen. Die Weiterbildung in Deutschland ist über die Musterweiter- bildungsordnung der Bundesärztekammer vorgegeben und wird von den Landesärztekammern in jedem Bundesland angepasst. Hier ist genau festgelegt, wie viele Röntgenbilder oder MRT- Unter suchungen ein Assistenzarzt befundet haben muss, bevor er sich für die Facharztprüfung anmelden darf. Das geht frühes- tens nach fünf Jahren Weiterbildung. ↘

Zusatzweiterbildung Fortbildung Umfrage: Ein Bildungsweg, der zufrieden macht Doch auch nach der Facharztprüfung ist nicht Schluss mit dem ständigen Lernen. Wer sich weiter spezialisieren möchte, kann sich für eine Zusatzweiterbildung entscheiden, die im Schnitt zwei bis drei Jahre dauert. Dies betriﬀt die Fächer Kinderradio- logie und Neuroradiologie. Zertiﬁzierungen in umschriebenen Themengebieten wie Muskuloskelettaler Radiologie, Herz-CT oder Prostata-MRT bieten die Arbeitsgemeinschaften der Deut- schen Röntgengesellschaft an. Diese Zertiﬁkate können Patien- ten und Zuweiserinnen bei der Suche nach Spezialisten helfen. Radiologinnen sind, wie alle anderen Ärztinnen auch, verpﬂichtet, sich regelmäßig fortzubilden. Nur so können sie auf dem neu- esten Stand der wissenschaftlichen Entwicklungen die beste Medizin anbieten. Diese Fortbildung kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen: auf Kongressen, Fortbildungsveranstaltungen und bei Online-Fortbildungen. Kongresse und Fortbildungen bieten dabei die Möglichkeit, Kollegen zu treﬀen und sich mit ihnen auszutauschen. Der größte deutschsprachige Kongress ist der Deutsche Röntgenkongress, der jährlich von der Deut- schen Röntgen gesellschaft veranstaltet wird. Dass jungen Radiologen ihre Arbeit Spaß macht, zeigt eine aktuelle, nationale Weiterbildungsumfrage des Forums Junge Radiologie in der Deutschen Röntgengesellschaft von 2018. Über zwei Drittel der Teilnehmer sind zufrieden mit ihrer augen- blicklichen beruﬂichen Situation – das sind mehr als in allen anderen befragten Fachbereichen! Kapitel II – Struktur 166

Abb: 1: Was macht das Fach Radiologie für Sie attraktiv? Spannende klinische Arbeit Mischung Diagnostik und Intervention Gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf Neue technische Entwicklungen Gutes Arbeitsumfeld Verdienstmöglichkeiten Forschungsmöglichkeiten Flexible Arbeitszeiten Alle Antworten über 10 %; Ergebnisse der deutschlandweiten Weiterbildungsumfrage Radiologie 2018 des Forums Junge Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft Teilnehmer: 501 Ärzte in radiologischer Weiterbildung. Mehrere Antworten möglich. 74 % 51 % 35 % 35 % 30 % 18 % 16 % 12 % 80 % 0 % 20 % 40 % 60 % Abb. 2: Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrer augenblicklichen beruﬂichen Situation 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % sehr zufrieden eher zufrieden unentschieden eher unzufrieden sehr unzufrieden Anästhesie (n=844) Innere Medizin (n=1695) Urologie (n=384) Gynäkologie (n=391) Gesamt (n=3314) Radiologie (n=501) Die Arbeits- und Weiterbildungssituation junger Ärztinnen und Ärzte in Deutschland – eine zusammenfassende Analyse von Befragungsergebnissen aus sechs Fachrichtungen, Stephanie C. Joachim et al., im Review bei Das Gesundheitswesen. 167 Fort- und Weiterbildung

Mit guter Kommunikation Vertrauen schaﬀen 169 Die Sprachen der Radiologie Ich bin Radiologin, oder um es ganz genau zu sagen: Ich bin Kinderradiologin. Warum ich dieses Fachgebiet gewählt habe? Genau deshalb, weil ich damals als Kinderärztin die verschie- denen interessanten Techniken für mich entdeckt habe, die es erlauben, in den menschlichen Körper zu blicken. Es begeistert mich, diese Bilder zu lesen und aus ihnen hilfreiche Diagnosen zu stellen. Egal ob Allgemeinradiologen, Neuroradiologinnen oder Kinderradiologen, es liegt nahe, dass alle meine Kollegin- nen und Kollegen eine Aﬃnität zu Bildern und Technik haben. Sonst wäre ein erfülltes Berufsleben, bei dem man nicht nur werktags, sondern im Bereitschaftsdienst auch am Wochen- ende und in der Nacht mit Bildern arbeitet, ja nicht vorstellbar. Aber diese Bilder sind vor allem Mittel zum Zweck. Unser eigent- liches Ziel ist und bleibt es, den Menschen zu helfen, Beschwer- den zu lindern und Krankheiten zu heilen. Für dieses Ziel muss die Radiologin zunächst die Unter- suchung optimal durchführen und die dabei entstandenen Bilder richtig interpretieren. Mindestens genauso wichtig ist es aber, dass sie ihre Erkenntnisse in geeigneter Form an die behandeln- den Ärzte und auch an die Patientinnen und Patienten weiter- gibt. Spätestens hier kommt die Sprache ins Spiel. Unser Beruf hat viel mit Technik und Datenverarbeitung zu tun, aber noch viel mehr mit Menschen, in meinem Fachgebiet auch mit sehr kleinen Menschen. Gute Kommunikation ist daher ein ganz we- sentliches Element unserer ärztlichen Tätigkeit. Sie ﬁndet in vielen verschiedenen Formen und in ganz unterschiedlichen „Sprachen“ statt. Jeden Tag kommen viele Menschen mit ihren individuellen Pro- blemen in eine radiologische Abteilung oder Praxis. Ganz gleich ob bei einer Röntgenaufnahme, einer Computertomograﬁe oder einer Magnetresonanztomograﬁe, die eigentliche Untersuchung kann nur dann gelingen, wenn die Radiologin oder der Medizi- nisch-Technische Radiologieassistent (MTRA) dem Patienten die Untersuchung verständlich erklärt und ihn durch den ganzen Ablauf führt. Während ein Erwachsener meist vor allem über das mögliche Ergebnis besorgt ist, kann für ein Kind bereits eine einfache Ultraschalluntersuchung beängstigend sein. Erklärun- gen wie „Wir schauen gemeinsam deinen Bauch im Fernseher an. Wir brauchen ein Gel, das so ähnlich ist wie Marmelade. Die kleine Kamera (den Schallkopf) darfst du mal anfassen, damit du merkst, dass sie nicht wehtut“ machen die Vorgänge konkre- ter und vertrauter. Auch Erwachsene mit Handicap haben ein Recht auf eine angemessene Erläuterung dessen, was bei einer Untersuchung mit ihnen passiert. In diesen Momenten sind neben der richtigen Wortwahl vor allem Flexibilität und Einfüh- lungsvermögen wichtig, um jedem einzelnen Menschen gerecht zu werden. Hier gilt es, mit Worten Vertrauen aufzubauen, Sicherheit zu geben und zwischen der hochtechnisierten Um- gebung einer radiologischen Abteilung und den besonderen Bedürfnissen und Emotionen eines individuellen Patienten zu vermitteln. Gerade diese Verbindung von sich ständig entwi- ckelndem technischem Know-how und menschlicher Zuwen- dung ist etwas Besonderes an unserem Beruf. ↘

Präzise Fachsprache(n) für den ärztlichen Informationsaustausch Eine ganz andere Art der Sprache ist gefragt, wenn wir die Bilder angefertigt haben. Jetzt geht es darum, die Ergebnisse und Diagnosen an die Ärzte weiterzugeben, die auf dieser Grundlage die jeweilige Therapie festlegen, beispielsweise eine Medikation oder eine Operation. An dieser Stelle sind unser ganzes radiologisches Wissen und unsere Erfahrung gefragt, denn die Bilder zeigen vieles ganz direkt, manches aber nur sub- til oder indirekt. Sie müssen also genau analysiert und interpre- tiert werden. Das ist manchmal leicht, manchmal ist aber auch echte Detektivarbeit gefragt. Ähnlich wie ein Fotograf, der genau weiß, mit welcher Blende und Belichtung er in einem Foto einen bestimmten Eﬀekt erzeugt, müssen auch wir bei der Beurteilung radiologischer Bilder immer die Technik im Hinterkopf haben, mit der sie gemacht wurden. Nur dass diese nicht durch Licht- einfall entstehen, sondern mithilfe von Röntgenstrahlen, Mag- netfeldern oder Ultraschallwellen erzeugt werden. Die Bilder sind digital, also von speziellen Computern berechnet, und kön- nen auch fehlerbehaftet sein bzw. sogenannte Arte fakte (Kunst- produkte) zeigen, die eigentlich gar nicht existieren. Es ist die Verantwortung einer Radiologin, dies bei der Deutung der Bilder zu berücksichtigen. Sie muss die jeweiligen Untersuchungser- gebnisse also werten und gewichten und ihre Kollegen schnell, unkompliziert und eindeutig über die relevanten Punkte infor- mieren. Wenn beispielsweise eine Besprechung mit dem Chirur- gen zur Planung einer Operation angesetzt ist, möchte dieser exakte anatomische Details erfahren, z. B. über die Lage eines Tumors in Beziehung zu wichtigen Nerven und Blutgefäßen. Für diesen Zweck muss unsere Sprache sehr präzise sein, um Miss- verständnisse zu vermeiden. Sie ist dann voller Spezialbegriﬀe, Kurzformen und Abkürzungen, in der Emotionen auch dann keinen Platz haben, wenn es um schwerwiegende Erkrankungen geht. Diese Terminologie mit klar deﬁnierten Schlüsselwörtern ermöglicht eine zeitsparende und genaue Kommunikation unter Spezialisten. Dabei sind die Vokabeln und Abkürzungen der ver- schiedenen medizinischen Fachgebiete durchaus unterschied- lich, sodass man als Radiologe viele dieser „Fachsprachen“ be- herrschen muss, um angemessen kommunizieren zu können und genau zu wissen, welche Information der zuweisende Kol- lege braucht. Kapitel II – Struktur 172

Wie sich Arzt-Patienten-Kommunikation und Fachkommunikation unterscheiden Eine Patientin hatte sich bei einem Unfall das Knie verrenkt, sodass die Kniescheibe heraussprang. Die Befundangaben der Radiologin: „MPFL intakt. TTTG-Distanz 1,4 cm. Déjour A.“ sind für den über- weis enden Orthopäden präzise Angaben, aus denen er klare Schluss - folgerungen ziehen kann. Diese Formulierung wäre dagegen im Gespräch mit der betroﬀenen Patientin völlig unangebracht. Ihr kann man erklären, dass der Halteapparat der Kniescheibe nicht geschädigt ist und auch keine Neigung zu einem erneuten Heraus- springen zu erkennen ist. Gerade bei der Diagnostik seltener und komplexer Erkran- kungen ist die Radiologie sowohl im übertragenen, als auch im direkten, räumlichen Sinn ein Zentrum der ärztlichen Kommu- nikation. In interdisziplinären Besprechungen treﬀen sich die Kollegen der verschiedenen Fachdisziplinen oft in der Radio- logie, um anhand der Bilder gemeinsam die Befunde und die daraus entstehenden Konsequenzen zu diskutieren. Bei der Behandlung von Krebserkrankungen sind diese sogenannten Tumor-Boards ein wesentlicher Bestandteil des Vorgehens und werden von Leitlinien und Zertiﬁzierungskommissionen emp- fohlen oder sogar gefordert. Aber auch eine Fremdsprache im eigentlichen Sinn ge- hört zum Alltag einer Radiologin. Immer dann, wenn ich bei der Auswertung der Bilder auf sehr seltene Erkrankungen und damit an die Grenzen meines eigenen Wissens stoße und Informatio- nen aus der Fachliteratur oder Unterstützung aus einem Exper- tennetzwerk brauche, sind meine Englischkenntnisse gefordert. Denn Englisch ist die Sprache der internationalen Fachliteratur und der aktuellen wissenschaftlichen Veröﬀentlichungen. Ob mit Hilfe eines persönlichen Gesprächs oder einer speziellen Suchmaschine, beim internationalen Austausch helfen engli- sche Fachbegriﬀe dabei, schnell zur richtigen Information zu gelangen. Auf den ersten Blick sind die Größe der Geräte und die Vielzahl der Computer und Bildschirme oft das, was an der Ra- diologie am meisten beeindruckt. Für mich sind es jedoch die Menschen, die sich dort begegnen, auf vielfältige Weise mit- einander sprechen, und der Radiologie ihren eigentlichen Sinn geben. 173 Die Sprachen der Radiologie

Wilhelm Conrad Röntgen hat mit seiner Entdeckung der X-Strahlen die Tür geöﬀnet für einen beispiellosen Triumphzug medizinisch-technischer Entwicklungen: erst der Ultraschall (US), dann die Computertomograﬁe (CT), die Magnetresonanztomograﬁe (MRT) und schließlich hybride bild- gebende Systeme wie PET-CT und PET-MRT. Weitere Techniken wie die Phasenkontrastradiograﬁe oder Verfahren, die nicht auf der Anwendung von Röntgenstrahlen basieren, wie z. B. die optische Bildgebung, sind auf dem Weg in den klinischen Alltag. Ob Gerätetechnologie, Kontrastmit- telforschung oder interventionelle minimal-invasive Therapie: Ohne die Innovationskraft der Radiologie wären solche bahnbrechenden Umset- zungen nicht möglich gewesen. Damit hat das Fach wie kaum ein anderes in den letzten hundert Jahren den medizinischen Fortschritt bestimmt. Frühzeitig hat die Radiologie die neuen Methoden der Bilderzeu- gung, Bildnachverarbeitung und Speicherung genutzt, sodass mittler- weile bildbasierte Informationen uneingeschränkt digital verfügbar sind. Damit bietet sich auch die Chance, Therapieentscheidungen nachhaltig zu verbessern und individualisierte Behandlungs- und Überwachungs- strategien zu entwickeln. Voraussetzung hierfür ist eine strukturierte, detaillierte und quantitative Analyse dieser bildbasierten Informatio- nen. Bereits jetzt können über spezielle Computerverfahren und mit- hilfe von Algorithmen Bilddaten in großem Umfang erfasst, klassiﬁziert und korreliert werden. In jüngster Vergangenheit ist daher ein neues Forschungsgebiet entstanden, das unter dem Namen „Radiomics“ die systematische, rechnergestützte Analyse von Bilddaten entlang einer hohen Anzahl unterschiedlicher Bildmerkmale in Korrelation zu moleku- larbiologischen und klinischen Diﬀerenzierungsmerkmalen zum Ziel hat. Im Mittelpunkt stehen dabei die Daten, die für die personalisierte Medizin eine hohe Relevanz haben, um Versorgungsqualität und Kosteneﬃzienz zu verbessern. Der Radiologe von morgen wird deshalb nicht nur ein medizinischer Experte sein, sondern darüber hinaus auch ein integrie- render „Informatiologe“, der aufgrund seines umfangreichen Wissens über den gesamten Krankheitsverlauf eines Patienten seine Rolle als Primärbehandler deutlich ausbauen wird. Radiomics unterstreichen beispielhaft die besondere Bedeutung des Wandels in der Radiologie. Sie verkörpert gewissermaßen den „gol- denen Schnitt“ zwischen klinischer Kompetenz und technischer Innova- tion. Radiologie eröﬀnet Möglichkeiten einer technikgetriebenen Opti- mierung medizinischer Diagnostik und Therapie auf der Grundlage der Qualitätssicherung. Oftmals entstehen erst in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlich-klinisch tätigen Radiologinnen aus technischen Ideen auch neue Perspektiven in der klinischen Medizin. ↘ Innovation. Radiologie als Motor technischen und medizinischen Wandels 175

Ökonomie. Radiologie zwischen Wirtschaftlichkeit und Profitinteressen Radiologische Praxen, Abteilungen und Institute stehen heute vor erheb- lichen ökonomischen Herausforderungen: Die Kosten für den Einsatz einer immer komplexer werdenden Technik steigen. Um wirtschaftlichen Vorga- ben zu genügen, steigt damit auch der Effizienzdruck. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an eine bedarfsgerechte, patientenfokussierte medizi- nische Versorgung. In der stationären Versorgung haben die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) und die verpflichtende Einführung eines Qualitätsmanagements umfassende Neustrukturierungsprozesse ausgelöst. Für die klinische Radiologie hat die pauschalierte Leistungsvergütung zudem zur Folge, dass nicht nur die Kosten, sondern auch die Notwendigkeit von Leistungen stärker hinterfragt werden müssen. Als Querschnittsdisziplin mit vielen Verbindungen zu anderen Versorgungsbereichen ist das Management von Abläufen und Schnittstellen wesentliche Voraussetzung für Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Um Patientenversorgung und Wirtschaftlichkeit in Ein- klang zu bringen, wurden in den letzten Jahren verschiedene organisationale Lösungsansätze entwickelt – beispielhaft sind hierbei: – neue Ansätze in der Definition von internen Prozessen (Imaging Pathway) und organisatorischen Strukturen (Imaging Center), – die Ausrichtung auf vernetzte Versorgungsangebote, die nicht nur interdisziplinär, sondern auch intersektoral angelegt sein können, – die Implementierung digitaler Lösungen im Rahmen der Patienten- aufklärung und Erhebung von Patientendaten, – der Einsatz von Assistenzsoftware für Termin- oder Scanplanung, Teleradiologie etc. Ökonomisches Denken und Handeln ist auch bzw. gerade in der ambulan- ten Radiologie besonders relevant, denn niedergelassene Radiologinnen müssen hohe Investitionen tätigen, um ihren Patienten modernste und spe- zialisierte Medizintechnik anbieten zu können. Mit der Einführung von Medi- zinischen Versorgungszentren (MVZ) wurden Beschäftigungsmöglichkeiten für Radiologinnen geschaffen, die außerhalb der Krankenhausversorgung arbeiten wollen, ohne sich selbständig zu machen. Gleichzeitig wurde damit der Markt für neue Wettbewerber geöffnet, die ebenfalls ein MVZ betreiben dürfen – beispielsweise Krankenhäuser, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder Apotheker. Damit wurde auch die Möglichkeit geschaffen, dass Finanzanle- ger verstärkt in ambulante Gesundheitseinrichtungen und Praxen investie- ren, oder auch ganze Krankenhäuser kaufen können. Gerade technik- und kapitalintensive Fachdisziplinen wie die Radiologie rücken dabei in den Fo- kus des Finanzmarktes. Herkömmliche radiologische Einzelpraxen stehen deshalb zunehmend in einem Wettbewerb mit größeren Praxisketten. Ob die Sorge berechtigt ist, dass Kapitalinteressen und Renditeversprechen auch medizinische Entscheidungen beeinflussen und in der Radiologie die Freiberuflichkeit nachhaltig gefährden können, wird die Zukunft zeigen. Kapitel III – Entwicklung 176

Für die Diagnose und Therapie von häuﬁgen, gleichwohl komplexen Er- krankungen gewinnen zunehmend interdisziplinäre Behandlungsansätze an Bedeutung. Es werden Versorgungszentren gebildet, die insbesondere die Verbindungen zwischen der ambulanten und stationären Versorgung in der Region stärken sollen. Im Mittelpunkt steht dabei die Ausrichtung aller Behandlungsabläufe auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten. Dafür müssen kompetente und spezialisierte Vertreter der jeweiligen Fachrichtungen zusammenﬁnden, kooperativ und konstruktiv zusam- menarbeiten und dafür Sorge tragen, dass sowohl Qualitätsstandards, als auch Mindestmengen bei der Behandlung der jeweiligen Krankheit eingehalten werden. Das zugrunde liegende Prinzip heißt: Nicht in der Konkurrenz, sondern in der Kooperation liegen die Vorteile. Zertiﬁzierun- gen dieser Zentren durch die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) und andere medizinische Fachgesellschaften sollen dazu beitragen, Abläufe noch klarer zu strukturieren, Verantwortlichkeiten eindeutig zuzuweisen, Strukturveränderungen anzustoßen, die Interdisziplinarität zu stärken und letztendlich so zur weiteren Qualitätsverbesserung und -sicherung beizutragen. Ein bekanntes und erfolgreiches Beispiel für ein ﬂächendeckendes Versorgungsnetz ist das System der Stroke-Units der Deutschen Schlag- anfall-Gesellschaft e. V. (DSG). Der Schlaganfall ist in Deutschland mit ca. 260.000 Fällen jährlich eine der häuﬁgsten Erkrankungen und die dritt- häuﬁgste Todesursache. Stroke Units sind Organisationszentren für die umfassende Versorgung von Schlaganfall-Patienten. Ein Team verschie- denster Fachärzte arbeitet hier eng zusammen und erstellt individuelle Behandlungskonzepte, um Patienten bestmöglich versorgen zu können. Bereits seit dem Jahr 2012 müssen diese überregionalen Versorgungs- einheiten auch über das fachärztliche Personal verfügen, das schwere ischämische Schlaganfälle durch Thrombektomie behandeln kann. Dabei wird das Blutgerinnsel mithilfe eines Kathetersystems (Stent-Retriever) unter angiograﬁscher Bildkontrolle entfernt. (Neuro-)Radiologinnen ver- fügen über das notwendige pathophysiologische und technische Wissen, das zur erfolgreichen Anwendung dieses Verfahrens an Hirngefäßen not- wendig ist. Die Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) hat ge- meinsam mit der DRG und der Deutschen Gesellschaft für Interventio- nelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) eigens hierfür eine Zertiﬁzierung eingerichtet, um eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit fach- speziﬁsch weitergebildeten Fachärztinnen in Deutschland ﬂächendeckend gewährleisten zu können. Mittlerweile ist die Technik der Thrombektomie soweit verfeinert worden, dass beinahe 90 Prozent aller betroﬀenen Ge- fäße bei Patienten wieder eröﬀnet werden können. Organisation. Optimale Patienten- versorgung durch interdisziplinäre Versorgungszentren 177

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Radiologie der Zukunft. Ein Gespräch Lale Umutlu und Michael Bock Radiologie ist eine Fachdisziplin, die sich durch steten Fortschritt in Technik und Technologien ausgezeichnet hat und auszeichnet – angefangen mit der Entdeckung der Röntgenstrahlung bis zur Implementierung der Spiral- Com putertomograﬁe (CT) und Magnet- resonanztomograﬁe (MRT). Kontinu ier- licher Wandel ist ein fester Bestandteil der Radiologie, um dem Anspruch einer Präzisionsdiagnostik Schritt für Schritt näher zu kommen. Wie sich die Zukunft der Radiologie entwickeln könnte, und welche sowohl technischen, als auch gesellschaftlichen Veränderungen hier bei eine Rolle spielen könnten, diskutier en Lale Umutlu und Michael Bock. Kapitel III – Entwicklung 192

Bock Für mich ist die Einführung der kontrastmittelunterstütz- ten MR-Angiograﬁe eines der besten Beispiele einer erfolgrei- chen neuen Technologie. In den 1980er und 1990er Jahren gab es sehr viele unterschiedliche MRT-Techniken, um die Blutge- fäße darzustellen, aber im Abdomen hat keine so richtig funk- tioniert. Dann kam Martin Prince, injizierte Kontrastmittel und verfolgte den Durchlauf des Kontrastmittels mit einer schnellen MR-Bildgebung. Plötzlich konnte man alle Arterien im Abdomen und in den Beinen mit einer einzigen Untersuchung abbilden – das war phänomenal. Schon wenige Jahre danach hat man kaum noch diagnostische Angiograﬁen mit Röntgenstrahlung durchgeführt, weil es viel einfacher war, das jetzt mit der MRT zu machen. Die kontrastmittel-verstärkte MR-Angiograﬁe hat natürlich auch einen Hype ausgelöst. Aber dass sie mehr als ein Hype ist, merkt man daran, dass sie immer noch verwendet wird, eben weil sie auch einen klinischen Bedarf deckt. Umutlu Ich stimme Ihnen da zu 100 Prozent zu. Als technik- und technologieaﬃnes Fach ist die Radiologie stets Neuentdeckun- gen ausgesetzt, die häuﬁg auch „Hypes“ auslösen. Ob aber eine Neuentdeckung auch den Hype wert ist, erkennt man erst an ihrer Translation in die klinische Routine. Schaﬀt sie die Trans- lation und wird sie von einer Mehrheit der Radiologen angewen- det, sei es auf universitärem Boden oder in einer Praxis, dann rechtfertigt der Erfolg auch den Hype um sie. Umutlu Der Trend geht meiner Meinung nach dahin, das ultima- tive „All-in-one“-Gerät zu entwickeln. Ein diagnostisches Tool, das uns schnelle, hochaufgelöste Diagnostik mit möglichst ge- ringer Strahlung ermöglicht. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Vorteile in einem Bereich möglicherweise mit Nachteilen in anderen Bereichen einhergehen, beispielsweise bei der Kos- teneﬃzienz oder der ubiquitären Anwendbarkeit. Man muss die Ansprüche an neue Technologien realistisch halten und darf sich nicht der Illusion von Perfektion hingeben. Genauso wenig wie es Perfektion in der Medizin gibt, gibt es diese in der Radiologie. Bock Neben der Kombination von diagnostischen Geräten ist für mich auch ein Trend, dass es vermehrt Geräte gibt, mit de- nen man Therapien unterstützen kann, die bisher ohne Bildge- bungskontrolle ausgekommen sind. Ein gutes Beispiel ist die MRT-geführte Strahlentherapie: Hier kombiniert man eine Strahlenquelle mit einem MR-Tomografen und nutzt den guten Weichteilkontrast in der MR-Bildgebung zur Lagekontrolle des Tumors während der Bestrahlung. ↘ Neue Technologien erzeugen schnell Hypes – auch in der Radiologie. Aber was macht eine neue Technologie zu einer erfolgreichen? Hybridgeräte, also Kombinationen aus mehreren Tomo grafen, waren lange Zeit ein Trend. Wohin geht die Entwicklung? 193 Radiologie der Zukunft

In der Medizin ist längst das Zeitalter der „-omics“ angebrochen. Wie positioniert sich die Radiologie in diesem Umfeld? Schon eine einzige radiologische Patienten- untersuchung erzeugt eine Vielzahl von Daten. Wie können wir Künstliche Intelligenz dazu nutzen, diese Daten besser zu analysieren? Umutlu Es liegt in der Natur der Radiologie als digitales Bildge- bungsfach, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wir alle haben jah- relang Millionen von digitalen Bilddatensätzen erzeugt und vor- nehmlich qualitativ und subjektiv analysiert. Ihren Wert als Dateninformationsträger für computergestützte algorithmische Analysen haben wir erst vor Kurzem verstanden. Die kommen- den fünf bis zehn Jahre werden einen wichtigen Wendepunkt in der Radiologie darstellen. Wichtig ist, dass wir als Radiologen fest im Sattel bleiben und aktiv bei der Validierung und Imple- mentierung von Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in der Radiologie mitarbeiten, damit wir unsere Zu- kunft selbst bestimmen können. Bock Ich sehe schon, dass die molekulare Diagnostik und The- rapie, also die Genomik und Metabolomik, die Medizin in Zukunft verändern werden. Das heißt aber nicht, dass die Radiologie bei diesem Prozess an Wichtigkeit verliert. Vor der Therapie wird auch in Zukunft die Diagnose vielfach abgesichert durch radio- logische Bilder, und der therapeutische Erfolg kann in Bildern dokumentiert und auch quantiﬁziert werden. Hier spielt die Radiologie eine entscheidende Rolle. Außerdem wird es mög- licherweise durch den Einsatz neuer Techniken möglich werden, die molekularen Therapien direkt mit radiologischen Verfahren zu verfolgen – ich denke da beispielsweise an hyperpolarisierte Substanzen für die MRT. Das ist ein aktuelles Gebiet der Forschung, und ich bin gespannt, wie es sich in Zukunft entwi- ckeln wird. Bock Ich denke, in der Radiologie ist die Künstliche Intelligenz ein Forschungsfeld, das viele Hoﬀnungen weckt. Auf allen Kon- ferenzen sieht man Beiträge dazu, und ich ﬁnde es prinzipiell auch sehr gut, dass man versucht, in den erhobenen Daten vielleicht noch verborgene Informationen zu extrahieren. Ich denke, hier sind wir gerade dabei, herauszuﬁnden, welche Me- thoden die besten Ergebnisse liefern – wir sollten aber auch nicht vergessen, dass die Ergebnisse nur so gut sein können wie die Daten, die wir einspeisen. So sind die Bildgebungsprotokol- le, die wir verwenden, nicht überall gleich, was zu einer gewissen Variabilität der Bilder führt. Und selbst wenn wir die besten Bil- der der Welt erzeugen, benötigen die Algorithmen der Künstli- chen Intelligenz eine sogenannte ground truth, also eine vom Radiologen deﬁnierte Region um die Läsion – erst damit weiß der Algorithmus, welche Struktur zu identiﬁzieren ist. Die Varia- bilität, die hierdurch eingeführt wird, kann große Auswirkungen auf die Treﬀergenauigkeit der Algorithmen haben. Kapitel III – Entwicklung 196

Wird Künstliche Intelligenz Radiologinnen und Radiologen überﬂüssig machen? Bock Natürlich nicht! Aber ich sehe schon, dass sich die Welt der Radiologie wandeln wird. Viele Dinge, die heute als „Kern- geschäft“ mal geliebt und mal gehasst werden, werden sich ändern. Das Auﬃnden und Auszählen von Läsionen, das müh- same Durchforsten von digitalen Bilderstapeln und vielleicht auch die Auswertung von funktionellen Messungen mit vielen hunderten von Bildern kann durch machine learning sehr ver- einfacht werden. Und wer wird diesen oft lästigen und fehler- anfälligen Arbeiten schon nachtrauern? Umutlu Wie gesagt, die Radiologie beﬁndet sich im Wandel und wenn es eine Fachdisziplin gibt, die kontinuierlichen Wandel ge- wohnt ist, ist es die Radiologie. Ich kenne Kollegen, die erst nach ihrer Facharztweiterbildung MRT gelernt haben, weil es die MRT zuvor noch nicht gab. Wenn diese Kollegen sich vor dem Wandel und der Implementierung der MRT gesperrt hätten, würden sie heute wohl keine Anstellung mehr ﬁnden. Genauso wie die MRT ihren Weg in die klinische Diagnostik gefunden hat, wird es auch die Künstliche Intelligenz tun. Sich davor zu sperren, ist genau der falsche Weg. Abraham Lincoln soll mal gesagt haben „Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestal- ten“. Das gilt aktuell mehr denn je. 197 Radiologie der Zukunft

Die Wissenspyramide der Radiologie Auf der untersten Ebene erzeugen die bildgebenden Systeme Messwerte, die von einem Menschen nicht interpretiert werden können. Die einzelnen Messwerte werden dann als Zeichen mit- tels einer Syntax zu Daten gruppiert. Innerhalb der Radiologie kommen hierzu spezielle Normen und Vereinbarungen, wie DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) und IHE (Integrating the Healthcare Enterprise) zur Anwendung, die von Herstellern und Radiologen gemeinsam entwickelt wurden. Am Ende dieses Prozesses liegen dann Bilddateien vor, die kom- muniziert und weiterverarbeitet werden können. Im nächsten Schritt werden Daten Bedeutungen zugemessen – sie werden zu Informationen. Dieser semantische Schritt wird in der Regel durch Radiologinnen durchgeführt, wenn sie die Inhalte der Bilder beschreiben. Allerdings werden schon jetzt Systeme zur compu- tergestützen Diagnose (Computer Aided Diagnosis, kurz CAD) eingesetzt, um den Vorgang zumindest teilweise zu automatisie- ren und zu unterstützen. Zukünftig ist zu erwarten, dass Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) hier weitere Hilfen für die Radiologie bringen werden. Im letzten Schritt wird aus den Informationen Wissen generiert. Dies ist die rein ärztliche Tätigkeit der Radio- logen: Zusammen mit den Informationen zur Krankengeschichte leiten sie aus den Bildinformationen eine Diagnose und in den meisten Fällen zusätzlich mehrere wahrscheinlichkeitsbasierte Diﬀerentialdiagnosen ab. Auch hier werden KI-Systeme zukünftig Einzug in den Berufsalltag der Radiologinnen halten. Aufgrund der damit verbundenen ethischen und haftungsrechtlichen Probleme wird dies weniger umfänglich sein können als beim Übergang von Messwerten zu Bilddateien und den Beschreibun- gen im Befundbericht. ↘ Abb. 1: Die Pyramide des Wissens und ihre Entsprechung in der Wissenspyramide der Radiologie Wissen Information Daten Zeichen Wertung im Befund- bericht Beschreibung im Befundbericht Bilddaten Messwerte der Scanner 199 Wenn aus Daten Wissen wird

Die Wissenspyramide des Diagnoseprozesses Abb. 2: Wissenspyramide des Diagnoseprozesses In der ambulanten Versorgung ist der Diagnoseprozess klassi- scherweise zusammen mit dem Behandlungspfad in den Händen der Hausärztin angesiedelt. Bei einem Krankenhausaufenthalt sind hingegen zwei verschiedene Szenarien möglich: Entweder ist der Diagnoseprozess in der Abteilung angesiedelt, die den Patienten aktuell behandelt, oder aber er wird innerhalb von Konferenzen realisiert. Immer aber setzt sich der Prozess aus aufeinander aufbauenden Stufen zusammen, die sich ebenfalls als Wissenspyramide darstellen lassen. Am Anfang steht der Gesundheitszustand des Patienten, wie er von Labordiagnostikern (s. in Abb. 2 die Pyramide links), Radiologinnen (Mitte) und Pathologen (rechts) in gestuften Dia- gnoseprozessen untersucht und befundet wird. Die Gesamtheit der drei Wissenspyramiden und die Hinzuziehung anderer In- formationsquellen (dokumentierte Krankengeschichte, Gesprä- che mit dem Patienten u. a.) stellt die Informationsbasis in Form einer integralen Bewertung dar. Hieraus wird nun auf der Grund- lage interdisziplinärer Informationen das Wissen um eine Diag- nose abgeleitet. Diagnose Integrale Bewertung Wissenspyramiden Patient Kapitel III – Entwicklung 200

Interdisziplinarität: gemeinsam zur Diagnose Perspektive Künstliche Intelligenz Neben themenspezifischen Zusammenkünften in Kranken- häusern, wie z. B. Tumor-Boards, an denen neben Vertretern un- terschiedlicher Fachrichtungen wie Chirurginnen und Onkologen auch Radiologinnen teilnehmen, sind hier insbesondere die radio- logisch-klinischen Konferenzen zu nennen. Sie werden meist täg- lich in den Räumen der Radiologie zwischen den Radiologen und den verschiedenen zuweisenden Kliniken abgehalten. Schon heu- te wird in diesen Konferenzen im Sinne eines Dialogs die radiolo- gische Bewertung der Bilddokumente zusammen mit allen ande- ren vorliegenden Informationen diskutiert und ggf. auch geändert. Wenn man perspektivisch davon ausgeht, dass KI auch im Dia- gnoseprozess Einzug hält, könnte sich mittelfristig eine Aus- weitung des Berufsbildes des Radiologen ergeben: Da die Infra- struktur für fachübergreifende Konferenzen bereits innerhalb der Radiologie existiert und die Radiologinnen gewohnt sind, mit komplexen technischen Systemen zu arbeiten, könnte ein fach- übergreifendes KI-System zur Diagnoseﬁndung in der Radio- logie angesiedelt werden. Der Radiologe würde in einem solchen Szenario als Integrator der verschieden Fachdisziplinen wirken und die wahrscheinlichste Diagnose des Patienten mit KI-Unter- stützung im Rahmen der klinischen Konferenzen herausarbeiten bzw. kommunizieren. 201 Wenn aus Daten Wissen wird

Kürzlich musste ich einen neuen Reisepass im Rathaus bean- tragen und dafür sollte ich für das biometrische Bild zu einem Automaten gehen, der in der Empfangshalle des Rathauses auf- gestellt ist. Erwartet hatte ich eine sperrige Box, in die man hinein klettern muss, um – wie damals in den berühmt-berüch- tigten Passautomaten – unter heftigem Blitzgewitter abgelichtet zu werden. Stattdessen empfing mich ein eleganter, mit weißer Klavier lackoberfläche umschlossener, horizontaler Touch- screen, über dem ein mit einer Lichtleiste umrahmtes Rechteck ragte, was mich irgendwie an einen Rasierspiegel erinnerte. Eine angenehme Frauenstimme gab mir Anweisungen zur Datenein- gabe und wie ich mich optimal vor dem Objektiv positionieren sollte. Die Lichtleiste leuchtete einige Sekunden hell auf und auf dem Touchscreen erschienen die Bilder. Die Künstliche Intelli- genz machte sich auch sofort an die Auswertung der Bilder: Auf dem einen war die Kopfhaltung nicht optimal, auf dem anderen wurde ein Lächeln erkannt, aber das letzte Bild entsprach den mithilfe komplexer mathematischer Algorithmen hinterlegten Qualitätsanforderungen. Könnte so auch die Radiologie der Zukunft aussehen? Röntgenmaschinen, die mit sanfter und beruhigender Stimme einen Menschen anleiten und in wenigen Sekunden Röntgen- bilder erzeugen und beurteilen? MTRA-Roboter, die Verunsi- cherung und Angst in den Gesichtern ihrer Patienten erkennen und eine emotionale Beziehung aufzubauen versuchen? Der Begriff Apparatemedizin zeigt bereits jetzt schon sehr deutlich, dass viele Prozesse im Gesundheitswesen bereits von Maschinen ausgeführt werden. Wie eine Forschergruppe aus Augsburg 2009 feststellte, steigert der Einsatz von zusätz- licher Apparatemedizin in der Wahrnehmung von Patientinnen und Patienten spürbar die Qualität der ärztlichen Versorgung; so sieht es auch ein Großteil der Bevölkerung. Menschen wollen geradezu von Gesundheitsmaschinen untersucht und behan- delt werden. „Können wir diese Zuwendung von Maschinen allein erwarten? Lassen sich Patienten durch beruhigende Worte von Diagnose auto- maten und beschwichtigenden Maßnahmen von Maschinen besänftigen? Ich bin überzeugt: Nein!“ Aber menschliche Interaktion ist sehr komplex und gerade Men- schen mit gesundheitlichen Problemen haben besondere kom- munikative Bedürfnisse. Denn es reicht nun mal nicht aus, wenn man lediglich gesagt bekommt, wie man wo zu liegen hat oder wann die Luft anzuhalten ist. Das könnte an und für sich auch eine Maschine leisten – wie ein Passautomat eben. Die erwähn- te Studie sieht den größten Nachholbedarf bei den Gesprächen. Die Mehrheit der Befragten möchte beispielsweise wissen, wie eine Untersuchung abläuft und welche Belastung von ihr ausgeht. Fast ebenso viele interessiert es, was nach dem medi- zinischen Befund weiter geschieht. ↘ 203 Maschinen und Menschen

Ich erinnere mich an einen Patienten vor vielen, vielen Jahren. Dieser Mann sollte sich einer Untersuchung in der Computer tomografie unterziehen. Allerdings hatte er panische Angst, sich auf dem Tisch in das CT-Gerät schieben zu lassen – obwohl die Geräteöffnung vergleichsweise groß und der Tunnel nicht erwähnenswert tief war. Schweißnass, heftig at- mend und mit aufgerissenen Augen war er kaum zu beruhigen. Meine MTRA-Kollegin und ich redeten ihm lange und beruhigend zu. Wir erklärten mit einer Engelsgeduld, warum die Untersu- chung wirklich notwendig sei, wie sie im Einzelnen ablaufe und dass wir ihn während dieser ganzen Zeit im Blick hätten. Als er sich nach einer gefühlten Ewigkeit auf die Untersuchung einließ, musste er weiterhin über die Gegensprechanlage beruhigt werden, um die Untersuchungszeit in seiner Angst zu überste- hen. Und diese Prozedur wiederholte sich bei jeder seiner Kontroll untersuchungen. Können wir diese Zuwendung von Maschinen allein erwarten? Lassen sich Patienten durch beruhigende Worte von Diagnoseautomaten und beschwichtigenden Maßnahmen von Maschinen besänftigen? Ich bin überzeugt: Nein! Gerade Medizinisch-Technische Radiologieassistentin- nen und Radiologieassistenten kommen einer sehr wertvollen Aufgabe nach, wenn es darum geht, die Lücke zwischen der modernen Apparatemedizin und dem zwischenmenschlichen Bedürfnis nach Zuwendung und Aufmerksamkeit auszufüllen. Wie gesagt, es reicht eben nicht, einen Patienten auf eine Liege zu positionieren und bei einem Atemkommando das Knöpfchen zu drücken. Aus. Fertig. Der nächste, bitte. Die Bandbreite der sozialen Interaktion mit den Patientinnen und Patienten ist im- mens: von sachlicher Aufklärung über Zuspruch, Zuhören und auch Schweigen. Die Betroffenen reagieren sehr sensibel auf die MTRA, die sie betreuen. Da ist es entscheidend, mit welchem Gesichtsausdruck die oder der Betreffende den Untersuchungs raum betritt; ein ernstes Gesicht veranlasst möglicherweise zur Sorge, ein Lächeln erleichtert vielleicht die Scham und eine heitere Bemerkung kann die Schmerzen ein Stück weit erträglicher machen. MTRA tragen erheblich dazu bei, ob eine Untersuchung scheinbar im Flug vergeht oder eine gefühlte Ewigkeit dauert. Wir werden auch zukünftig rasante Entwicklungen und einen immensen Fortschrittszuwachs gerade auf dem Gebiet der Radiologie erfahren. Die Technisierung wird nicht abneh- men, sondern im Gegenteil werden gerade die Innovationen in dem Bereich der Künstlichen Intelligenz und der Virtuellen Realität die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten extrem erweitern. Aber niemand möchte die Dystopie einer seelenlosen Maschinendiagnostik. Und gerade deswegen wer- den Aufklärung, Zuspruch und Aufmerksamkeit – sei es durch den Radiologieassistenten oder die Radiologietechnologin – die entscheidenden sozialen Interaktionen zwischen Maschine und Mensch bleiben. 205 Maschinen und Menschen

Wo wir herkommen Diversiﬁzierung in der Gegenwart Vor ca. 40 Jahren entstanden in Deutschland flächendeckend radiologische Krankenhausabteilungen unter Zusammenfüh- rung dezentraler Röntgeneinheiten. Mit Einführung der Schnitt- bildgebung (Computertomografie und Magnetresonanztomo- grafie) erlebte die bildgebende Diagnostik in den folgenden Jahrzehnten einen extremen Bedeutungszuwachs. Die durch- greifende Digitalisierung bis hin zur Teleradiologie, einhergehend mit einer Institutionalisierung multidisziplinärer Entscheidungs- strukturen in den Kliniken, stellt die nächste bahnbrechende Fortentwicklung des Faches Radiologie dar. Schnittbildgebung, Digitalisierung und Multidisziplinarität stehen für die Entwicklung der klinischen Radiologie von einem physikalisch-chemischen Fotolabor zu einem volldigitalisierten Logistikzentrum mit un- mittelbarer Relevanz für nahezu jedes versorgungsrelevante Entscheidungsgremium im Medizinbetrieb. National und international ist das Fach Radiologie auch aktuell mit signifikanten Veränderungen konfrontiert: der sukzessiven Auslagerung klinischer Radiologien aus dem eigentlichen Krankenhausbetrieb. Dies geschieht entweder durch die Priva- tisierung von standortgebundenen Anbietern oder durch den teilweisen bzw. vollständigen Zukauf von radiologischen Fremd- leistungen aus der Entfernung. Die Möglichkeit der teleradio- logischen Erstversorgung und der schriftlichen Fremdbefun- dung als zukaufbare Dienstleistungen hat ungeachtet der dabei zu beachtenden Regeln ein interessantes, überwiegend privat- wirtschaftlich organisiertes Geschäftsfeld geschaffen. Diese Entwicklung macht auch vor Universitätskliniken nicht halt. Die aus technischer Sicht örtlich und zeitlich unbegrenzte Ver- fügbarkeit bestimmter radiologischer Dienstleistungen hat den Weg freigemacht für Entscheidungen, die die wirtschaftliche Opportunität im Blick haben. In Deutschland wurde diese Ent- wicklung durch einen politisch gewollten existenziellen Wirt- schaftlichkeitsdruck auf kleine Krankenhäuser und eine damit einhergehende Rationalisierungs- und Fusionswelle be schleu- nigt. Aber auch die Radiologie hat zu dieser Entwicklung indirekt beigetragen, da sie sich lange Zeit vom übrigen Klinikbetrieb distanziert zeigte, in der Mehrzahl auf eigene Betten verzichtet hat und sich erst durch die wachsende Präsenz in multidiszipli- nären Entscheidungsprozessen ihrer Bedeutung für den gesam- ten Klinikbetrieb zunehmend bewusst wird. Dieser Prozess der Rückbesinnung und Neuausrichtung ist im Übrigen auch für das eigene Fortbestehen von entscheidender Bedeutung. Schließ- lich ist die klinische Radiologie der Ort, an dem Innovationen entstehen und der Nachwuchs für alle Bereiche der Radiologie ausgebildet wird. Welche private, gewinnorientierte und zu- mindest im Bereich der Teleradiologie außerhalb des gesetzli- chen Versorgungssystems finanzierte Radiologie kann und will es sich leisten, in nennenswertem Umfang eine Ausbildung von radiologischen Fachärzten zu betreiben, wenn wirtschaftlicher Erfolg schneller durch die Anstellung von bereits ausgebildeten Fachärzten erreicht werden kann? ↘ 207 Modelle der Versorgung – ein integrativer Ansatz

Regionale radiologische Versorgungsstrukturen Deﬁnition eines radiologisch-medizinischen Standards Kapitel III – Entwicklung Im Ergebnis stellt sich die radiologische Versorgungs- landschaft in Deutschland in der Fläche sehr inhomogen dar. Während die Teleradiologie in strukturschwachen Regionen mit radiologischen Versorgungsengpässen teilweise erst die quali- tätsgerechte radiologische Versorgung sonst unterversorgter Bevölkerungsgruppen ermöglicht, sind gerade in Ballungsge- bieten eine Reihe von häuﬁg überregional agierenden Privat- unternehmen oder MVZ herangewachsen, die sich auf die Er- bringung teleradiologischer Leistungen spezialisiert haben. Parallel dazu lässt sich ein deutlicher Rückgang der kleineren radiologischen Klinikeinheiten mit eigenem ärztlichen Personal beobachten. Werden dort dennoch radiologische Untersuchun- gen durchgeführt, geschieht dies entweder in Verantwortung eines Teleradiologen oder in Kooperation mit einem fremdbe- fundenden Dienstleister und damit manchmal auch in einer juristischen Grauzone. Regionale Versorgungsstrukturen gibt es in einer Vielzahl von Spielarten. Größere medizinische Versorgungseinheiten halten eine 24/7-Versorgung vor und versorgen kleinere Einheiten außerhalb regulärer Dienstzeiten teleradiologisch mit. Dem je- weiligen Bedarf angepasst, erfolgt diese Kooperation in der Regel zwischen Kliniken unterschiedlicher oder gleicher Träger- schaft. Je geringer die Bevölkerungsdichte, desto größer ist dabei die zentripetale Bedeutung des Leistungserbringers. Je nach örtlichen Gegebenheiten gibt es auch zunehmend Koope- rationen mit privaten Praxen oder spezialisierten Dienstleistern. Darüber hinaus existieren natürlich auch sektorenübergreifen- de Versorgungskonzepte (z. B. die ambulante spezialfachärzt- liche Versorgung = ASV) und Versorgungspfade für Patienten, die zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor hin und her wechseln. Befördert wird dies nicht zuletzt durch die exponentiell wachsende konsiliarische Bewertung von medizi- nischen Bilddatensätzen. Diese sehr heterogene radiologische Grundversorgungs- struktur in der Fläche wirft die Frage auf, wer den weiteren Ent- wicklungsprozess – über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hinaus – eigentlich maßgeblich steuert oder steuern soll. Der Markt, d. h. das freie Spiel von Angebot und Nachfrage? Patientenorganisationen? Krankenhausträger? Fachgesell- schaften? Standesvertretungen? Der Staat? Und welcher radio- logisch-medizinische Standard ist – auch hinsichtlich des staat- lichen Versorgungsauftrags – künftig vorzuhalten? Es ist sinnvoll, diesen radiologisch-medizinischen Standard als Mindeststandard zu deﬁnieren. Grundlegend hierfür sind nicht nur technische Voraussetzungen und Ausstattungen, Maßnah- men des Strahlenschutzes, Ausbildung und Fachkunde der be- handelnden Ärztin und des MTRA. Auch die Erreichbarkeit ra- diologischer Versorgungsleistungen aus Sicht des bedürftigen Patienten, gemessen in Minuten oder Stunden, ist Teil dieser Deﬁnition. Dabei fällt die Erreichbarkeit einer Basisdiagnostik, eines persönlichen Arztgesprächs oder einer radiologischen Spezialversorgung (z. B. komplizierte Interventionen) in Abhän- 208

Modell der radiologischen Flächenversorgung Kapitel III – Entwicklung gigkeit vom Krankheitsbild unterschiedlich aus. Die Erreichbar- keit des Untersuchungsortes durch den verantwortlichen Tele- radiologen und dessen regelmäßige dienstliche Präsenz in der zu versorgenden Einrichtung wiederum sind deﬁnierende Kri- terien einer teleradiologischen Untersuchungskonstellation. Ein solcher radiologisch-medizinischer Standard wird in unterschiedlicher Ausprägung durch medizinische Versor- gungsnetzwerke mit einer regionalen Organisationsstruktur bereits vorgehalten. Partner dieser Versorgungsnetzwerke sind Universitätskliniken, sonstige Kliniken unterschiedlicher Träger- schaft und Größe, abhängige und unabhängige MVZ, Praxis- gemeinschaften und Einzelpraxen. Diese Netzwerke können als gemeinsames Versorgungsangebot auch nach außen über eine Marke o. Ä. sichtbar sein (z. B. als sektorenübergreifendes mul- tidisziplinäres Tumor-Zentrum) oder schlicht der üblichen Ko- operation ambulanter und stationärer Partner entsprechen. Die in solchen Netzwerken verfügbaren radiologischen Kapazitäten und Kompetenzen sind in der Regel sinnvoll verteilt und werden mit Blick auf eine eﬃziente Patientenversorgung zielgerichtet angesteuert. Alle Strukturen sind deﬁniert, die Abläufe standar- disiert: Es ist klar, wer die akute Darmblutung auch nachts ver- sorgen kann, wo man sich zur zentralen Tumor-Konferenz triﬀt, ob die initiale Staging-CT bereits prästationär ambulant erfol- gen kann und wo bei Bedarf die PET-CT verfügbar ist. Niemand hat bislang die Versorgungsdichte bzw. die Struktur und Qualität radiologischer Grundversorgung in Deutschland karto- graﬁert. Das mag nachvollziehbar sein, wenn man sich die rasan- te Veränderungsdynamik vor Augen führt. Nichtsdestotrotz ist es ein notwendiger Schritt und Ausgangspunkt für ein nachhaltiges Modell der Flächenversorgung. Anders als bei der Großgeräte- verordnung der 80er Jahre wäre nicht eine Deckelung von Ver- sorgung, sondern die Nichtunterschreitung eines Mindeststan- dards das Ziel. So können die Ausstattungsmerkmale einer radiologischen Universitätsklinik, eines überregionalen, regionalen oder lokalen Zentrums, eines an der Versorgung teilnehmenden MVZ oder bestimmter Praxisstrukturen deﬁniert werden. Be- stehende Kooperationen werden in Bezug auf Frequenz, Qualität und Institutionalisierungsgrad eingeordnet. Normen für digitale Übertragungsformate, Eingangs- und Ausgangsportale lassen sich in die Fläche bringen. Die Vorhaltung bestimmter Modalitäten, interventioneller Behandlungsverfahren, von Personal- und Dienststrukturen – all dies lässt sich in ein Modell der radiologi- schen Flächenversorgung in Deutschland überführen. Ein solches Modell greift nicht nur die verschiedenen Spielarten der aktuellen radiologischen Versorgung auf, sondern überführt sie auch in eine integrative Gesamtstruktur der radiologischen Versorgung. Es dokumentiert die Vielfalt radiologischer Leistungen und ihre Be- deutung für den Medizinbetrieb im Allgemeinen wie auch für eine zeitgemäße Vernetzung von Gesundheitsstandorten. Auch ist die normative Kraft eines solchen Ansatzes nicht zu unterschätzen. Er hätte eine positive Wirkung nach innen, in die radiologischen Einheiten selbst, und nach außen, in die medizinischen Partner- disziplinen hinein, sowie in die übergeordnete Krankenhauspla- nung und die Gesundheitspolitik auf Länderebene. ↘ 210

Für die Patienten Der Staat hat die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung si- cherzustellen. Dazu zählt selbstverständlich auch die radiolo- gische Versorgung. Im Idealfall wird diese Versorgung auch den Bedürfnissen und Erwartungen der Patienten gerecht. In jedem Fall richtet sie sich aber strukturell wie inhaltlich am Gesund- heitsvorteil des Patienten aus. Hierzu zwei Beispiele: Ein Patient, der am Stadtrand des Ballungszentrums Berlin lebt, muss für einen operativen Eingriff in eine Spezial- klinik am gegenüberliegenden Stadtrand. Vorbehandlung und Nachbehandlung können vollständig heimatnah erfolgen, da alle Bilder und die digitale Patientenakte in einer standortüber- greifenden Video-Tumor-Konferenz von dem behandelnden Radiologen demonstriert und gemeinsam mit anderen an der Behandlung beteiligten Fachkollegen diskutiert werden. Die Fachkompetenz von verschiedenen Spezialisten wird so gebündelt und die qualifizierte medizinische Versorgung erfolgt standortunabhängig. Ein solches Versorgungskonzept spart Wegstrecken für Personen und Daten und damit auch Kosten. Die Möglichkeit einer heimatnahen Versorgung bleibt erhalten. Ein anderer Patient lebt in einem dünn besiedelten Teil der norddeutschen Tiefebene. Als er einen Schlaganfall erlei- det, kann er dank der Verfügbarkeit einer teleradiologischen CT-Untersuchung im lokalen Krankenhaus an seinem Wohnort erstversorgt werden. Er muss nur bei einem entsprechenden Untersuchungsergebnis zur Weiterbehandlung per Hubschrau- ber in eine der drei regionalen Spezialkliniken verlegt werden, die sich den Bereitschaftsdienst aufteilen. Der Patient erhält Zugang zu qualifizierter Erstversorgung ohne die Notwendigkeit aufwändiger, kostenintensiver und für den Patienten belasten- der Transporte. In beiden Beispielen geht es um die Verfügbarkeit radio- logischer Kernkompetenz – die bildgestützte Untersuchung und Befundbeurteilung als ärztliche Leistung am bzw. für den Pati- enten. Die Versorgung in der Fläche ist in beiden Fällen durch teleradiologische Strukturen gesichert. Der tatsächliche Nutzen besteht aber in der Einbindung dieser teleradiologischen Ver- sorgungsstrukturen in ein zweckgebundenes medizinisches Netzwerk. Es reicht eben nicht, die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit eines optimierten schriftlichen Befundes zu ge- währleisten. Erst die effiziente Einordnung in einen themenbe- zogenen Kontext und die gleichzeitige Verfügbarkeit erforder- licher interdisziplinärer Kompetenz entscheiden über die tatsächliche Qualität des radiologischen Befundes. Zu den in der Fläche vorzuhaltenden radiologischen Kernkompetenzen gehören folgerichtig auch eine interdisziplinär ausgerichtete kommunikative Kompetenz und die Nutzung einer dafür geeigneten Infrastruktur. Die Idee der klinischen Kontextkommunikation in radio- logischer Fachverantwortung unterscheidet sich deshalb auch grundlegend von der Idee eines vermeintlich perfekten schrift- lichen Befundes als zukaufbare Leistung im Medizingeschäft. Diese Leistung allein könnte durch ortsunabhängige, speziali- sierte Befundungs-Firmen ohne Bezug zum Patienten und zum Behandlungsort effizienter erbracht werden. Würde der radio- Kapitel III – Entwicklung 212

„Schließlich ist die klinische Radiologie der Ort, an dem Innovationen entstehen und der Nachwuchs für alle Bereiche der Radiologie ausgebildet wird.“ logisch-ärztliche Leistungsumfang tatsächlich darauf be- schränkt, wäre dies allerdings nichts anderes als die Vorweg- nahme eines vollständigen Ersatzes des Radiologen durch Maschinen, d. h. durch Anwendungen und Programme mit Künstlicher Intelligenz. Die Deﬁnition eines medizinisch-radiologischen Stan- dards sollte dies berücksichtigen und ein Modell der radiologi- schen Flächenversorgung, das sich am Gesundheitsvorteil für den Patienten orientiert, die Verfügbarkeit dieses medizi- nisch-radiologischen Standards in seinem vollen Leistungsum- fang anstreben. 213 Modelle der Versorgung – ein integrativer Ansatz

In den verschiedenen radiologischen Bereichen kommen beim Thema Datenschutz unterschiedliche Lösungsansätze zur An- wendung. Die Notwendigkeit der Anwendung von Daten- schutz-Maßnahmen wird dabei durch mehrere Gesetze, Ver- ordnungen und Regeln vorgeschrieben. Das verdeutlicht das Diagramm zu den verschiedenen Ebenen des Datenschutzes, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern ledig- lich eine Orientierung geben will (vgl. Abb. 1). Die Patientendaten können auf verschiedene Arten ge- nutzt werden (s. die zwei inneren Ringe). Unabhängig von der Nutzungsart stehen verschiedene Möglichkeiten des Schutzes der Privatsphäre zur Verfügung, die in unterschiedlichen Vor- schriften festgelegt sind (s. die zwei äußeren Ringe). Zur Ver- anschaulichung dieser eher abstrakten Darstellung folgt ein möglicher Dialog zwischen einem Radiologen und der Leiterin der IT-Abteilung in einem Krankenhaus. Anlass ist die angekündigte Untersuchung einer prominenten Person. ↘ 215 Ebenen des Datenschutzes

IT-Leiterin Radiologe IT-Leiterin Radiologe IT-Leiterin Sehr gut. Wie damals schon angeboten, können wir Ihnen bei Bedarf auch helfen, die Oberﬂächenkontur soweit unkennt- lich zu machen, dass keine Gesichtser- kennung mehr möglich ist. Ich werde gerne darauf zurückkommen. Noch ein weiterer Punkt: Wir haben ja Wartungszugänge der Hersteller zu unse- ren Großgeräten und IT-Systemen. Was ist dabei zu bedenken? Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass während der Untersuchung und Nachbe- arbeitung keine Wartungszugänge frei- geschaltet sind. Darüber hinaus haben wir auf diesen Geräten Virenscanner in Betrieb, sodass wir sicher sein können, dass nicht schon vorher Schadsoftware installiert wurde. Wir müssen außerdem die Bilder der Un- tersuchung nach der Entlassung über das regionale Ärztenetz an die weiterbehan- delnde Ärztin schicken. Ist das Netz si- cher? Ja, die Übertragung ist sicher. Alle Infor- mationen werden verschlüsselt übertra- gen. Innerhalb des Ärztenetzes ist auch eine Zugriﬀskontrolle bei allen Adressa- ten gewährleistet. Hacker haben keine Möglichkeit, die Kommunikation auszu- werten oder die Bilder zu laden. Radiologe Das hört sich gut an. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! IT-Leiterin Dafür sind wir da! Radiologe IT-Leiterin Radiologe IT-Leiterin Radiologe Guten Tag Frau Schmidt. Wir erwarten morgen einen hochgestellten Politiker zu einer CT-Untersuchung. Um seine Privat- sphäre zu schützen, möchten wir für eine höchstmögliche Datensicherheit sorgen. Was können Sie uns raten? Sie sollten in Ihrer Abteilung auf eine strikte Zugriﬀskontrolle Ihrer Computer- systeme achten. Bei den jährlichen Da- tenschutz-Unterweisungen haben wir Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ja entsprechend geschult. Ich gehe davon aus, dass alle die Verschwiegenheits- erklärung erhalten und gegengezeichnet haben. Ja, das ist der Fall. Eine Zugriﬀskontrolle ist generell gegeben, da sich alle Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes abmelden. Worauf sollten wir bei der Anmeldung des Patien- ten achten? Unser Krankenhaus-Informations system bietet ja die Möglichkeit, den Patienten mit einem Pseudonym zu führen. Davon sollten Sie Gebrauch machen. So kann von anderen Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern während des Aufenthaltes zu- mindest nicht nach dem Namen des Pa- tienten gesucht werden. Darüber hinaus rate ich zu Daten sparsamkeit: Registrie- ren Sie nur die für die Behandlung absolut notwendigen Informationen zu dem Pa- tienten. Auch an sich unbedenkliche Daten können gegebenenfalls über Ver- knüpfungen mit anderen Quellen auf Ih- ren Patienten zurückgeführt werden. Beim Thema Datensparsamkeit erinnere ich mich an ein anderes Gespräch zwi- schen uns: Wie wir damals besprochen hatten, werden wir versuchen, bei der morgigen Untersuchung das Gesicht des Patienten – soweit medizinisch möglich – auszusparen. Damit kann auch zu ei- nem späteren Zeitpunkt niemand mehr die Gesichtsoberﬂäche rekonstruieren und so auf den realen Namen unseres Patienten schließen. 217 Ebenen des Datenschutzes

Digitalisierung – Transparenz und Interaktionen KI – Handlungsräume und Dimensionen 219 Transformationen Die Radiologie als ein besonders technikaﬃnes Fachgebiet der Medizin hat sich durch die voranschreitende Digitalisierung in den letzten Jahren stark verändert. Die digitale Bildakquisition und -speicherung ist mittlerweile Standard. Computergestützte Systeme zur Diagnose (Computer Aided Diagnosis – CAD) werden von Radiologen schon seit geraumer Zeit genutzt. Spracherkennung und standardisierte Befundungsprofile gewinnen zunehmend Raum, was nicht zuletzt auch zu einer höheren Befundqualität und einer verbesserten Durchlauf- zeit der Befunde führt. Neue interaktive Optionen wie die Telemedizin und die Bildannotation, also die automatisierte Zuordnung von Informationen zu Bildern, werden zunehmend Teil des radiologischen Arbeitsalltags. Der Ort der Bildakquisi- tion und der Ort der Befundung können mittlerweile tausende von Kilo metern auseinanderliegen. Untersuchung und Befun- dung erfolgen inzwischen auch über Fernbedienung (Remote Control). Einheitliche Kriterien für die Bewertung der Behand- lung bei Tumoren wie RECIST (Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) werden automatisiert übertragen. An den radiologischen Workstations sind mittlerweile auch komplexe drei dimensionale Darstellungen möglich. Sogenannte Befund- makros geben Strukturen vor und sorgen dafür, dass keine wesentlichen Befunde übersehen werden. Auch wenn papierlose radiologische Abteilungen längst Wirklichkeit geworden sind, hat sich die eigentliche Arbeitsweise der Radiologinnen kaum verändert. Die Digitalisierung ist jedoch ein Türöﬀner für mehr Interaktionen mit den Kolleginnen aus den anderen Fachbereichen – beispielsweise in regelmäßig statt- ﬁndenden Tumor-Boards. Digitale Informationen sind hier die Grundlage für mehr fachlichen Austausch über Befunde und den sich daraus ableitenden, individuellen Therapieentscheidungen. Völlig neue Bewegungsräume eröﬀnen sich der Radiologie hin- gegen durch den Einsatz innovativer Technologien wie Künstliche Intelligenz. Mit Radiomics hat sich hier ein Forschungs- und An- wendungsfeld entwickelt, das die systematische, rechner- gestützte Analyse von Bilddaten entlang einer hohen Anzahl unterschiedlicher Bildmerkmale in Korrelation zu molekularbio- logischen und klinischen Diﬀerenzierungsmerkmalen zum Ziel hat. So können künftig z. B. auch Aspekte der Histopathologie schon vor einer Therapie oder Operation umfassend mit einbe- zogen werden. Diese neuen Möglichkeiten sind zum Greifen nahe. Gerade Radiologinnen und Pathologen als Vertreter zweier Fach- gebiete, deren Hauptaugenmerk auf der bildgestützten morpho- logischen Analyse liegt, werden von den Algorithmen des Deep Learning am stärksten proﬁtieren. Der Einsatz von KI entbindet jedoch Ärzte nicht von ihrer Verantwortung für den Patienten. Auf lange Sicht bleiben sie diejenigen, die die letztgültige Ent- scheidung darüber treﬀen müssen, ob die mithilfe eines Algorith- mus gefundenen Veränderungen relevant und klinisch bedeut- sam sind. Ziel kann deshalb auch nicht sein, einen allumfassenden Masteralgorithmus zu entwickeln. Es geht vielmehr darum, jeweils passende Algorithmen zu wählen, zu trainieren und weiter zu ent- wickeln. Hier entsteht gerade ein spannendes interdisziplinäres Feld zwischen IT, Mathematik, Physik und Medizin. ↘

Ausbildung – interdisziplinäre Kompetenzen und transdisziplinäre Perspektiven Der verstärkte Einsatz von KI bedeutet aber auch, ethi- sche Aspekte aus den Foren elitärer Ethikkommissionen in das Zentrum der Medizin zu verschieben. Denn wenn ein Algorith- mus die potentielle Überlebenszeit des Patienten gleich mit- liefert, werden kritische Situationen entstehen. Auch muss beispiels weise die Frage, inwieweit identiﬁzierte genetische Veränderungen konkrete Auswirkungen auf den Patienten ha- ben, beantwortet werden. Möglicherweise ergeben sich hier aber auch neue Ansätze in der Prävention, wenn bildmorpho- logische Befunde Grundlage und Ausgangspunkt sind für eine Anpassung von Lebensstilen, um so genetisch bedingte Risiken drastisch zu reduzieren und die Lebensqualität von Patienten deutlich zu verbessern. Die maschinengestützte Auswertung korrelierter Informa- tionen und deren Einordnung in den versorgungsbezogenen Gesamt kontext setzt umfangreiche interdisziplinäre Kenntnis- se auf fachärztlicher Seite voraus. Die Radiologie (wie auch die Pathologie) bietet als Querschnittsfach hierfür die allerbesten Voraussetzungen. Die radiologische Ausbildung sollte daher noch stärker interdisziplinär ausgerichtet werden. Von den neuen Möglichkeiten durch KI werden jedoch alle, auch die operativen Fächer, proﬁtieren. Gastroenterologen und Chirurginnen, Radiologen und Kardiologinnen, Pulmono- logen, Thoraxchirurginnen, um Vertreter nur einige Fächer zu nennen, behandeln die gleichen Krankheitsbilder. Wer welche Interventionen oder Operationen ausführt, ist nicht zuletzt medizin historisch bedingt oder hat sich aus der Geschichte der jeweiligen Klinik heraus entwickelt. Die Grenzen zwischen den einzelnen Fachbereichen mögen inzwischen zumindest teilweise künstlich anmuten. Vielleicht liegt die Zukunft in einer stärker transdisziplinär ausgerichteten Ausbildung? Sicherlich muss auch weiterhin unterschieden werden zwischen den konservativ tätigen Kollegen und interventionell tätigen Ärzten, die eher chirurgischen Selektionskriterien folgen. Aber weshalb nicht über einen interventionellen Common Trunk im Sinne eines gemeinsamen Grundstocks an Wissen nachdenken? Für die weitere Zukunft benötigen wir auf jeden Fall Ärzte, die weit über den eigenen Tellerrand blicken, inter- und transdis- ziplinär arbeiten und durch standardisierte Protokolle die weitere Entwicklung vorantreiben. Kreative Ideen, die den medizinischen Fortschritt sichern, sollten frühzeitig geteilt werden. So kann in verschiedenen Settings geprüft werden, inwieweit neue Ansätze sinnvoll sind. Insbesondere bei der Nutzung von KI ist dies unum- gänglich, sonst entstehen Insellösungen, die die Kommunikation und den Austausch nicht verbessern, sondern verschlechtern. Dann könnte der Datensatz aus einer Klinik in einer anderen In- stitution zu anderen Ergebnissen führen. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden. Kapitel III – Entwicklung 220

Rückgang eigenständiger Praxen Erinnerungen an die Poliklinik 223 Patientenversorgung versus Proﬁt Nachdem in den vergangenen Jahren bereits die Krankenhaus- landschaft von Investoren nachhaltig verändert wurde, geraten gegenwärtig zunehmend ambu lante Praxen in das Interesse privater Kapital geber, sogenannter Private-Equity-Gesellschaf- ten. Der Anlage not stand, als Kehrseite der Nullzinspolitik, ist oﬀensichtlich so angespannt, dass inzwischen auch Zahnärzte, Augen ärztinnen und sogar Kinderärztinnen als Zielgruppe ent- deckt werden. Labore, Dialysen, Pathologien und eben auch radiologische und strahlentherapeutische Praxen werden schon seit Jahren umworben. Verschiedene, sehr kapital trächtige nationale wie internationale Fonds und Firmen agieren landes- weit und bilden Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Diese Übernahmen im ambulanten Bereich verstärken notwen- digerweise den Trend zur angestellten ärztlichen Beschäftigung und fördern den Rückgang eigenständiger, von Ärztinnen als In- haberinnen geführter Praxen. Doch macht diese Entwicklung auch versorgungstechnisch Sinn? Werden dadurch die Qualität und das Angebot der medizinischen Betreuung besser? Politiker- innen, die Verantwortlichen der Krankenkassen und Investoren meinen, ja. Sie argumentieren, dass Ärztinnen und Ärzte von der bürokratischen Last befreit würden und sich endlich ihrer eigent- lichen Bestimmung, der Versorgung der Patientinnen, optimal zuwenden könnten. Der gegenwärtige gesellschaftliche Trend zur Teilzeitarbeit, die mangelnde Bereitschaft personelle und ﬁnanzielle Verantwortung zu übernehmen, wird argumentativ ge- nutzt, um die proﬁtgesteuerten Interessen der Verantwortlichen zu rechtfertigen. Natürlich werden diese Entwicklungen im Einzel- fall zutreﬀen, sie scheinen aber als beruhigende Erklärung für die Umwandlung unserer derzeit hocheﬃzienten Versorgungsland- schaft (natürlich mit regelmäßigem Optimierungsbedarf) in eine dirigistische Struktur bewusst eingesetzt zu werden. Der Autor ahnt das Ergebnis aus eigenem Erleben, wenn er drei Jahrzehnte zurückschaut, mit dem Blick und der Erfahrung der Zeit vor der Wende. Damals wurden diese Strukturen, die sich heute durch das Engagement von Investoren abzeichnen, Poli- klinik genannt. Ich habe nicht nur einmal mit meinen kranken Töchtern zu viel Wartezeit verbringen und zu wenig Engagement in diesen eher unpersönlichen Einrichtungen erleben müssen. Als Gegenentwurf zu einem solchen unpersönlichen Modell bin ich seit Jahren als niedergelassener Radiologe und Mitgesell- schafter in einer größeren Gemeinschaftspraxis tätig. Und ich schätze und nutze die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Versorgungsform. Und natürlich ist man dort qualitativ anspruchsvoll, innovativ und freundlich im Kontakt mit Patien- ten, denn die Zufriedenheit der überweisenden Ärztinnen und vor allem die der Patientinnen sichern den wirtschaftlichen Er- folg und damit die Zukunft der Praxis. In einer Poliklinik war das ein seltener Glücksfall, in einer inhabergeführten Praxis ist es ein Muss. Schließlich ist der Inhaber für sämtliche Kosten der Praxis mitverantwortlich. ↘

Kurzfristige Investorenziele versus langfristige, ﬂächendeckende Versorgung Übernahmen und Praxisverkäufe öﬀentlich machen Wir selbstständig tätigen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind von unserem Modell überzeugt. Die ärztlich inhaber- geführte Einzelpraxis wird es zukünftig nur noch sehr vereinzelt geben. Deshalb wird es Antworten auf die aktuellen Fragen und Aufgaben durch Konzentration und Qualiﬁkation in großen Ein- heiten, zunehmend auch sektorenübergreifend durch passge- naue Kooperationen mit Krankenhäusern und Kliniken oder in interdisziplinären Praxiseinheiten geben. Meint man wirklich, dass auch Investoren so denken? Man kann bezweifeln, dass ein kurzfristiges Investorenziel ver- gleichbar ist mit einer betriebswirtschaftlichen Ausrichtung selbstständiger Niedergelassener, die sich besonders um die langfristige, ﬂächendeckende medizinische Sicherung der Ver- sorgung ihrer Patienten bemühen. Die Übernahmen und Praxisverkäufe an Investoren gehen der- zeit nahezu unbemerkt voran, vor allem unseren Patienten ist diese Entwicklung oft nicht bewusst. In diesen neuen Strukturen werden Patientinnen zu Kundinnen, die dauerhafte Versorgung aber sichern sie nicht. In der Verantwortung der Ärztinnen, ihrer berufspolitischen und wissenschaftlichen Verbände und auch besonders der ärztlichen Selbstverwaltung liegt es, die Öﬀent- lichkeit über diese Entwicklung zu informieren. Nicht zuletzt müssen wir aber selbst die innerbetrieblichen Strukturen in unseren Praxen so ausrichten, dass inhabergeführte Praxen eine Zukunft haben, der Nachwuchs von uns selbst ausgebildet wird und wir unsere Praxis dann weiter an Ärztinnen werden übergeben können. Dass hier auch Teilzeitmodelle analog zu Arbeitszeitmodellen für Eltern praktikabel einzubinden sind, das hat die Praxis längst bewiesen. 225 Patientenversorgung versus Proﬁt

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Radiologie 2030 Jörg Barkhausen Kapitel III – Entwicklung Wenn ich meine Zeit als Doktorand mit- zähle, beschäftige ich mich inzwischen seit 30 Jahren mit Radiologie. Verdammt lang her – 1989, da roch es in jeder Radio logie noch nach der Chemie der Ent wick lungs maschinen. Bilder wurden in dicken, immer unsortierten Tüten gesammelt und Befunde noch auf Durch- schlag papier getippt. Die Röntgen- Durch leuchtung war ein komplexer Arbeits platz, der einen Weiterbildungs- assistenten den ganzen Tag ausfüllte. Im Ruhrgebiet hatte gefühlt jeder dritte männliche Patient über 60 Jahre eine Staublunge (Silikose). Diese Diagnose konnte man leicht durch ein persönliches Gespräch oder anhand der Kranken- kasse veri ﬁzieren – und ich werde nie die regel mäßige, immer wieder gleiche Frage meines ersten Chefs vergessen: „Ist der Knappschaft?“ Seither hat sich die Radiologie entscheidend verändert, und das ist gut so. 226

Niemand vermisst heute den Geruch von Entwicklerlösung, die Berge von chaotischen Röntgentüten, die Silikose der Bergleute oder den Dickdarm-Kontrasteinlauf. Aber damals gab es eine Menge Kollegen, die sich an die gewohnten Verfahren und Pro- zesse geklammert haben und sich dabei große Sorgen um die Zukunft des Faches machten. Computertomograﬁe (CT) und Magnetresonanztomograﬁe (MRT) spielten noch keine so wich- tige Rolle wie heute. Einige sahen daher in der rasanten Ent- wicklung der Endoskopie mit ihren Möglichkeiten, direkt in die Speiseröhre, den Magen oder den Dickdarm hineinzuschauen, oder in der Digitalisierung durch das Radiologieinformations- system (RIS) und das Bildablage- und Kommunikationssystem (Picture Archiving and Communication System – PACS) mit der uneingeschränkten, ﬂächendeckenden Verfügbarkeit der Bilder schon das Ende der Radiologie. Gekommen ist es ganz anders – und das Entscheidende war, dass Radiologen und insbeson- dere die Deutsche Röntgengesellschaft diesen Veränderungs- prozess aktiv und entscheidend mitgestaltet haben. Aus der Vergangenheit können wir lernen, dass die gesamte Medizin und insbesondere innovative Fächer wie die Radiologie von der Veränderung leben und wir unseren Blick grundsätzlich nach vorn richten sollten. Aktuell machen wir mehr Unter- suchungen und Bilder als je zuvor. CT und MRT sind aus der modernen Patientenversorgung nicht mehr wegzudenken, und die Bedeutung der klinischen Radiologie hat zweifellos kontinu- ierlich zugenommen. Wir sind integraler Bestandteil jedes Tumor-Boards, in dem anhand von unseren Befunden interdis- ziplinär Therapieentscheidungen getroﬀen werden. Durch den wachsenden Bereich der Interventionellen Radiologie sind wir immer häuﬁger nicht nur Diagnostiker, sondern auch Therapeu- ten. Wir sind darüber hinaus die Pioniere der Digitalisierung im Krankenhaus. In vielen radiologischen Abteilungen ist dieser Prozess seit mehr als zehn Jahren abgeschlossen, und wir arbei- ten von der Anmeldung einer Untersuchung bis zum Befund- bericht komplett papierlos, ohne telefonische Absprachen und ohne Röntgenﬁlme. Inzwischen haben wir aber auch gelernt, dass der Wert der Digitalisierung nur zum kleinen Teil in dem Prozess selbst, sondern in erster Linie in der umfassenden Nutzung der digita- len Daten liegt. Die Strukturierung und systematische Aus- wertung der Daten ist dabei die viel größere Herausforderung, aber auch hier gibt es inzwischen in der Radiologie viele kreati- ve Ideen und innovative Lösungen. Aktuell ist die Radiologie sowohl klinisch, als auch wissenschaftlich gut aufgestellt, und über alle Bereiche hinweg – von der Interessenvertretung der MTRA über das Studentenprogramm ‚Hellste Köpfe‘ und das Forum Junge Radiologie bis hin zu den Radiologen in der Nieder- lassung sowie den Krankenhäusern und den Universitäten – gut vernetzt. ↘ Das Ende der Radiologie, das nicht kam Pioniere der Digitalisierung 227 Radiologie 2030

Die Herausforderungen von heute: Präzisionsmedizin, Radiomics und Künstliche Intelligenz Trotz aller positiven Entwicklungen in der Radiologie ist es in unserer schnelllebigen Zeit aktuell aber wichtiger denn je, sich über Chancen und Risiken Gedanken zu machen. Wir müssen uns fragen, was die zukünftigen Herausforderungen sind, welche neuen Anforderungen an die Bildgebung und die Radiologie ge- stellt werden und welche Innovationen das Potential haben, unser Fach in absehbarer Zeit nachhaltig zu verändern. Wenn man sich diese Fragen stellt und über die Zukunft der Radiologie nachdenkt, kommt man aktuell an drei Begriﬀen nicht vorbei: Präzisionsmedizin, Radiomics und Künstliche Intelligenz (KI). Die drei Begriﬀe beschreiben völlig unterschiedliche Ent- wicklungsbereiche in der Radiologie beziehungsweise der ge- samten Medizin, die allerdings eng miteinander verknüpft sind. Präzisionsmedizin und Radiomics sind neue Paradigmen in der Diagnostik und Therapie von vielen Erkrankungen, wobei Radiomics ein wichtiger Baustein der Präzisionsmedizin sein kann. Im Gegensatz zu den ersten beiden Begriﬀen ist KI eher ein Werkzeug, das aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades in fast allen Bereichen der Radiologie eingesetzt werden kann. Das grundlegende Prinzip der Präzisionsmedizin ist genauso einfach wie überzeugend. Da einerseits alle Menschen unterschiedlich sind, und andererseits ähnliche oder historisch in einer Gruppe zusammengefasste Erkrankungen bei genauer Analyse erhebliche Unterschiede aufweisen können, erscheint es sinnvoll, individuelle Patienten beziehungsweise ihre Erkran- kungen auch unterschiedlich zu behandeln: maßgeschneiderte Therapien statt „one size ﬁts all“. Dabei sind diagnostische Tests inklusive der bildgebenden Verfahren essentiell, um Erkran- kungen so genau wie möglich zu charakterisieren und das indi- viduelle Therapieansprechen so früh und exakt wie möglich zu beurteilen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müs- sen unsere Befunde und deren Beurteilungen möglichst präzise sein. Wortreiche, blumige Beschreibungen einer krankhaften Veränderung oder einfache Größen- und Dichtemessungen reichen dabei sicher nicht mehr aus. Und hier kommt Radiomics ins Spiel, denn radiologische Bilder sind riesige Datenmengen, die viel mehr Informationen enthalten als selbst die besten und erfahrensten Radiologen mit ihrem geschulten Auge erfassen können. Das Ziel von Radiomics ist es, diese Informationen in den radiologischen Bildern struk- turiert und möglichst vollständig zu erfassen, systematisch zu analysieren und mit der Diagnose beziehungsweise dem Krank- heitsverlauf abzugleichen. Durch die Auswertung zahlreicher Untersuchungen lassen sich dann in diesen Daten Muster er- kennen, die zum Beispiel mit einem besonders guten Ansprechen auf eine bestimmte Therapie oder einer besonders guten Hei- lungsrate verknüpft sind. Nachfolgende Patienten mit demselben Merkmal können dann sofort einer individuellen und besonders erfolgversprechenden Behandlung zugeführt werden. Von den drei Zukunftsthemen hat Künstliche Intelligenz aus meiner Sicht das größte Potential, die Radiologie nachhaltig und dauerhaft zu verändern, da dieses Werkzeug in allen Be- reichen der Radiologie eingesetzt werden kann. Selbstverständ- lich kann KI helfen, die im Rahmen von Präzisionsmedizin und Radiomics gesammelten Daten zu erfassen und auszuwerten. Darüber hinaus sind aber viele weitere, rasch umsetzbare und Kapitel III – Entwicklung 228

„Lerne von gestern, lebe heute und vertraue auf morgen. Das wichtigste ist, nicht aufzuhören, zu fragen.“ Albert Einstein, 1879 – 1955 Die Herausforderungen 2030 229 Radiologie 2030 sehr hilfreiche Anwendungen denkbar, die zum Beispiel von der Untersuchungsplanung inklusive der reproduzierbaren Einstel- lung von Geometrien und Schichtebenen, der Segmentierung und quantitativen Auswertung von Bilddaten über die automa- tische Bereitstellung von diagnoserelevanten Zusatzinformatio- nen bis hin zur Prüfung und Bewertung möglicher Differential- diagnosen reichen können. Die vollautomatische, ausschließlich KI-basierte Befundung ist vermutlich nur für sehr fokussierte Fragestellungen wie zum Beispiel das Mammografie-Screening am Ende eines langen Entwicklungsprozesses realisierbar. Denn nicht immer stecken alle Informationen in den Bildern, und jeder klinische Radiologe weiß, wie oft gerade bei den wirklich kom- plexen Fällen das persönliche Gespräch mit dem Patienten den Schlüssel zur richtigen Diagnose enthält. Meine persönliche Einschätzung zu Künstlicher Intelli- genz möchte ich in drei Kernaussagen zusammenfassen: Ers- tens: KI braucht Zeit! Obwohl die Entwicklung von KI unaufhalt- sam und mit großer Geschwindigkeit voranschreitet und erste kommerzielle Produkte bereits verfügbar sind, wird es noch mindestens zehn Jahre dauern, bis die Effekte flächendeckend sichtbar werden und sich Prozesse sowie Strukturen in der kli- nischen Patientenversorgung nachhaltig verändern. Zweitens: Wir werden von diesen Veränderungen profitieren. Durch KI wird sich die Genauigkeit unserer Diagnosen verbessern. Drittens: KI wird keinen Radiologen arbeitslos machen, so lange wir uns den neuen Herausforderungen stellen, flexibel bleiben und den Veränderungsprozess aktiv mitgestalten. Im Umfeld von Präzi- sionsmedizin und Radiomics wird sich niemand mit einer zu 90 Prozent richtigen vollautomatischen Bildauswertung zufrieden- geben, wenn man in der Kombination von künstlicher und hu- maner Intelligenz 97 Prozent richtige Diagnosen erreichen kann. Im Jahr 2030 werden wir mehr Untersuchungen mit höherer Qualität durchführen und bessere Diagnosen stellen, die nicht mehr nur auf einer Beschreibung, sondern zunehmend auf quantitativen Parametern beruhen. Diese Effizienz- und Quali- tätssteigerung werden wir zu einem erheblichen Anteil durch die konsequente Nutzung von Künstlicher Intelligenz erreichen, die uns in allen Prozessschritten unterstützt und neue Möglich- keiten bietet. Radiologen werden aber weiterhin komplexe Untersuchungen planen, neue Untersuchungsmethoden ent- wickeln und validieren, mit Patienten sprechen, die Untersu- chungsergebnisse in klinischen Konferenzen und Tumor-Boards mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen diskutieren und natürlich auch die Verantwortung für die mit KI-Unterstützung erstellten Befunde übernehmen. Sie werden insbesondere die Fälle entscheiden, bei denen nicht alle Infor- mationen zur Lösung in den Bildern oder den sonstigen digital verfügbaren Informationen stecken. Das wichtigste Argument dafür ist, dass sich sowohl die Patienten, als auch die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen ein Gesicht und nicht einen Prozessor als Ansprechpartner wünschen. Ich vertraue darauf, dass sich das nicht ändert und Radiologen auch in Zukunft genug zu tun haben werden.

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Nachworte Stefan Lohwasser Stefan O. Schönberg Worüber reden wir eigentlich, wenn wir von Radiologie in Deutschland sprechen? 15 Radiologinnen, Medizi n- physiker und Medizinisch-Technische Radiologie-Assistentinnen (MTRA) sind auf Initiative der Deutschen Röntgen- gesellschaft (DRG) dieser Frage über einen Zeitraum von rund 18 Monaten nachgegangen. Entstanden ist aus einem gemeinsamen Forschungs-, Workshop- und Redaktionsprozess die vorliegende Publikation „Radiologie in Deutschland. Ein Weißbuch“. Prof. Dr. Stefan O. Schönberg, DRG- Präsident, und Dr. Stefan Lohwasser, DRG-Geschäft sführer, haben sich im Vorfeld der Veröﬀentlichung zu einem Gespräch über das Weißbuch in Berlin getroﬀen.

Lohwasser Schönberg 231 „Den ganzen Menschen im Blick“ – das ist für mich schon mehr als nur eine Kapitelüberschrift im Weiß- buch. Da würde ich an Ihren Gedanken eines gesell- schaftlichen Anspruchs der Radiologie, ja letztlich auch eines Auftrages, anknüpfen. Radiologie ist eben nicht kalte Medizintechnik, sondern sie ist von Men- schen für Menschen gemacht. Das ist für mich eine ganz zentrale Botschaft, die alle Kapitel durchzieht. Neben der Anästhesie ist in einem Krankenhaus die Radiologie die zentrale Schalt- und Verteilerzentrale. Diese Rolle ist gewissermaßen in ihrer DNA angelegt und ich denke, wir müssen uns überlegen, wie die Radiologie diese Rolle in der Zukunft noch besser ausfüllen kann, und das nicht nur in der stationären Versorgung. Die Radiologie muss auch in der ambu- lanten Versorgung noch stärker eine Verteiler- oder Lotsenrolle einnehmen und eine beratende Funktion sowohl für Patienten, als auch für Fachkollegen inne- haben. Wissensvermittlung gehört für mich ganz zentral zur Radiologie. Aus dieser Wissensvermittlung hat sich ein ganz neuer Dialog mit anderen Fachgruppen, mit Ärztinnen, aber auch mit Nichtärzten entwickelt. Das ist in den Buchbeiträgen ja in der vollen Breite abgebil- det. Letztendlich haben wir diese Vermittlerrolle sehr, sehr früh verstanden und auch umgesetzt. Das wird auch sicher weitergehen. Unsere Aufgabe als DRG ist es, das noch mehr nach außen, insbesondere in die Politik, zu tragen. Die Digitalisierung bringt uns dabei in eine noch stärkere, integrativere Rolle. Das heißt, wir werden jetzt zu Wissensintegratorinnen, die neben den Bildinformationen noch andere Informationen und Daten mit hineinnehmen und damit noch stärker auf den medizinischen Gesamtversorgungsprozess eines Patienten schauen. Das hatten wir früher nicht so im Blick – mit dem Stellen der Diagnose war der Auf- trag erfüllt. Daraus leitet sich ja auch der Begriﬀ der Auftragsleistung ab. Davon haben wir uns inzwischen wegentwickelt hin zu einem umfassenderen Anspruch, wirklich den ganzen Menschen und sein Wohlergehen

Lohwasser Schönberg Nachworte zu betrachten. Auch da blickt das Weißbuch sicher- lich weit nach vorn und zeigt die Radiologie als Innova- tionstreiber. Künstliche Intelligenz, hybride Verfahren, Präzisionsmedizin – Innovation geht mit Integration Hand in Hand. Da ist jetzt vieles in Bewegung und im Gespräch. Für uns als DRG ist der Dreiklang aus Wissensvermittlung, Kommunikation und der Generierung neuen Wissens wichtig. Ich möchte da gern das Geburtshaus von Wil- helm Conrad Röntgen in Remscheid-Lennep, das wir nach Renovierung und Umbau als Ort der Begegnung wiedereröﬀnet haben, als Symbol nutzen. Hier ﬁndet sich der Dreiklang wieder: Das Erdgeschoss mit sei- ner Publikumsausstellung steht für das Vermitteln von Wissen. Im ersten Obergeschoss treﬀen wir uns und tauschen uns aus. Das steht für Kommunikation, da fallen Entscheidungen, da wird nachgedacht. Und im Dachgeschoss ﬁndet Wissensgenerierung durch Forscherinnen und Forscher statt, die dort für eine Zeit Quartier beziehen. Da entsteht Neues, entstehen Innovationen, die dann im ersten Obergeschoss auch wieder ausgetauscht und abgeglichen werden. Es gibt immer wieder neue Impulse, sodass sich die Radio- logie fortwährend neu erﬁndet, neu erﬁnden muss. Sie bleibt nie stehen und bindet multiprofessionell viele Menschen und Gruppierungen ein. Das ist auch ein Sinnbild für die Rolle innerhalb der Medizin insgesamt. Das Weißbuch ist nicht nur ein sichtbarer Ausdruck für diese Multiprofessionalität, sondern auch für diesen fortwährenden Veränderungsprozess. Wir haben ja kein klassisches Buch vor uns, sondern ein lebendi- ges Dokument. Das kann Grundlage und Ausgangs- punkt sein für eine Begleitung und Weiterentwicklung der Themen und für einen gesellschaftlichen Dialog. Ich denke da besonders an die Politik. Gerade mit Blick auf die Themen und das gesellschaftliche wie auch wirtschaftliche Potential, für das die Radiologie ja steht, wüsste ich dieses Buch zum Beispiel auch 232

Lohwasser Schönberg gern auf dem Schreibtisch der Gesundheits- wie auch Wirtschaftsministerinnen und -minister auf Landes- und Bundesebene. Lesenswert ist das Weißbuch auch für junge Men- schen, die vielleicht schon Medizin studieren oder sich gerade erst beruﬂich orientieren. Oder Industriever- treter und Lobbyisten, die nach den zukünftigen The- men in der Medizin Ausschau halten. Auch Menschen, die der Radiologie gegenüber kritisch eingestellt sind, sie vielleicht nicht als klinisch vollwertiges Fach oder nur kommerzgetrieben sehen, können ihr Urteil mit den Inhalten des Weißbuchs abgleichen. Ich hoﬀe, dass wir da viele noch gar nicht im Blick haben, die das Weißbuch auch lesen werden. Jetzt aber erst einmal Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, einen herzlichen Dank für Ihr Interesse an der Radiologie in Deutschland! Lohwasser … und an all diejenigen, die sie Tag für Tag mit Leben füllen. 233

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Autoren Radiologie in Deutschland 241 Die vorliegende Publikation „Radiologie in Deutschland. Ein Weißbuch“ wurde aus der klinischen und wissenschaft- lichen Praxis der Radiologie heraus in einem gemeinsamen Workshop-Prozess entwickelt. Die Autoren repräsentieren die verschiedenen Berufsgruppen, Ver- sorgungsbereiche und -orte, Tät igkeits- felder, Hierarchie-Ebenen sowie auch unterschiedliche Altersgruppen und Ausbildung sstände innerhalb der Ra- diologie. Als Radiologinnen, MTRA und Medizinphysiker haben sie aus unter- schiedlichen Perspektiven und in unter- schiedlichen textlichen und graﬁschen Darstellungsformen Beiträge erstellt, die dem Fach Radiologie in seiner Viel- schichtigkeit ein Gesicht geben.

Autoren Bildnachweise Druck Schrift und Papier Copyright 247 Prof. Dr. Jörg Barkhausen, Prof. Dr. Michael Bock, Vera Breier, Prof. Dr. Angela Geissler, Prof. Dr. Elke R. Gizewski, Prof. Dr. Thomas Hackländer, PD Dr. Thekla von Kalle, Dr. André Lachnitt, Prof. Dr. Rotem S. Lanzman, Dr. Horst Lenzen, Dr. Stefan Neumann, Dr. Thekla H. Oechtering, Dr. Christian Rosenberg, Prof. Dr. Lale Umutlu, Michael Wiertz Bildstrecke „Graustufen der Radiologie“ S. 012–023: Fons Hickmann M23 Bildstrecke „Radiologische Bilderwelten“ S. 048, 054–055, 059: Rotem S. Lanzman S. 049, 058: DRG S. 050–051, 056–057: ©2019 TeraRecon, Inc. All rights reserved. S. 052–053: C. Vokuhl, Kiel S. 061–063: Barbara Gluth S. 075 (u. r.): C. Vokuhl, Kiel S. 085, 114–115: DIN Deutsches Institut für Normung e. V. S. 087: Georg Thieme Verlag KG Bildstrecke „Radiologischer Alltag“ S. 124–131, 133–135: DRG S. 132: Barbara Gluth S. 156: DRG (o.), Julia Solerti, büro54 (u.) Bildstrecke „Radiologie und Technik“ S. 178–181, 184–185, 188–191: DRG S. 182–183, 186–187: Robert Caspar Müller Bildstrecke „Datenwelten“ S. 234–240: Fons Hickmann M23 Die Bildrechte für sonstige Abbildungen in den Beiträgen liegen bei den jeweiligen Autoren. KÖNIGSDRUCK Printmedien und digitale Dienste GmbH Berlin Schrift: Founder Grotesk, Klim Type Foundry Papier: Gardapat 13 Kiara, 115 g/qm © 2019 Deutsche Röntgengesellschaft, Gesellschaft für Medizinische Radiologie e. V. Ernst-Reuter-Platz 10 10587 Berlin oﬃce@drg.de www.drg.de ISBN 978-3-00-062663-0 Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis

Vorworte

Bildstrecke

Einleitung

Radiologie in Zahlen

Kapitel I: Funktion. Den ganzen Menschen im Blick

Bildstrecke

Ein Tag im Leben einer Radiologin

Vom "Knochenmann" zur "Weichteilfrau". Der Mensch im Bild der Radiologie

Die Radiologie als Schnittstelle

Radiologie im O-Ton

Verzahnung der Radiologie mit der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie in der Forschung

Von Kopf bis Fuß: Krankheiten auf der Spur

Verfahren der Radiologie. Ein Überblick aus der Perspektive der Medizinphysik

Prozesse in der Radiologie

Kapitel II: Struktur. Vielfalt und Teamwork

Bildstrecke

MTRA - Radiologie mit Kopf, Hand und Herz

Von der Anmeldung zum Befund - Datentransfer in sechs Sationen

Medizinphysiker in der Röntgendiagnostik

Überall verfügbar: Teleradiologie

Radiologie stationär und ambulant: im Interesse des Patienten

Gender Gap in der Radiologie

Parallele Universen in der Radiologie

Interventionen: Wenn Radiologie zur Therapie wird

Fort- und Weiterbildung: Schritt halten mit dem Wandel

Die Sprachen der Radiologie

Kapitel III: Entwicklung. Perspektiven und Herausforderungen

Bildstrecke

Radiologie der Zukunft: Ein Gespräch

Wenn aus Daten Wissen wird

Maschinen und Menschen

Modelle der Versorgung - ein integrativer Ansatz

Ebenen des Datenschutzes in der Radiologie

Transformationen. Beobachtungen zur Zukunft der Radiologie

Patientenversorgung versus Profit. Ein Plädoyer für den Erhalt inhabergeführter Röntgenpraxen

Radiologie 2030

Nachworte

Bildstrecke

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